Termin

Robert Wilson. Video Portraits

Ausstellung 13.05.2010–22.08.2010

ZKM | Museum für Neue Kunst, Karlsruhe, Deutschland

Obwohl Robert Wilson sich weigert, seine Werke zu interpretieren, übernimmt er gerne die Aufgabe der Interpretation, wenn es sich um Persönlichkeiten handelt. So schuf er schon in den 1970er-Jahren seine ersten Porträts bedeutender Persönlichkeiten, wie Louis Aragon, Pontus Hultén, Helene Rochas. Seine Porträts sind theatralische Inszenierungen und somit also Interpretationen. Wilsons Künstlertum konstruiert sich aus den entscheidenden künstlerischen Impulsen der 1960er-Jahre (von Performance bis zur Minimal Art), die in seine epochemachenden und legendären Inszenierungen ab den 1970er-Jahren einflossen. Aus seiner Inszenierungskunst heraus wurde er auch Bühnenbildner und Bildhauer, Maler und Zeichner. Seine Bildkunst beschränkte sich dementsprechend nicht nur auf die Fläche, sondern er schuf auch dreidimensionale Objekte, Installationen und Environments von höchsten poetischen Graden, zum Teil absurd und surrealistisch, zum Teil extrem minimalistisch, aber immer überraschend. In der zeitbasierten Bildform Video und Film erreichte er eine innovative Bildsprache, die eine Welt kreiert, zwischen chaplinesque und kafkaesk, aber immer absolutely Wilson.

All seine Erfahrungen als weltweit gefeierter Bild- und Objektkünstler, als Bühnenbildner und Regisseur, als Choreograf und Kurator hat er in seinen Videoporträts seit 2004 konzentriert, da es ihm die technischen Möglichkeiten des High Definition-Fernsehens erlauben, den Reichtum seiner Bild- und Bühnensprache auszudifferenzieren: Bewegung, Gestik, Make-up, Kostüm, Kulisse, Lichteinsatz, ebenso wie die Stile der Hoch- und Popkultur, die klassischen wie neuen Medien: Malerei, Design, Musik, Oper, Tanz, Theater, Fotografie, Fernsehen, Film, etc. Die porträtierten Persönlichkeiten verweisen dabei nicht nur auf eigene biografische Details, sondern auch auf kulturgeschichtliche Quellen. So stellt beispielsweise Robert Downey Jr. den Leichnam von Rembrandts Anatomie des Dr. Nicolaes Tulp (1632) dar; Johnny Depp ist in einem Drag-Kostüm zu sehen und posiert darin als Rrose Sélavy von Marcel Duchamp. Die Subjekte sind sowohl konstruiert wie authentisch, biografisch wie soziografisch, Porträts ihres Lebens wie eines Mediums oder einer Epoche. Die Portraits sind visuelle Geschichte aber auch Teil der Geschichte bzw. selbst Geschichte.

Robert Wilson porträtiert allerdings nicht nur berühmte Persönlichkeiten, wie etwa Isabella Rossellini, Brad Pitt oder Caroline von Monaco, sondern auch unbekannte Menschen und Tiere, die bisher nicht künstlerisch repräsentiert wurden, wie zum Beispiel eine Straßentänzerin oder einen Frosch. Gerade in diesen Inszenierungen erreicht Wilsons komplexe Bild- und Tonsprache ihre Höhepunkte, nämlich eine Zelebrierung der Empathie: Anonyma werden zur Diva, Neutra erhalten Kultstatus. Wilsons Videoporträts haben also eine kognitive Funktion. In der Geschichte der Porträtmalerei und des fotografischen Porträts, insbesondere der inszenierten Fotografie, stellen seine inszenierten Porträts nicht nur einen Höhepunkt der Vollendung, sondern auch vor allem eine Klimax dar, die wegweisend ist.
Jedes Videoporträt wird dabei als wesentlicher Bestandteil über das Szenische hinaus von einem spezifischen Klangteppich unterlegt, der sich von Feldaufnahmen bis zu Musik von Videospielen, von Klassik bis zu Blues, Rock und Punk erstreckt, oder auch von Robert Wilson zitierte Lyrik von Heiner Müller enthalten kann.

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