Interviews

»Alle wollen zu Pechstein«

Mit der Losung »Wände her für Max Pechstein« forderte der Kunstkritiker Max Raphael schon 1913 mehr Raum für den expressionistischen Künstler. Fast 100 Jahre später haben die Kunstsammlungen Zwickau den Ruf erhört und dem Sohn der Stadt Mitte April sechzehn Wände für ein eigenes »Museum« überlassen. Rowena Fuß sprach mit der Leiterin der Kunstsammlungen Petra Lewey im Interview über das Projekt.

Rowena Fuß: In einem Brief an den ersten Direktor der Kunstsammlungen Zwickau, Hildebrand Gurlitt, drückte Pechstein einst aus, was für eine Schmach es sei, dass erst ein Nicht-Zwickauer kommen musste, um den Maler in seiner Geburtsstadt bekannt zu machen. Das war 1925. Im April haben Sie das Pechstein-Museum eröffnet. Wie sieht die Resonanz bis jetzt aus – lokal und landesweit gesehen?

Petra Lewey: Die Resonanz ist super. Wir sind selbst ganz überrascht. Schon zur Eröffnung waren sehr viele Menschen gekommen, vor allem natürlich Zwickauer. Auch das Medieninteresse war groß – wir waren sogar für 30 Sekunden in der Tagesschau. Seitdem reißt der Besucherstrom nicht ab. Besonders am Wochenende wird es in den Sälen zuweilen richtig eng. Alle wollen zu Pechstein.

Wenn man den ersten Saal betritt, sieht man sich gleich einem monumentalen Entwurfskarton für ein Wandgemälde gegenüber. Was hat es damit auf sich?

Viele Menschen wissen nicht, dass Pechstein eigentlich aus dem Kunstgewerbe kam. Nach einer Lehre als Dekorationsmaler, studierte er 1900 bis 1903 Raumkunst an der Kunstgewerbeschule in Dresden. Er hat das auch zeitlebens weiterverfolgt und war auf diesem Gebiet schon vor dem Ersten Weltkrieg ein gefragter Künstler. Der Ausspruch »Wände her für Max Pechstein« des Kunstkritikers Raphael, den wir quasi im doppelten Sinne verwendet haben, bezieht sich ja auf seine Wandgestaltungen.

Wer hatte eigentlich die Idee für das Museum?

Genaugenommen war es ein Prozess. Wir haben seit Jahren einen sehr guten Kontakt zur Familie des Künstlers und haben auch schon immer Sonderausstellungen zu Pechsteins Werk gemacht. Dadurch reift das Ganze natürlich. 2007 haben wir dann gesagt, wir müssen Pechstein hier stärker verankern. Eine günstige Gelegenheit bot sich, als die stadtgeschichtliche Sammlung in die »Priesterhäuser« zog und Platz frei wurde.

Wie ging es weiter?

Das Wichtigste war, Objekte zu haben, die man dauerhaft präsentieren kann. Nur mit Grafik oder Briefen geht es nicht. Bis zur Wende hatte Zwickau nur zwei Pechstein-Gemälde. Das aktuell ausgestellte »Stillleben mit Fruchtschale« gehört sogar noch zu den Ankäufen, die Gurlitt getätigt hat. Ein Bildnis von Pechsteins Frau Lotte ist 1937 bei der Aktion »Entartete Kunst« beschlagnahmt worden und bisher nicht wieder aufgetaucht. In den 70ern kam noch ein Stillleben aus einer Privatsammlung dazu. Das war der ganze Pechstein-Bestand an Gemälden. Man muss auch bedenken, dass wir erst nach der Wende Zugang zum internationalen Kunstmarkt hatten. Über Fördermittel der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, verschiedener Kunststiftungen und Sponsoren waren wir dann in der Lage, Werke wie »Das Kanu« zu erwerben. Zudem kamen auch einige Leihgaben aus Privatsammlungen.

Wieviel städtische Initiative steckt in dem Projekt?

Die baulichen Maßnahmen wurden über Fördermittel des Freistaates Sachsen, von der Stadt Zwickau und dem Kulturraum Vogtland-Zwickau finanziert. Unsere Oberbürgermeisterin war sehr stolz, das Museum Mitte April eröffnen zu können.

