Termin

Relevanzdiktat und das Spezifische der Kunst

Diskussion 02.12.2015, 19:00 Uhr

Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Leipzig, Deutschland

Diskussion mit Kathrin Busch, Alexander Koch und Peter Wiersbinski.

Seit etwa 20 Jahren lässt sich eine erneute Hinwendung der Kunst zu sozialen und politischen Problemstellungen beobachten. Kunst um ihrer selbst willen zu produzieren, erscheint vielen Künstler*innen nicht mehr nur unbefriedigend, sondern angesichts der gegenwärtigen Ubiquität der Krise(n) auch ethisch und politisch fragwürdig. Referenzrahmen und Methoden künstlerischer Praxis haben sich radikal erweitert. Die üblichen kunsthistorischen Bezugnahmen reichen für den Ausweis der Relevanz von Kunst nicht mehr aus. Statt solipsistisch auf sich selbst zu reflektieren, soll Kunst offensiv die Nähe zum Realen suchen: die Wirklichkeit der aktuellen, sozialen Kämpfe vergegenwärtigen, sich mit Formen politischen Aktivismus legieren oder punktuell Möglichkeiten der Partizipation und sozialen Integration eröffnen. Dass Ambitionen dieser Art nicht ohne institutionellen Widerhall bleiben, versteht sich: Künstler*innen werden heute offensiv als Agent*innen des gesellschaftlichen Wandels adressiert; sie sollen Gentrifizierungs‐ und Kulturalisierungsprozesse initiieren, als kreative Sozialarbeiter*innen die Integration marginalisierter Gruppen befördern oder mit der fließbandmäßigen Produktion von „critically“ den Fortbestand (und Marktwert) von Institutionen nterschiedlichster Coleur sichern. Relevanz versteht sich hier als Ausweis sozialer Wirksamkeit. Wie verträgt sich ein solcher Anspruch aber mit der Spezifität von Kunst? Bemisst sich die Relevanz künstlerischer Praxen tatsächlich nach dem Grad ihrer Öffnung aufs Soziale? Oder sind nicht vielmehr solche künstlerischen Praxen relevant, die, allen moralischen Bedenken zum Trotz, auf dem Privileg ästhetischer Autonomie, der Eigengültigkeit und Zweckfreiheit von Kunst, insistieren? Andererseits: Kann (darf?) Kunst zu den gegenwärtigen, sozialen und politischen Transformationsprozessen und deren dramatischen Konsequenzen schweigen? Kurz: Wann lässt sich mit Recht aus ethisch‐politischer ebenso wie aus ästhetischer Perspektive, unter den Bedingungen des gegenwärtigen Kapitalismus, von einer relevanten, künstlerischen Praxis sprechen? In der ersten Veranstaltung wollen wir diskutieren, woher das verstärkte Begehren der Gegenwartskunst nach Relevanz und sozialer Wirksamkeit rührt, welche Formen es annimmt und wie es mit Blick auf das Spezifische der Kunst zu bewerten ist.

Ort: Festsaal der HGB, Wächterstraße 11, 04107 Leipzig

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns