Termin

Skulptur.Weimar.2010 Anne-Katrin Altwein

Ausstellung 13.06.2010–30.09.2010

Innenstadt, Weimar, Deutschland

Veranstalter: Galerie Profil Weimar

Skulptur . Weimar . 2010
Anne-Katrin Altwein. Juni – September 2010

Auch in diesem Sommer bereichert die Veranstaltungsreihe Skulptur . Weimar wieder das kulturelle Leben im öffentlichen Raum Weimars. Erneut zeigt die Kuratorin Elke Gatz-Hengst (Galerie Profil) in Zusammenarbeit mit dem Romantik Hotel Dorotheenhof Weimar und erstmals in Kooperation mit dem Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. plastische und skulpturale Arbeiten im Stadtgebiet wie im Park des Dorotheenhofs. In diesem Jahr sind es die Arbeiten Anne Katrin Altweins, die am Theaterplatz, in der Schillerstraße oder am Goetheplatz in den Focus der Aufmerksamkeit schlendernder Touristen und mußevoller Stadtbewohner gerückt werden. Mit einer Zusammenschau der vergangenen zehn Jahre von Skulptur . Weimar feiert der KulturBahnhof in besonderer Weise das Jubiläum der Ausstellungsreihe.
Anne-Katrin Altwein, die seit über 20 Jahren als freie Künstlerin in Weimar lebt und arbeitet, ist in Thüringen wahrlich keine Unbekannte. Steinskulpturen wie Odins Raben und die Midgardschlange am Burgplatz Weimar oder Franz und der Vogel auf dem Erfurter Anger (beide 1992) sind ebenso wenig aus dem jeweiligen Stadtbild wegzudenken wie die Bronzeplastik Gralsucher (2002) vor der Polizeiinspektion Apolda oder die meterhohen Drei Moiren (2004) vor dem Klinikum Jena.
Mit ihren zum Teil riesenhaften Marmorskulpturen – jede der zwischen 2,20m und 2,50m hohen Figuren der Drei Moiren wiegt etwa sechs Tonnen – bringt Anne-Katrin Altwein Anregungen, Techniken und Materialien ihrer zahlreichen Auslandsaufenthalte mit nach Hause zurück. Ihre bildhauerischen Arbeiten lassen sich zwei Werkgruppen zuordnen: Die massigen, häufig sparsam konturierten Steinskulpturen (der Begriff kommt von lat. sculptus, geschnitzt, gemeißelt), die über Monate, wenn nicht Jahre im Steinbruch Ehringsdorf aus ihren Marmorblöcken wachsen, stehen neben fragilen Plastiken (von gr. plastikos, geformt) aus Gips, die, bis sie in Bronze abgegossen werden können, häufig an Bindfäden im Atelier von der Decke hängen.
Immer umkreist das Werk Anne-Katrin Altweins dabei Ausprägungen des Überindividuell-Menschlichen. Wo sie nicht mythologische Figuren baut, da sind es archetypische Gestalten, die als Tanzende Äste (2006; fester Standtort Erfurt) oder Belebte Stäbe, als Tiere (Katzek), als Freifrau oder Botschafterin Handlungen und Haltungen, Begierden und Bedürfnisse des Menschen in eindrücklicher Evidenz hervortreten lassen. So auch die Steinskulpturen – Tiere, menschliche Gestalten oder miteinander verschmelzende Doppelfiguren aus Mensch und Tier –, die als Nachbarin, Voyeur, Pelikan oder Kind und Tier Tugenden und Laster, Wesenszüge und Gemütszustände des Menschen vor Augen führen.
In letzter Zeit hat sich die Perspektive der Künstlerin von der Erforschung der Grundzüge des Menschlichen auf eine Reflexion unseres lokalen wie eines globalen kulturellen Erbes hin erweitert. Hatte bereits die 3,60 m hohe Bronzeplastik WerteGemeinschaft/ Menschliche Größe im Forschungszentrum Jena-Lobeda die Darstellung menschlichen Strebens nach Erkenntnis mit der Reflexion einer technokratischen Forscherkultur verwoben – da steht der dürre homo sapiens, einst als Ebenbild Gottes, nun als Denker und Forscher ein Mittler zwischen Erde und All, „zaghaft und unvermittelt, etwas glücklich, etwas zögerlich, etwas stolz auch und sehr klein zunächst“ (Altwein) –, hatten zeitgleich die Drei Moiren an eine matriarchale Kultur des letztlich schicksalsgläubigen Werden- und Vergehenlassens erinnert, so richten die neuesten Arbeiten – Vermehren durch Wegnehmen (2010) und Europe_ (2009) – den Blick ganz auf die Kultur der westlichen Zivilisation.
Vermehren durch Wegnehmen zeigt zwölf flache, dicht gedrängte Gestalten, die, nur als Relief erkennbar, rundum aus einem 2,20 m hohen Marmorquader gemeißelt und geschliffen sind. Der sprechende Titel verweist gleichermaßen auf die Form wie auf den Inhalt des Werkes: Aus dem Stein wird „mehr“, wenn man ihn Strich für Strich abfeilt, bis er die lebensnahen Figuren freigibt, die Altweins künstlerischer Blick von Anfang an in ihm sah. Inhaltlich stößt der Titel die Reflexion über ein Zusammenrücken und Teilen an, auf die Vervielfältigung kultureller und technischer Möglichkeiten in der globalisierten, enger vernetzten und so scheinbar kleiner gewordenen Welt, aber auch auf die Ausbeutung der Schwellen- und Entwicklungsländer.
Der Bronzeguss der Europe_ stellt als hohles Gerippe den Gegenpol zu dem massigen Marmorquader dar. Die Größe der Plastik unterstreicht ihren Namen: Anne-Katrin Altwein liest den Namen Europe_ als Kompositum aus altgr. eurys („weit“) und opsis („die Sicht“): Europe_ also als die Frau mit der weiten Sicht. Statt der Augen freilich, ja überhaupt statt eines Kopfes überragt den Körper der hünenhaften, langbeinigen Gestalt eine – ihre einzige – Hand. Mit dem Zusammenspiel von Kopf und Hand, das hier sinnfällig wird, verweist Altweins Europe_ auf die Anfänge dessen, was Europa als Sinnbild individueller technischer und kultureller Höchstleistungen in der Augen der Welt auszumachen scheint.


Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar

 

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