Ausgestellt sind aktuell rund 50 Werke aus allen Schaffensperioden, einschließlich kunsthandwerklicher Arbeiten wie Mosaike und Entwurfskartons für Wandgemälde. Ist das der gesamte Bestand oder lagert noch etwas im Depot?

Wir haben noch etwa 150 Papierarbeiten, also Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken, die nicht ständig ausgestellt werden. Außerdem, und das freut uns ganz besonders, bekamen wir von der Familie nach und nach persönliche Dokumente wie Urkunden und Briefe geschenkt. Im letzten Jahr konnten wir weiterhin Briefe Pechsteins an seinen Künstlerfreund Alexander Gerbig erwerben. Zu dieser Freundschaft planen wir im Sommer eine Sonderausstellung.

Werden diese Dokumente später Teil der Dauerausstellung?

Nein, das ist aus konservatorischen Gründen nicht möglich. Aber es wird regelmäßig Sonderausstellungen zu Pechsteins Werk geben. Wo Pechstein zu integrieren geht, machen wir das. Wir bekommen auch zunehmend Leihanfragen. Die Lücke, die dadurch bei uns entsteht, schließen wir dann in der Zwischenzeit beispielsweise mit einer Zeichnung oder einem Holzschnitt.

Apropos Austausch: Seit ein paar Jahren nimmt die Kunstvermittlung in den Museen einen immer höheren Stellenwert ein. Welche museumspädagogischen Angebote gibt es zu Pechstein?

Wir bieten beispielsweise Programme und Aktionen für Familien und Schulen im Stadtgebiet und im Landkreis an. Es gibt einige, die dieses Angebot regelmäßig nutzen. Unsere Museumspädagogin geht dann z.B. mit den Kindern und Pechstein auf Reisen. Dieser war unter anderem an der Ostsee, in Italien und in der Südsee. Es sind vielfältige Programme buchbar, aber nicht nur im Pechstein-Museum, auch in der Gemäldeabteilung oder der gotischen und barocken Skulpturensammlung »Im Himmel zu Hause«.

Was ist für Sie das Besondere an Pechstein?

Pechstein lädt den Betrachter dazu ein, ihn immer wieder neu zu entdecken. Das gilt besonders für die späten Arbeiten, die bisher wenig beachtet wurden. Jede Generation reflektiert Vergangenes anders. Ein für den Max-Pechstein-Förderpreis nominierter Künstler ging letztes Jahr durch die Sammlung und meinte bei einem Selbstporträt des Künstlers ›Mensch, das ist ja Pop Art‹.

Weil wir gerade von Entdeckungen sprechen: Der Großteil der Bilder trägt den Vermerk »Privatsammlung«. Wie viele von den gezeigten Werken waren schon einmal öffentlich ausgestellt?

Das kann ich aus dem Stand nicht beantworten. Ich denke, die Familienbilder eher nicht und auch eher selten die späteren Palau-Bilder. Letztere sind etwas Besonderes. Als Pechstein von Pommern, wohin er sich während des Zweiten Weltkriegs zurückgezogen hatte, nach Berlin zurückkam, war sein Atelier ausgebombt und alles zerstört. Er schöpfte dann neuen Lebensmut aus seiner Erinnerung an die Südseereise auf die Palau-Inseln 1914 und packte seine ganze Sehnsucht in die Bilder, die Sie hier sehen.

Bisher besteht das Museum aus vier Sälen im König-Albert-Bau. Gibt es Überlegungen, dies zu ändern? Immerhin besitzen die Brücke-Künstler Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde jeweils eigene Museumsbauten in Davos und Niebüll.

Das ist noch alles Zukunftsmusik. Wir sind momentan sehr froh, dass die vier Säle möglich waren. Man muss auch nachhaltig denken. Mit Geld für einen Neubau ist es ja nicht getan. So ein Haus muss auch betrieben werden und leben. Es braucht Menschen, die es am Leben erhalten. Ich denke, man muss einfach realistisch sein und überlegen, was möglich und sinnvoll ist.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

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