Termin

SKULPTUR.WEIMAR.2009. Thomas Lindner und Karien Vervoort. Kleinplastik und Arbeiten auf Papier

Ausstellung 06.06.2009–23.07.2009

Galerie Profil, Weimar, Deutschland

Einführung von Dr. Cornelie Becker-Lamers, M.A., Weimar

In ihrem elften Veranstaltungsjahr präsentiert die jährliche Ausstellungsreihe Skulptur . Weimar auch im Sommer 2009 wieder plastische Arbeiten im Stadtgebiet und im Park des Romantikhotels Dorotheenhof. Darüber hinaus jedoch wurde das Ausstellungskonzept in diesem Jahr erweitert: Elke Gatz-Hengst, Galeristin der Galerie Profil und Kuratorin der Reihe Skulptur . Weimar, ergänzt 2009 die Exponate im Außenraum durch korrespondierende Arbeiten in den eigenen Räumlichkeiten (Geleitstraße 8). Die Wahl der Ausstellungsmacherin fiel – im „Bauhausjahr“ 2009 – auf zwei in Thüringen lebende Bildhauer, deren Werke einen Hang zu Geometrie und architektonischer Einmischung zeigen: Karien Vervoort (Wernburg) und Thomas Lindner (Erfurt) stehen dieses Jahr im Mittelpunkt des Interesses.

Die Grundrisse buddhistischer Tempel können für Karien Vervoort Anlass zu Bronzemodellen sein, in denen ein dreidimensionales Koordinatensystem von Sichtachsen die Gegensatzpaare des Außen und Innen, des Oben und Unten, des Tragenden und des Erhobenen, des Geborgenen und des Gezeigten, des Kantigen und des Runden thematisiert (vgl. Denkmodelle Nr. 7/ Nr. 8). Der Begriff des „Denkmodells“, auf den Vervoort einige ihrer Werke bringt, verweist auf die geistige Überhöhung, die bei diesen Arbeiten mitzulesen ist: Irdisches und Kosmisches, Weibliches und Männliches, Intellektuelles und Unterbewusstes werden als Dichotomien reflektiert, in denen das Denken der Menschen oszilliert und unser Handeln leitet (vgl. Eindreiheit Nr. 1).
Die unhintergehbare Perspektive, die uns die Welt immer nur aus unserer Sicht erkennen und sie auf handhabbares, menschliches Maß bringen lässt, ist damit ein zentrales Motiv in Vervoorts Werk. Auch dieser Aspekt aber mündet hier wieder in die Beschäftigung mit der (Innen )Architektur. Denn gerade in ihrer Zweckmäßigkeit zeigen Haus, Tür, Schrank und Tisch das Maß des Menschen: „Der Tisch bringt die Erde auf unsere Arbeitshöhe“ (Vervoort). Als Spur des Menschen in den Dingen legt der richtige Maßstab Zeugnis von der Zurichtung der Welt ab. Dies wiederum macht für die Künstlerin Maßstabsverzerrungen und Verfremdungen zum reizvollen Gestaltungsauftrag. Die viel zu kleinen „Türen“ und perspektivisch verkürzten „Räume“ ihrer Cortenstahlplastik mitten auf einem Weg des Beeckestijn-Parks in Velsen bei Amsterdam (Ohne Titel, 1988 dort aufgestellt) belegen dies ebenso wie das grobmaschige Fischernetz mit seinen viel zu großen Schwimmern (Denkmodell-auf-Dolormit/ La perspective amoureuse) oder die verfremdende Abformung einer Tischdecke in Bronze und Gips (Ohne Titel, 2004). Die begehbare „Eindreiheit Nr. 4“ und das Theatermodell verkehren für den Betrachter – oder besser: Nutzer – des Kunstwerks die Wahrnehmung des Innen und Außen. Die umgebende Welt wird zur Bühne.

Auf das Maß des Menschen verweisen auch die kinetischen Objekte Thomas Lindners, die den Betrachter durch ihre faszinierend ruhigen Bewegungen in ihren Bann ziehen. Im Zusammenspiel von gesetzmäßiger Balance und zufälliger Störung beschreiben die Kunstwerke den umgebenden Raum in einer langsamen, organischen Choreographie: Wie ein Tanz sind die „Vier Rechtecke“ oder die „Kleine Entfaltung“ eine Inszenierung maßvoller Bewegung. Das Darstellen von Bewegung – denn „einfangen“ lässt sie sich ja eben nicht – das Inszenieren des Geschehenlassens von Bewegung treibt Thomas Lindners Arbeit voran. Und sei es als Inszenierung von Licht: Indem die spiegelnden Oberflächen der „Vier Quadrate“ in Bewegung geraten, lassen sie das Licht Bildfolgen in die Luft malen, die sich beständig verändern, entstehen und verschwinden.
Dies schlägt die Brücke von den kinetischen Objekten zur Plastik „Lapislazuli“. Das Rhomben-Dodekaeder aus Lochblech entlehnt seinen Namen von der Kristallstruktur des kostbaren ultramarinblauen Minerals. Die Hohlform aus Lochblech ist für die ständigen Veränderungen verantwortlich, die das Aussehen der Plastik für den sich nähernden Betrachter bereit hält: An den kleinen Löchern bricht sich das Licht, die Strahlen interferieren, löschen sich aus oder verstärken sich, und bei jedem Schritt zeigt das Dodekaeder andere Wabenmuster aus Schattenflächen und veränderlichen Lichtpunkten: Auch diese Skulptur scheint sich zu bewegen, doch dieser Eindruck beruht auf optischer Täuschung.
Die Spirale ist für Thomas Lindner der Begriff, der das Wesen des Lebendigen am besten greifbar werden lässt: die zyklische Wiederkehr des doch niemals ganz Gleichen. Die Spiralform versteckt sich in Werken wie „Magic“, wird offensichtlicher in der aufstrebenden Form „Zum Licht“ und dem „Germe“, der sich wie eine Schlange durchs Gras zu bewegen scheint. Wir begegnen ihr in den Emaillen und Fotogrammen Lindners, wenn Kreise nicht geschlossen werden und Linien, in sich selbst zurückgeführt, sich doch nicht genau wieder treffen. Was die kinetischen Objekte vor unseren Augen vollziehen, wird in den Bronzeplastiken als eingefrorene Bewegung sichtbar: Jeder Augenblick bringt Veränderungen, die irreversibel sind. Leben ist nicht wiederholbar. Alles ist einzigartig genau jetzt.
(Dr. Cornelie Becker-Lamers, M.A., Weimar)
 

Weitere Informationen

Diese Ausstellung hat verschiedene Standorte:

  • Galerie Profil
  • Innenstadt von Weimar
  • Kulturbahnhof
  • Park des Romantik Hotel Dorotheenhof

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