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Ahrenshoop – Nirgendwo ist das Licht schöner

Heute ist der Darß eine der beliebesten Urlaubsregionen an der Ostsee, aber die Künstler waren schon viel früher da als die Touristen. In Ahrenshoop zeigt jetzt ein neues Museum Werke jener Maler, die seit mehr als einhundert Jahren dem kleinen Fischer- und Seefahrerort die Treue halten. Stefan Diebitz, ganz reisender Enthusiast, hat sich auf sein Rad gesetzt und ist vorbeigefahren.

Das Kunstmuseum Ahrenshoop © Foto: voigt&kranz UG Prerow Blick in die ständige Ausstellung © Foto: voigt&kranz UG Prerow Elisabeth von Eicken, Frühling, um 1895 © Kunstmuseum Ahrenshoop Paul Müller-Kaempff; Abendstimmung am Darß, 1898 © Kunstmuseum Ahrenshoop
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Warum sich ausgerechnet in Ahrenshoop eine Künstlerkolonie gebildet hat, versteht man ganz von allein, wenn man sich dem Ort an einem schönen Septembernachmittag auf dem Weg hinter dem Deich nähert: Das Licht ist unfassbar schön, es ist wunderbar klar und lässt alle Gegenstände rund und deutlich hervortreten. Wie hätten Maler in einer Zeit, die der Freilichtkunst frönte, einen solchen Ort übersehen können? Also folgten sie Paul Müller-Kaempff (1861–1941), dem ersten Maler, der sich auf dem Darß niederließ, und dominierten Ahrenshoop dermaßen, dass es sich noch heute ganz über seine Künstlerkolonie definiert: Fast alle Straßen sind nach Malern benannt.

Wenn man, wie der Autor, mit dem Rad auf den Darß reist und von Graal-Müritz aus hinter dem Deich auf die Halbinsel zu- und auf sie hinauffährt, sieht man als erstes Dierhagen, wo die reetgedeckten Häuser in den typischen leuchtenden Farben prunken und auch wunderschön bemalte Türen besitzen. Allerdings sind alle Häuser doch um zwei oder drei Nummern zu groß, als dass sie als traditionell durchgehen könnten; die farbenfrohen Kapitänshäuser, die den Orten ihren besonderen Anstrich geben, wurden zwar von wohlhabenden und erfolgreichen Leuten gebaut und bewohnt, waren aber doch um einiges bescheidener. Die Wahrheit ist, dass sich in den letzten Jahren viele Besserverdiener in der schönen Landschaft niedergelassen haben – manch prachtvolle Villa wird nur ein Wochenendhaus sein – und dass die Tradition an vielen Stellen nichts ist als Fassade.

Ich trug also wirklich Bedenken, dass auch das Museum nicht viel mehr sein könnte als eine schlaue Vermarktungsidee, sollte mich aber schnell eines Besseren belehren lassen. Weder spiegelt es Tradition vor, denn mit seiner fast golden leuchtenden, kupfernen Verschalung hat es nichts zu tun mit dem farbenfrohen Rest des Ortes, noch ist das Engagement für die Kunst aufgesetzt. Tatsächlich geht das gar nicht so kleine Museum auf eine bürgerschaftliche Initiative zurück und lebt vorwiegend von der Begeisterung einer Menge oft sehr sachverständiger Stifter. 2005 begannen die Planungen mit der Gründung des Vereins, und 2008 kam die Stiftung dazu. Wie breit die Unterstützung ist, kann man daran erkennen, dass sämtliche Aufsichtspersonen ehrenamtlich arbeiten!

Natürlich war der Museumsbau zunächst (und ist es vielleicht noch) umstritten: eine metallene Außenhaut muss einfach eine Provokation sein. Die spezielle Kupferlegierung, auf die das Architektenbüro Staab zurückgriff, soll nicht Patina ansetzen und grün werden, sondern nur nachdunkeln, so dass der Bau mit der Zeit etwas weniger aus dem dörflichen Rahmen fallen wird. Aber auch wem die Außenhaut nicht gefällt, wird doch kaum bezweifeln können, dass das Innere des Museums außerordentlich gelungen ist.

Es sind sehr klare Strukturen und wunderbare Lichtverhältnisse, in denen 140 Werke von 90 Künstlern im Foyer und den vier großen, vom Eingangsbereich abzweigenden Sälen präsentiert werden. Schon die schlichtweißen Wände und das Eschenholz der Türen sorgen für eine vornehme Atmosphäre, aber besonders überzeugend ist die Beleuchtung, denn die sehr hohen Säle erhalten ihr gleichmäßiges, diffuses und ruhiges Licht von oben, wo eingesetztes Prismenglas den Lichteinfall ein wenig steuern kann. Man sieht die Bilder also immer im Tageslicht.

