Ausstellungsbesprechungen

Albrecht Dürer, Meisterstiche

Nördlich der Alpen ist Albrecht Dürer einer der würdigsten Antipoden der italienischen Renaissancemeister. Antipode deshalb, weil er in vollem Bewusstsein von der Zeitenwende, die von Süden ausstrahlte, das Mittelalter in einem letzten Glanz noch einmal aufblühen ließ und zugleich über die Renaissance hinweg die Moderne in einer Art vorromantischer Deutungstiefe evozierte.

Dürer huldigte dem Bild des Menschen in einer bislang nur in Italien gekannten Weise und gab ihm sozusagen die Tragik des zweifelnden Künstlertyps an die Seite – vollendet im Kupferstich »Melencolia I« von 1514.

 

Dieses und über fünfzig weitere berühmte Grafiken Dürers versammelt die Ausstellung im Kunsthaus Zürich: Die im Jahr 2000 ins Haus gekommene Schindler-Sammlung hat es nun ermöglicht, Dürer pur zu zeigen. In die Auswahl kamen freilich auch – neben der »Melencolia« – die Paradestücke wie »Die apokalyptischen Reiter«, »Adam und Eva« oder das im Katalog zu Recht als Vorbotin von Ingres Odalisken gepriesene Aktbild »Meerwunder«.

 

Die Züricher Schau versteht es, mit dem bloßen Renaissance-Künstler nach Panofsky’scher Prägung aufzuräumen und den modernen Macher herauszustellen, der in einer komplexen Welt lebt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Akt, der bis dahin religiös oder mythologisch erhöht werden musste, um gefallen zu dürfen. Dürer gestaltet ihn um der Kunst willen: eine Revolution. Dass er dabei ganz ohne Pathos auskommt, ist ein weiteres Indiz für die innovative Kraft dieser Stiche und Holzschnitte, deren alt vertraute Techniken er in ungeahnter Perfektion sowohl im Hinblick auf die Detailschärfe wie die Beherrschung von Perspektive und Proportion zum seinerzeit modernsten Informationsmedium machte. Fortan galten die Arbeiten Dürers als Lehrstücke in der Zunft, sein Monogramm wurde eines der frühesten Markenzeichen überhaupt – was freilich später zu einiger Verklärung wie auch zum Missbrauch führen sollte.

 

Zur Ausstellung ist ein bestechender Katalog mit Beiträgen des Konservators Bernhard von Waldkirch und Magdalena Schindler erschienen, ergänzt um einen Essay des Schriftstellers Wilhelm Genazino. Bestechend ist er nicht nur wegen der erlauchten Schreiberriege, sondern auch durch die ins Auge dringende Brillanz der Abbildungen. Nebenbei sei noch erwähnt, dass zur Zeit auch im schwäbischen Backnang eine Ausstellung zur Dürer-Grafik gezeigt wird, die aus der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart und der Ernst-Riecker- sowie der Dr. Otto-Schäfer-Stiftung stammt. Jahrzehnte lagen die Schätze hier und da unter Verschluss – es wurde höchste Zeit, Dürer einmal mehr ins Gespräch zu bringen.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten:

Di-Do 10-21 Uhr

Fr-So 10-17 Uhr

 

Eintrittspreise:

Erwachsene: 10 CHF / 6 CHF erm.

Gruppen ab 20 Personen: 6 CHF

Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre freier Eintritt

 

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