Termin

SKULPTUR.WEIMAR.2012 Michael Ernst

Ausstellung 03.06.2012–30.09.2012

Galerie Profil, Weimar, Deutschland

Veranstalter: Galerie Profil

von Dr. Cornelie Becker-Lamers

 Im Kulturstadtjahr 1999 begonnen, belebt die nun schon traditionsreiche Ausstellungsreihe „Skulptur . Weimar“ auch 2012 wieder, zum nunmehr vierzehnten Mal, das Stadtbild mit Kunstplastiken im öffentlichen Raum. Die Kuratorin Elke Gatz-Hengst (Galerie Profil Weimar) stellt an den gewohnten Plätzen in der Fußgängerzone, im Kulturbahnhof sowie im Park des Romantikhotels Dorotheenhof Weimar in diesem Sommer einen jungen Metallbildhauer vor, der zwar im Weimarer Land aufgewachsen ist, jedoch über fünf Jahre lang in Berlin lebte und in Luxemburg und den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, Frankreich und Italien, Tschechien und ganz Deutschland ausstellte, bevor er nun auch wieder auf Expositionen in Thüringen zu sehen ist: Michael Ernst (*1973) stammt aus einer Familie von Kunsthandwerkern und war nach seiner Ausbildung zum Kunstschmied zunächst auch im väterlichen Betrieb tätig.
Den künstlerischen Zugriff auf seinen Werkstoff hat Michael Ernst sich in weiten Teilen autodidaktisch erarbeitet. Studienaufenthalte in Japan und auf den Britischen Inseln, in Frankreich und wiederholt auch in Portugal führten ihn in konkreter Projektarbeit mit Metallbildhauern und anderen Kunstschmieden zusammen. So hat er den Weg zur fertigen Skulptur etwa in der aktiven Mitarbeit an monumentalen Großplastiken des Ferro Design Ateliers in Loulé/ Algarve Schritt für Schritt mitvollzogen. Beau McClellan von Ferro Design war dabei für Michael Ernst von besonderer Bedeutung. Das im Werk Michael Ernsts bis heute durchgängige Motiv des Flügels allerdings (vgl. besonders die Werkreihe „Wings I – V“ aus den Jahren 2006/ 2008) hat er bereits als eigenen Einfluß in Portugal hinterlassen: Für „Zephirus“, eine kinetische Großplastik von acht Metern Höhe, hat Michael Ernst schon 2001 die beweglichen Flügel von zwölf Metern Spannweite gebaut.
Im Werk Michael Ernsts werden Einflüsse aus seinen Studien zur Kunstgeschichte des 20. Jh.s greifbar. So offenbaren seine „Steckfiguren I-XI“ (2009/ 2012), aber auch die Fragilität seiner Stahlkonstruktionen den Eindruck, den das Werk des amerikanischen Konstruktivisten David Smith in dem jungen Künstler hinterlassen hat. Auch Michael Ernsts „Königlicher Vogel“, ein kontinuierlich in Weiterarbeit befindliches Saurierskelett aus metallischen objets trouvés, hat Smiths „Royal Bird“ (1947) zum konkreten Vorbild. Für Ernsts Vorstellung von einer kinetischen Kunst der langsamen Bewegungen war George Rickey besonders prägend.
In der eigenen Schmiede arbeitet Michael Ernst meist noch in „klassischer“ Handwerkermanier mit Schmiedehammer und Amboß, auf dem er die glühenden Eisenstangen in die vorgestellte Form treibt. So entstehen die durch Keile im aufrechten Stand gehaltenen „Steckfiguren“ und die verschiedenen „Knoten“ (2006/ 2011) aus je drei umeinander gewundenen Stahlbändern. Stets sind nur wenige Punkte in den Arbeiten Michael Ernsts geschweißt. In den beweglichen Kunstwerken halten Klingen- oder Kardangelenke, aber auch schlicht das seit Alexander Calder und George Rickey in der Bildenden Kunst bekannte Mobile-Prinzip der ausbalancierten Aufhängung die einzelnen Objekte zusammen.
Denn längst hat die künstlerische Arbeit von Michael Ernst sich von der einfachen Metallplastik fort entwickelt zum kinetischen Objekt. Mit drehbaren kosmischen Modellen („Kosmos I – III “ von 2008/ 2012), dem Astrophone (2010) und dem Klangobjekt „Turntable“ (2011) strebt das Werk langen, kontemplativen Bewegungen zu, in denen die durch Wind oder Berührung aus der Balance gebrachten Massen ihr Gleichgewicht im Zusammenwirken der Naturgesetze wiederfinden. Geradezu lehrbuchhaft führen die „Raumschwingen“ (2006/ 2010) – Objekte wie ein Schaduf, mit dessen Hilfe die alten Ägypter ihre Felder zu bewässern pflegten – die Wirkung von Winkelgeschwindigkeit und Hebelgesetz vor Augen. Die gegenseitige Abhängigkeit der Bewegung verbundener Teile fasziniert an Werken wie dem 4,80 m hohen „Großen Nagelbaum“ (2004/ 2012), bei dem wie in einem umgekehrten Mobile die lang ausgreifenden Arme der hufartigen Vierkantgewichte nur mit feinen Spitzen aufeinander aufruhen. So bringen die Kunstwerke Michael Ernsts die, wie der Künstler selbst sagt, „Ästhetik der natürlichen Ordnung zur Anschauung […]: Das Allgemeine zeigt sich im Besonderen.“
Der „Vogelzirkus“ (2008) und die enzianblau lackierten „Zugvögel“ (2003/ 2010) schließlich markieren den Weg eines wirklich schöpferischen Zugriffs auf die Welt, der dem Werk Michael Ernsts ablesbar ist. Denn wenn die Abbilder von Lebewesen in kinetischen Objekten durch einen Atemstoß des Windes zur Bewegung angeregt werden, erinnert seine Schmiedekunst an die ursprünglich magischen Kräfte, die den Metallgestaltern zugeschrieben wurden: Die Verschmelzung der dem Erdreich abgerungenen Erze Kupfer und Zinn und eine von den Göttern ungestrafte Bearbeitung der Bronze war in prähistorischer Zeit nur für Menschen denkbar, die selbst mit den Göttern im Bunde waren. So gelten den Erzählungen der griechischen Mythologie denn auch die Knechte des Feuergottes Hephaistos, die Schmiede, als Zauberer.

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