Termin

Jahrestagung: Die Sachen der Aufklärung

Tagungen und Symposien 30.09.2010–03.10.2010

Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung (IZEA), Halle (Saale), Deutschland

Veranstalter: Deutsche Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts (DGEJ)

Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts (DGEJ) wird vom Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung der Universität Halle-Wittenberg (IZEA) in Kooperation mit dem Exzellenznetzwerk „Aufklärung – Religion – Wissen“ sowie den Franckeschen Stiftungen zu Halle veranstaltet.


Geläufig ist die Rede von der ‚Sache‘ der Aufklärung. Damit ist ihr vernünftig begründetes Anliegen, ihr programmatischer Kern, ihre Zielvorstellung angesprochen, auch ein normativer Gehalt, der weit über die Epoche der Aufklärung hinaus wirksam ist. Die ‚Sachen‘ der Aufklärung zu thematisieren richtet den Blick dagegen auf das Konkrete, auf die Praktiken, auf das jeweils Verhandelte bzw. Umstrittene sowie auf die materiale Dimension von Erkenntnis, Kultur und Überlieferung, von Laboreinrichtungen, Handelswaren, Kunst- oder Gedächtnisobjekten. Die entsprechenden Blickwendungen hat die Aufklärungsforschung in den vergangenen Jahren vielfach vorgenommen. Unser Bild des Jahrhunderts hat dadurch auf der einen Seite enorm an Komplexität gewonnen. Diese Differenzierung macht es auf der anderen Seite aber immer schwieriger, die Kontur der Epoche von einem durchgängigen Prinzip – von der Sache der Aufklärung – her zu bestimmen.

Unter dem Titel Die Sachen der Aufklärung soll die Spannung zwischen Sache und Sachen fokussiert werden, um die Entwicklung und Diskussion von Blickweisen zu befördern, die einen produktiven Umgang mit ihr ermöglichen. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Unterscheidung von Sache und Sachen, von Programmatik und Pragmatik der Aufklärung nur eine analytische sein kann, denn im historischen Prozess treten beide in wechselseitiger Bedingtheit auf. Zum einen werden die Sachen stets im Licht der von der Aufklärung verfochtenen Sache wahrgenommen: Die Sachen erhalten ihre Kontur wesentlich dadurch, welcher Sache sie dienen. Zum anderen geht die Selbstverständigung der Aufklärung weit häufiger, als Zerrbilder eines einseitigen Rationalismus unterstellen, vom Konkreten aus, so wie sich die Durchsetzung aufklärerischer Anliegen notwendig auf konkrete Objekte und Sachverhalte bezieht und – wie weitreichend ihre Ziele auch seien mögen – in jeweils aktuellen Praktiken realisieren muss. Als typisch aufklärerisch für diese Immersion ins Konkrete kann die Anklage von intellektuellen, religiösen, politischen, sozialen oder ästhetischen Missständen vor dem Gerichtshof der Vernunft gelten: Indem die Aufklärung ihre Sache als Streitsache verhandelt, wird auch sie zum Verhandlungsgegenstand. Darin liegen eine Schwächung – der Eintritt ins je Bedingte – und eine Stärkung – die Nötigung zu dauernder Selbstreflexion – zugleich. So oder so: Wie Kehrseiten ein und derselben Medaille ist die Sache der Aufklärung an deren Sachen gekoppelt. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob der Sache oder den Sachen der Vorrang zu geben sei, sondern es ist zu fragen, welche Folgen ihre vielfältigen Beziehungen auf beiden Seiten haben.

Beantworten lässt sich diese Frage nur auf der breiten Grundlage gegenwärtiger Erforschung der kulturellen Vielfalt des 18. Jahrhunderts. Mit den Sachen der Aufklärung sind sowohl die Dinge der Alltagskultur und Warenwelt als auch die Objekte wissenschaftlicher Erkenntnis angesprochen, sowohl die causae, welche die Aufklärung vor ihren Gerichtshof bringt, als auch die res, die das rhetorische System als Gegenstand der Rede und der Künste definiert, sowohl die Medien der Kommunikation und Überlieferung als auch das erkenntnistheoretische Verhältnis von Verstand und Sinnlichkeit. Die in sich interdisziplinären Panels der Tagung setzen an den zahlreichen epistemischen Schnitt- und Bruchstellen an, an denen der Wechselbezug von Sache und Sachen der Aufklärung zutage tritt. Durchgängige Leitfrage ist die nach der Spannung sowie den Interferenzen zwischen der Sache und den Sachen der Aufklärung:

 

1. Redesachen: Gegenstände der Rhetorik (Sektionsleitung: Prof. Dr. Carsten Zelle, Bochum)

2. Streitsachen: Akteure, Praktiken und Situationen (Sektionsleitung: Jun.-Prof. Dr. Marian Füssel, Göttingen)

3. Sinnliches Erfassen der Sachen: Ästhetik als neue Wissenschaft (Sektionsleitung: PD Dr. Ulrike Zeuch, Wolfenbüttel/ Göttingen)

4. Medialität der Sachen: Materialität der Kommunikation (Sektionsleitung: Dr. Stephan Kammer, Berlin/ Düsseldorf)

5. Schöne Sachen: Deutung und Bedeutung der Künste und ihrer Geschichte (Sektionsleitung: Prof. Dr. Joachim Jacob, Gießen)

6. Gedächtnis der Dinge: Materialität von Erinnerungsobjekten und Gedächtnismodellen (Sektionsleitung: Dr. Christiane Holm, Halle)

7. Empirie der Tatsachen: Sachverstand in Beobachtung und Versuchsanordnung (Sektionsleitung: Prof. Dr. Olaf Breidbach, Jena)

8. Schaustücke und Lehrmodelle: Dingbasierte Bildungskonzepte in Realienunterricht, Museen, Wissenstransfer (Sektionsleitung: Dr. Thomas Müller-Bahlke, Halle)

9. Fall und Fallgeschichte: Der Mensch als Sache anthropologischer Diskurse (Sektionsleitung: Dr. Dr. Yvonne Wübben, Berlin)

10. Spielsachen und Luxusgüter: Zum Nutzen der unnützen Sachen (Sektionsleitung: PD Dr. Dominik Schrage, Dresden)

11. Wertsachen: Ökonomie (Sektionsleitung: Prof. Dr. Michael North, Greifswald)

12. Kultobjekte: Reliquien, Fetische, Andachtsmedien (Sektionsleitung: Prof. Dr. Udo Sträter, Halle)


Die Leitung haben Prof. Dr. Daniel Fulda (Halle) und PD Dr. Frauke Berndt (Frankfurt am Main).
 

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