Buchrezensionen, Rezensionen

Alfred Meurer: Der Berliner Maler Albert Maennchen. Das dekorative Werk, VDG, Weimar 2006

Die Kunstgeschichte der Moderne beginnt für die meisten mit der Gründung des Bauhauses in Weimar am 1. April 1919. Was aber die Jahre zuvor die Kunst stilistisch prägte und ab diesem Zeitpunkt an Einfluss verlor, kommt in den aktuellen Diskussionen über das 20. Jahrhundert immer zu kurz. Die lange Zeit als eklektisch charakterisierten Gestaltungen von Innenräumen, die um 1900 und später entstanden, sind ganz und gar vergessen worden und mit ihnen großartige Künstlerpersönlichkeiten und Vordenker der Moderne. Zu unrecht. Viele wunderbare Gemälde, Studien und Kartons des Jugendstils lagern als Familienschatz im Verborgenen, von der Kunstgeschichte vollständig unberücksichtigt, und warten auf eine Entdeckung.

Einen solchen Schatz des weitgehend in Vergessenheit geratenen Berliner Künstlers Albert Maennchen entdeckte der Kunsthistoriker Alfred Meurer im Winter 1993, als er von Ernst-Otto Rath dazu gebeten wurde, einen Künstlernachlass anzusehen. In einem Privathaus und einer kleinen Scheune der Gemeinde Kamp-Bornhofen am Rhein war nahezu die gesamte Hinterlassenschaft des Künstlers Albert Maennchen und der Familie verwahrt, die gleichsam in einem Dornröschenschlaf schlummernd auf ihre Entdeckung wartete. Die an ihrem Aufbewahrungsort viele Jahre lagernden Malereien, Studien, Vorzeichnungen sowie Briefe und Bücher standen so dicht gedrängt, dass erst bei einer retrospektiven Ausstellung, die 1995 in der Aula einer Schule der Gemeinde von Alfred Meurer organisiert wurde, die gesamte Vielfalt gesichtet werden konnte. Meurer betont, dass erst bei dieser Schau die ganze Kraft dieser Arbeiten, die teilweise monumentale Ausdehnungen haben, zur Anschauung kam. Der eigentliche Schatz ist aber der schriftliche Nachlass der Familie Maennchen. Der Briefwechsel zwischen den Brüdern Albert und Adolf Maennchen, der über 1000 Briefe umfasst, ist nahezu vollständig erhalten und ein ganz seltenes Zeugnis künstlerischen Lebens und Praxis aus dieser Zeit. Alfred Meurer setzte in jahrelanger Arbeit seinen ehrgeizigen Plan um und arbeitete den gesamten künstlerischen und schriftlichen Nachlass auf, der als Publikation des Weimarer Verlags VDG jetzt der Öffentlichkeit vorliegt.

Der Maler Albert Maennchen spezialisierte sich vor allem auf dekorative Arbeiten und malerische Gestaltungen von Gebäuden und war über Jahre hinweg ein erfolgreicher Künstler und Dekorationsmaler in Berlin, Danzig, Dresden und Königsberg. Eine seiner zentralen Arbeiten ist ein allegorisches Bildprogramm für den Pavillon der A.E.G. auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900, das Maennchen zahlreiche Folgeaufträge in ganz Europa einbrachte. Allerdings sind Maennchens dekorative Malereien, die natürlich untrennbar mit der Substanz von Gebäuden verbunden sind, auch dem Zerfall und vor allem der Zerstörung der Gebäude durch Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg Preis gegeben. Das ist auch der Grund, warum sie nur in Ausnahmefällen bis heute erhalten geblieben sind. Selbst so spektakuläre Malereien, wie die für den Festsaal des Schlosses Groß Glienicke oder im Berliner Konzerthaus „Clou“ sind mit der Zerstörung der Gebäude untergegangen und ihr Maler daher vergessen worden. Mit der Gründung des Bauhauses und dem neuen puristischen Stil, entschwand auch das Interesse an monumentalen Dekorationen. Der letzte Großauftrag, die Malereien für den Plenarsitzungssaal des Berliner Kammergerichts zu entwerfen, die im Jahre 1918 fertig gestellt wurden, ist geradezu bezeichnend nicht nur für das Ende einer politischen, sondern auch einer stilistischen Epoche. Das Werk Albert Maennchens steht gleichsam als ein Scharnier zwischen der gegenständlichen und allegorischen Kunst der Wilhelminischen Zeit und der Abstraktion der Moderne.

Alfred Meurer versteht es in seinen Ausführungen, das gesamte Werk Albert Maennchens ausführlich und methodisch lupenrein zu beschreiben und auch dessen Stellung in der Gesellschaft und der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts als Beispiel für viele andere Künstler seiner Zeit darzustellen. Dabei hat Meurer immer im Blick, die Heterogenität der Stile und die lebensweltlichen Einflüsse der Zeit im Werk Albert Maennchens zu entdecken und wissenschaftlich aufzuarbeiten. Es wäre darüber hinaus wünschenswert, wenn dieser einzigartige Fundus an Werken und Dokumenten in Ausstellungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und das Oeuvre Albert Maennchens neu ins Bewusstsein gerückt würde. Der große Fundus an Werken und die Geschlossenheit des Nachlasses ist ein großer Schatz, der die Kunstgeschichte dieser Zeit bereichert.
 

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