Es sind vier, grob zeitlich geordnete Säle, in denen Werke von Künstlern vorgestellt werden, die sich dem Darß über Jahre hinweg verbunden fühlten. Natürlich allen voran der ausgangs des 19. Jahrhunderts höchst erfolgreiche Landschaftsmaler Paul Müller-Kaempff, der sich als erster in Ahrenshoop niederließ und dort nicht nur malte, sondern auch andere Aktivitäten entfaltete, zu denen die Gründung einer Kunstschule und des bis heute existenten, in einem leuchtenden Blau gestrichenen »Kunstkaten« zählt.

Im deutlich niedrigeren Foyer empfängt den Besucher sein sehr großes Landschaftsbild von 1898, »Abendstimmung am Darß«, das mit seinen strahlenden weißen Wolken am Horizont und den windgebeugten Kiefern am Strand eine für den Darß typische Szene in eindrucksvoller Weise wiedergibt. Sehr schön und dazu gigantisch groß ist auch sein »Alter Schiffsfriedhof« aus demselben Jahr im ersten Saal, ein Bild aus dem Bestand der Kieler Kunsthalle, das eine melancholische Landschaft unter einem verwaschenen Himmel zeigt. Ist es Ginster, der gelb blüht? Nackter Sand liegt zwischen den Pflanzen, und ein schiefer Zaun stakst um den kleinen Friedhof mit seinen bescheidenen Kreuzen herum; von links nähert sich eine Witwe mit einem Trauerkranz in der Hand.

Natürlich hat das Museum zunächst und vor allem viele schöne Landschaftsbilder in seinem Besitz. Elisabeth von Eickens (1862–1940) »Herbstlicher Wald« von 1895 sollte noch genannt werden, auch Alfred Partikels (1888–1945) »Winter auf dem Fischland« (1923) oder »Kalter Wintermond« von Louise Dozette (1834–1924). Das letzte Bild, 1890 gemalt, kann man sich nicht anschauen, ohne an Caspar David Friedrich zu denken. Es zeigt den Mond hinter nächtlichen, schneebedeckten Katen. Überhaupt gibt es noch andere schöne Winterbilder wie zum Beispiel Hans Oberländers (1895–1944) »Dorfstraße Ahrenshoop (Das Schulhaus)« - letzteres kann man sich noch heute anschauen.

Aber trotz der Landschaften: das Museum kennt auch andere Bilder und zeigt fast das ganze Spektrum der Kunst seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis hinein in die Jahre der DDR, also auch Porträts oder abstrakte Arbeiten. Vorgestellt werden auch einige Plastiken, oder es finden sich neun Werke (vier Zeichnungen und fünf Holzschnitte) von Lyonel Feininger, Arbeiten von Bernhard Heisig oder, worauf besonders hingewiesen werden muss, von Ulrich Knispel (»Am Meer«, 1950).

Knispel (1925–2011), zuvor trotz seiner Jugend Lehrer an der Kunsthochschule Halle, hatte das Pech, dass ein leicht (oder auch weniger leicht) beschränkter Kulturredakteur des Neuen Deutschland, Wilhelm Girnus, seine Bilder zu sehen bekam und daraufhin einen Hetzartikel schrieb, mit dem er die Formalismusdebatte eröffnete, die sich schon bald auch auf andere Künste erstreckte. Für Knispel galt: Ein sozialistischer Künstler hatte gefälligst keine faulen Fische oder anderes Strandgut zu malen! Irgendwie schien das dem Redakteur nicht proletarisch. Der alberne Vorwurf des Formalismus war für die Karriere des Künstlers tödlich, und Knispel verlor seine Stellung und ging weg, nämlich in den Westen; seinen schönen Posten in Halle aber erhielt sein Schüler Willi Sitte.

Wahrscheinlich steht das Museum schlicht und einfach an der richtigen Stelle, womit ich nicht den Eingang nach Ahrenshoop meine, sondern die Gegend, in der es nicht allzu viel Kunst gibt, zumal Rostock und Stralsund keine besonders aufregenden Häuser bieten können. So musste dieses Museum unter der Leitung von Kathrin Arrieta ein großer Erfolg werden: 80000 Besucher im ersten Monat sind kein schlechter Anfang! Als ich es besuchte, war es ebenfalls gut gefüllt – und das trotz des sehr schönen Wetters.

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