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Äußerst farbig und gar nicht blass – Der Mond. Katalog der Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz Museum

Mit Jahrestagen ist es so eine Sache. Sie haben doch oft etwas leicht Gequältes und schneien einem so beliebig ins Haus. Natürlich lag am 40. Jahrestag der Mondlandung geradezu in der Luft, dass die Menschheit wieder einmal mondsüchtig würde. Doch es gibt auch andere Anlässe. Vor 400 Jahren richtete Galileo Galilei erstmals sein Teleskop auf den blassen Erdtrabanten, und schließlich ist 2009 zwölf Monate lang das internationale Jahr der Astronomie. Zudem hat die Kunstgeschichte nicht ohne Grund schon vor geraumer Zeit die ausgetretenen Pfade der eigenen Disziplin verlassen und sich immer mehr, rechts und links grasend, zu einer umfassenden Kulturwissenschaft der Geschichte des Sehens entwickelt. Die Ausstellung präsentiert somit ein interessantes „Crossover“ mit rund 180 Gemälden, Zeichnungen, Graphiken und nicht zuletzt Fotoarbeiten.

Der Mond.Cover©Hatje Cantz
Der Mond.Cover©Hatje Cantz

Dabei zeichnet sie sich weniger durch die Einzigartigkeit der Exponate, spektakuläre Ausleihen oder horrende Versicherungssummen aus (tatsächlich ist das meiste aus den eigenen Beständen rekrutiert), als durch den originellen Ansatz einer motivgeschichtlichen Untersuchung, dem, man mag es kaum glauben, bislang noch keine monografische Bearbeitung gewidmet worden ist.

Nachtschwarz sind die Seiten des Einbands vorn und hinten ausgeschlagen, und nachtschwarz geht es weiter mit einem Défilé von jeweils zwanzig ganzseitigen Zeichnungen aus den Jahren 1643 und 1644, auf denen zu Beginn und am Ende des Buches eine minuziös registrierende Hand auf dem Reißbrett festhielt, was sich dem staunenden Auge des Naturwissenschaftlers bot. Mit der Erforschung der Mondoberfläche in solchen Pionierlandkarten begann die Entzauberung des Mondes;  mit der Landung der Apollofähre in der Staubwüste des „Meeres der Stille“ endete sie vorläufig. Wie jedoch der Münsteraner Geologe Harald Hiesinger in seinem Geleitwort erklärt, liegt der Wert der 382 kg Gesteinsbrocken die mittlerweile vom Erdtrabanten heruntergeholt wurden darin, dass sie so etwas wie ein Archiv geologischer Prozesse darstellen, ist das Material doch weder durch plattentektonische Verschiebung noch durch Wind, Wasser oder Vulkanismus jemals überformt worden.
Bevor durch die Faszination des Realen der silberne Himmelsspiegel, einst Göttinnen wie Diana oder Maria geweiht, entzaubert wurde, stürzte er die Welt in eine gehörige Sinnkrise. Durch Galileos Teleskop wurde die magische Scheibe, die sich mysteriös zu verwandeln beliebte, im wörtlichen wie übertragenen Sinn „befleckt“. Sie taugte nicht mehr als Symbol der reinen Jungfrau und hatte „gleichsam eine pockennarbige Haut bekommen“ (S.88). Es dauerte an die zweihundert Jahre, bis der Mond wieder Stimmungsträger von einzigartigen Nachtatmosphären wurde und seinen mythischen Glanz zurück gewann.
Natürlich sind deshalb auch die romantischen Gemälde Caspar David Friedrichs, Carl Gustav Carus’ oder Johann Christian Clausen Dahls zu sehen, jene Andachtsbilder einer innigen Naturfrömmigkeit, die, wenngleich immer noch kryptisch christlich gemeint, doch an die Stelle des Gotteshauses den deutschen Wald setzen.
Es gibt wunderbare Nachtbilder dieser Art zu sehen, etwa Adolph Menzels nächtliche Ansicht eines kleinen Berliner Bootshafens, jenes Spezialisten für alle möglichen Sujets mit individuellem, vorimpressionistischem Pinselstrich. Oder auch die „Piazetta in Venedig bei Mondschein“ von Friedrich Nerly, einem Feinmaler mit Sinn für Nuancenkult, der zu Unrecht ziemlich vergessen scheint. Doch 1842, als dieses Gemälde entstand, war auch schon die Fotografie entdeckt und wurde in immer neuer Experimentierlust auch zur Erforschung des Himmels eingesetzt. Mond und Nacht waren einerseits das Gegenbild zur Verwissenschaftlichung und zugleich ein Gegenstand aufklärerischer Bemühungen, auch das Ferne und Dunkle zu erhellen. Spektakulär sind die frühen Fotos des Mondes, die mit frappierender Genauigkeit den ach so fernen Himmelstrabanten zum Greifen nahe heranholen. Zu den Pionieren dieser Astrofotografie gehörte zum Beispiel der Amerikaner Lewis Morris Rutherfurd, der in seinem Hausgarten, mitten in Manhattan gelegen (!), 1865 eine kleine Sternwarte baute. Diese bestückte er mit einem Teleskop, mit dessen Hilfe ihm 1,5 cm große Bilder gelangen, welche die Kraterlandschaft der Mondoberfläche mit scharfen Graten und Schatten unglaublich präzise wiedergeben.
 Gerade diese Gegenläufigkeiten in den Entwicklungen von naturwissenschaftlicher Faszination am Mond und einer atmosphärisch aufgeladenen Malerei machten den entscheidenden Reiz der Kölner Ausstellung aus.

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