Termin

Valentin Beinroth – Specimen Removed

Ausstellung 21.01.2011–25.04.2011

Rudolf-Scharpf-Galerie, Ludwigshafen am Rhein, Deutschland

Veranstalter: Wilhelm-Hack-Museum

Die Ausstellung "Specimen Removed" ist die erste Museumspräsentation des Frank-furter Künstlers Valentin Beinroth in der Projektgalerie des Wilhelm-Hack-Museums für junge Kunst, der Rudolf-Scharpf-Galerie (RSG). Valentin Beinroth, Jahrgang 1974, schloss 2008 sein Studium an der Hochschule für Gestaltung bei Prof. Heiner Blum ab. 2009 erhielt er den Rudi Seitz Preis.
Zehn große, zum Teil raumfüllende Arbeiten sind auf zwei Etagen der Galerie ver-sammelt. Der Ausstellungstitel "Specimen Removed" bezeichnet ein Exponat, das aus der Museumspräsentation herausgenommen wurde, weil es beispielsweise als Leihgabe vorgesehen ist oder restauriert werden muss. Der dafür angefertigte Platz-halter in Form eines kleinen Schildchens ist besonders aus amerikanischen Natur-kundemuseen bekannt.
Genau diese spröde Ästhetik der Naturkunde- und Technikmuseen ist es, die Valentin Beinroth begeistert. Seit 2006 beschäftigt sich der Künstler mit wissen-schaftlichen Methoden des Messens und Archivierens. Er verknüpft historische Maße wie Fuß oder Elle mit aktuellen Maßeinheiten wie der Wellenlänge von Wasserstoff, mit der sogar Distanzen im Weltall gemessen werden können. Auf diese Weise zeigt Beinroth, dass wissenschaftliche Maßeinheiten nicht ewig gültig, sondern Setzungen vor dem jeweiligen historischen und politischen Hintergrund sind. Während im Mittel-alter jede Stadt ihr eigenes Maß hatte, wurden im Zuge der globalisierten Wirtschaft einheitliche Maße notwendig.

Schon während seines Studiums beschäftigte sich Beinroth, ausgehend von der Wunderkammer, mit Methoden des Sammelns und Archivierens. Auch hier geht es
um die Frage, ob die einmal festgelegten Kategorien heute noch Gültigkeit haben und die Welt objektiv beschreiben können. "Auf Maßstäbe muss man sich nicht eini-gen, um mit ihnen zu messen" sagt Beinroth im Kataloginterview. Das gilt auch für seine Sammlungen, anhand derer er beweist, dass jeder seine eigenen Kategorien aufstellen kann, um die Welt zu beschreiben.
2008 unternahm der Künstler eine Forschungsreise nach Hongkong. Mit seiner Ka-mera dokumentierte er 3 000 fotografische Proben von Ereignissen, Erlebnissen und Zufallsfunden. Unter dem Titel "Recollection Taxonomy HK01-RTHK01" werden
176 dieser Proben wie mikroskopische Bilder in einem Leuchtkasten in der ersten Etage der RSG präsentiert. Alle 2 500 Proben fügt er in einem zehnbändigen Lexikon zusammen. Hierbei bestimmt der Künstler seine "Funde" wissenschaftlich genau, zeichnet den Fundort in den Stadtplan ein und notiert alle technischen Daten. Die übergeordnete Struktur entnimmt er dem Ordnungssystem der Wunderkammer, fügt aber an manchen Stellen neue, eigene Kategorien hinzu. Mit Begriffen wie "possibly delicious", "most likely disgusting" oder "low-cost” bindet er subjektive oder dem All-tag entnommene Bezeichnungen ein. Völlig zum Einsturz bringt Beinroth das ver-meintlich objektive Ordnungssystem mit der Kategorie "divers", die jede Ordnung zu Fall bringt.
Im zweiten Stockwerk der RSG sieht man die wandfüllende Arbeit "pedetentim", die aus zwölf überdimensional großen, neongelben Geodreiecken besteht. Auf den ersten Blick wirken die Dreiecke wie Vergrößerungen von Originalen aus dem Schul-alltag. Erst bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass sich die Größe der Drei-ecke nach der Schrittweite des Künstlers richtet. Beinroth stellt sein eigenes Körper-maß in den Mittelpunkt der Arbeit und macht so den Menschen zum Maß aller Dinge.

Neben den Arbeiten "specimen removed" und "Leihgabe" ist das Pendel, das im Fo-yer des Wilhelm-Hack-Museums gezeigt wird, die dritte extra für die Ludwigshafener Ausstellung produzierte Arbeit. In neun Meter Höhe wurde eine Halterung montiert, an deren Seil ein 21 Kilogramm schwerer Pendelkörper hängt. Im Gegensatz zu den klassischen Foucaultschen Pendeln, die in technischen Museen aufbewahrt werden, hat das Beinrothsche Pendel keinen kugelförmigen, sondern einen kristallförmigen Pendelkörper. So wird dem technischen Messinstrument ein esoterischer Kristallkör-per hinzugefügt und die Naturwissenschaft mit der Parawissenschaft verbunden. Bei-de zeigen etwas Unsichtbares, die Naturwissenschaft macht die Erdrotation sichtbar, die Esoterik vermittelt in den Bereich jenseits des Stofflichen. Die Tür zum Subjekti-ven und Unberechenbaren soll immer geöffnet bleiben, um den Denkraum zu erwei-tern und neue Möglichkeiten zu entdecken.

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns