Termin

Artur Żmijewski. "Democracies" und andere Arbeiten

Ausstellung 27.09.2009–17.01.2010

Camera Austria, Kunsthaus Graz, Graz, Österreich

In seiner künstlerischen Praxis des sozialen Experiments mit verschiedenen gesellschaftlichen Randgruppen hat Artur Żmijeswki (geb. 1966, lebt in Warschau) bereits in den letzten zehn Jahren einer Auflösung von wertenden Begriffen zugearbeitet, mit denen wir gesellschaftliches Normverhalten und ihr Abweichen davon beschreiben – und durch sein bisweilen grenzgängerisches Agieren auch sich selbst als Künstler stets zwischen Tabuüberschreitung bzw. -überwindung bewegt. Wenn man so will, lag aber bereits diesem künstlerischen Ansatz ein zutiefst demokratisches Grundverständnis zugrunde, in dem die Herstellung der Souveranität und Integrität des Einzelnen eine entscheidende Rolle spielen. Im Zentrum steht das demokratische Grundprinzip der Gleichbehandlung Aller, das Żmijewski gewissermaßen auf die Spitze treibt. So ließ er in der Leipziger Thomaskirche gehörlose Kinder Bachkantaten aufführen ("Gesangsstunde II / The Singing Lesson II", 2003) oder einen an der Huntingtonschen Krankheit leidenden Schauspieler Shakepeares Sonette lesen ("William Shakespeare, Sonette / William Shakespeare, Sonnets", 2004).

Die Qualität von Żmijewskis künstlerischen Arbeit liegt darin, dass uns in ihr das Deviante und Abseitige nahe kommt und einen Anspruch auf Anerkennung reklamiert, dass sie uns unmittelbar emotional anspricht und zu (Selbst-) Reflektion und auch zu politischer Positionierung fordert. Moralische Zweifel führt er dabei als Denkblockaden vor, mit denen wir Distanz gegenüber jenen zu wahren verstehen, die "das Andere" repräsentieren.

In seinen neueren Arbeiten wechselt Żmijewski nicht nur durch einen radikal-dokumentarischen Ansatz seine formale Vorgehensweise, sondern setzt sich auch auf eine andere, sehr direkte Art und Weise mit Themen wie Freiheit und Gleichheit als Grundprinzipien der Demokratie auseinander. In seiner Videoarbeit "Democracies" untersucht Artur Żmijewski den für das Demokratieverständnis so wichtigen Freiheitsbegriff – und seine jeweiligen ideologischen Grenzen. In seiner Position als teilnehmender Beobachter liegt die verstörende Radikalität seiner Arbeit, die nicht unterscheidet zwischen guten und schlechten Demokraten, richtig und falsch verstandener Freiheit. "Democracies" (2009) sind kurz und präzise geschnittene Dokumentarfilme von verschiedenen politischen Willensbekundungen im öffentlichen Raum. In einer Installation aus über 20 Filmen stellt Artur Żmijewski unterschiedliche Meinungen und Inszenierungsformen nebeneinander ohne zu werten: Filme von Demonstrationen für das Recht auf Abtreibung oder für das Recht auf mehr Lohn finden sich genauso wieder wie Militärparaden, im Reenactment nachgestellte historische Schlachten wie den Warschauer Aufstand von 1944, triumphierende Fans bei der Fußball-EM in Deutschland, Jörg Haiders Beerdigung etc. – dass Żmijewski aber auch politische Demonstrationen, Grenzkontrollen und Unruhen rund um das Gebiet in Gaza aufnimmt, ist dabei ein entscheidender Hinweis auf die Geschichte und die Gesichter des heutigen Europa, die Żmijewski mit "Democracies" freizulegen versucht.

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