Ausstellungsbesprechungen

Anders Petersen – city diary, Kunstsammlung im Stadtmuseum Jena, bis 20. November 2011

Auf 100 Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentiert Anders Petersen einfühlsame Eindrücke von Menschen, Tieren und Orten. Selbst für den Betrachter ist dabei noch die innige Bindung, die zwischen Fotograf und Objekt besteht, spürbar. Rowena Fuß hat sich für Sie umgesehen.

Fast jeder hat sich schon einmal in einem Tagebuch verewigt, seine privatesten Gedanken und Gefühle zu Papier gebracht. Diese Sphäre vertrauter Intimität begegnet dem Betrachter auch in den Fotografien von Anders Petersen. Mal besteht diese in einem stillen Dialog durch den Blick in ein Goldfischbecken oder Traurigkeit in einer Aufnahme von einem verschneiten, kahlen Baum an einer Mauer oder dem unheimlichen Blick in den Schlitz eines Glascontainers in Nahaufnahme. Gemeinsam ist allen, dass sie etwas Besonderes an sich haben. So auch das Bild eines einsamen Hundes, der an einen VW-Bus angeleint wurde und Mitleid erregend den Betrachter ansieht bzw. in einem zweiten Foto, das einen Kampfhund zeigt, der an der Lehne eines Gartenstuhls nagt. Ein Anblick, der den Betrachter zwischen Furcht und Interesse changieren lässt.

Ein poetisch angehauchtes Bild findet sich gegenüber in Form eines kleinen Mädchens auf einem Treppenabsatz. Oft zeigt Petersen Menschen, die an ihren Leidenschaften zerbrechen, wie ein Mann mit bandagierter Schulter, der raucht. Häufig sind zudem charakteristische Details, beispielsweise der viel zu große Mantel bei einem untersetzten Mann, der ihn geradezu kindlich erscheinen lässt. In Petersens Welt ist nichts gestellt, alles ist authentisch und wahrscheinlich liegt darin auch die Besonderheit. Ohne dass man jedes Bild exakt verorten könnte, entstanden die in Jena gezeigten Aufnahmen zwischen 2004 und 2010 in Paris, Venedig, Rom, Saint-Étienne oder in der französischen Hafenstadt Sète. Ihren einzigartigen Charme erhielten sie dadurch, dass Petersen eine Weile in das „Milieu“ eintauchte und sich mit ihm verband.

Unglaubliche Zärtlichkeit und geronnene Liebe strahlt z.B. ein Vater, der mit seinem Baby schmust, umarmt von der Mutter, aus. Unbeschwertheit findet sich hingegen in einer Fotografie, die zwei Männer auf einem Bett zeigt, einer ganz auf die spielerische Balgerei mit seinem Schäferhund konzentriert. Spannung findet sich hingegen im intensiven Blick zwischen zwei Orientalen, die an Gefängnisinsassen erinnern.

Den harten Blick auf die Realität und das tiefgehende, vorurteilsfreie Verständnis des Fotografen für unterschiedlichste Biografien unterstreicht seine Art zu fotografieren und seine Bilder zu entwickeln. Petersen arbeitet nostalgisch: Er entwickelt seine Bilder nach wie vor in der Dunkelkammer. Die in Jena gezeigten Arbeiten wurden erst entwickelt, dann von Hand abgezogen, anschließend von Petersen eingescannt und von einem Tintenstrahldrucker ausgedruckt. Durch diese Arbeitsweise erhalten die Fotografien extrem harte Schwarzbereiche im Gegensatz zum üblichen samtig- schwarzen Schimmer. Bei näherem Herantreten sind sie auch relativ grobkörnig, verglichen mit digitalen Fotografien.

Ohne Vorurteile und Hemmungen beleuchtet Petersen so das Herz einer jeden Stadt, was neben deren Gebäuden, Straßen, Läden und Veranstaltungshighlights nur zu oft übersehen wird. Gemeint sind die Lebewesen, die jeden Tag durch ihre Adern strömen. Was sie erleben und fühlen, können Sie sich nun bewusst in Jena anschauen!

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