Buchrezensionen

Andreas Pecar/Holger Zaunstöck (Hg.): Politische Gartenkunst? Landschaftsgestaltung und Herrschaftsrepräsentation des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau in vergleichender Perspektive – Wörlitz, Sanssouci und Schwetzingen, Mitteldeutscher Verlag 2015

Gärten sind schön! Darauf können sich wohl die meisten Menschen einigen. Aber dass sie auch eine Bedeutung haben, ihren Besitzer repräsentieren, dass herrschaftliche Parks gar politische Aussagen transportierten, daran denkt man viel zu selten. Der Tagungsband wirft aber genau auf diesen Aspekt der Gartenkunst ein Schlaglicht. Spunk Seipel hat ihn gelesen.

Wie politisch ist die Gartenkunst? Eine Frage, die viel zu selten in der Forschung gestellt wird, vor allem in Hinblick auf die Gestaltung Englischer Landschaftsgärten. Sind sie nicht idyllische Rückzugsorte für den Adel? Die Englischen Gärten gelten, vor allem im deutschsprachigen Raum, als Ausdruck eines aufgeklärten Gesellschaftsideals und als Abkehr vom Absolutismus, der seine Form in den strengen französischen Gärten gefunden hat. Eines der herausragendsten Beispiele ist der Wörlitzer Garten, den Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau im Laufe mehrerer Jahrzehnte geschaffen hatte. Um das idealisierte und entpolitisierte Bild von Fürst Franz und seinem Gartenreich zu hinterfragen, fand im September 2013 eine Tagung der Dessau- Wörlitz- Kommission statt. Der nun vorliegende Band versammelt die Beiträge als Aufsätze und wird durch einen Beitrag von Paul Beckus ergänzt.

Fürst Franz (1740–1817) musste im Laufe seiner langen Regentschaft seit 1758 unter den unterschiedlichsten politischen Konstellationen um den Erhalt seines kleinen und damit stets gefährdeten Fürstentums kämpfen. Dass die Anlage in Wörlitz nicht nur ein privater Rückzugsort war, sondern auch gezielt für verschiedene Adressaten zur Imagepolitik genutzt wurde, belegt dieser Band. Dabei gehen die Forscher mit den unterschiedlichsten Ansätzen das Thema an, so dass ein neuer Blick auf den Fürsten und das Gartenreich gelingt.

Besonders erhellend ist der Beitrag von Ingo Pfeifer, der die unterschiedlichen Aspekte der dynastischen Repräsentation im Garten und ihre zugrundeliegende Absicht aufzeigt. Die Repräsentation einer alten Familientradition sowie die Hervorhebung einzelner Personen der Familiengeschichte, die auf die gesamteuropäische Bedeutung der Askanier verweist, diente dem Machterhalt und der Selbstvergewisserung der eigenen Bedeutung. Hier wird deutlich, dass die Möglichkeit des öffentlichen Zugangs zu Garten und Gebäuden (bei Abwesenheit des Fürsten) nicht nur Ausdruck eines aufgeklärten Bildungsbewusstseins war, sondern konkrete Politik war.

Michael Niedermeier untersucht die Folgen der Mätressenwirtschaft von Fürst Franz auf die Gestaltung des Gartens. Nur wenige Wissenschaftler kennen sich so gut im damaligen Personenkreis von Dessau und darüber hinaus aus wie Niedermeier. Dies führt zu interessanten Einblicken in die damalige Personalpolitik, die zuweilen an Klatschgeschichten erinnern, manchmal aber auch Einfluss auf die große Politik hatten. Den Leser kann allerdings das zu reiche Detailwissen verwirren. Erläuternde Stammbäume oder zumindest einige grundlegende Daten zu den aufgeführten Personen wären hier hilfreich, um die Forschungsergebnisse weiter zu nutzen.

Niedermeier beweist in seinem Aufsatz aufschlussreich, wie durch die Präsentation von Gemälden berühmter Herrscher und ihrer Mätressen (hier Heinrich IV. von Frankreich und Gabrielle d'Estrées) das eigene Handeln von einem Fürsten gerechtfertigt und überhöht wird. »(…) Fürst Franz (nutzte) Partien seiner Gartenanlagen in Wörlitz und auf dem Sieglitzer Berg, um nicht zuletzt den Prinzen von Preußen, der dafür sehr empfänglich war, mit erotisch-mystischen Initiationen, antiquarisch-sexuellen Wunschwelten oder altständisch-dynastischen Bildprogrammen zu beeindrucken- und zu beeinflussen.« (Niedermeier, S.54)

Einen entscheidenden Beitrag zur Hinterfragung des bisherigen Bildes der Wörlitzer Anlagen als Ort der Aufklärung macht der Mitherausgeber Andreas Pecar, indem er die politische Identität des Country Houses in England erläutert und das Problem der Übertragbarkeit auf das Wörlitzer Schloss überprüft. Schnell wird deutlich, dass die äußere Erscheinungsform nicht mit der Gesinnung des Fürsten Franz gleichzusetzen ist.

Prägend im Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Bild des aufgeklärten Fürsten Franz ist der berühmte „Toleranzblick“ im Garten, der durch Sichtachsen auf die von Fürst Franz finanzierte Synagoge, die reformierte Kirche und den Pantheon die Gleichwertigkeit der Religionen versinnbildlichen soll. Für die Existenz dieses erst in den 1980er Jahren hergestellten Blickes zu Zeiten von Fürst Franz gibt es keinen Beleg. Zudem zeigt die Forschung von Jan Brademann, dass der Bau der Synagoge eher eine ästhetische Funktion für den Fürsten erfüllte, als dass der Bau wirklich den Bedürfnissen der jüdischen Gemeinde entsprochen hätte. In seinem ausführlichen Bericht, der durch den Aufsatz von Paulus Beckus ergänzt wird, wird die Religionspolitik in Dessau hinterfragt und in Verhältnis zu Nachbarstaaten gesetzt. Nicht nur in Hinblick auf die Juden wird das aufgeklärte Image des Fürsten in der Religionsfrage relativiert.

Durch die Aufsätze entsteht ein ambivalentes Bild von Fürst Franz, der gerne als aufgeklärter Gegenpol zu Friedrich II von Preußen dargestellt wird. Dass Franz nicht unbedingt dieser aufgeklärte Fürst war, zeigt die politische Dimension seiner Gartenkunst. Da die Aufsätze für eine Fachtagung geschrieben wurden, wird ein Grundwissen beim Leser über die Dessauer Kulturlandschaft und speziell dem Wörlitzer Garten vorausgesetzt. Dem Leser, der sich prinzipiell für die politische Dimension der Landschaftsgestaltung jener Epoche interessiert, sei deshalb geraten, einen grundlegenden Katalog wie „Weltbild Wörlitz“ zur Lektüre hinzuzulegen, da die Autoren zu oft von einer genauen Kenntnis der Anlage und der Gebäude vor Ort ausgehen und auf Beschreibungen der Gartenanlage oder Gebäude weitestgehend verzichten.

Es ist ein Buch, dass Anregungen zur Neubetrachtung der englischen Gartenkunst im gesamten deutschsprachigen Raum gibt und vor allem den Wörlitzer Garten als privaten Rückzugsort neu bewertet.

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