Ausstellungsbesprechungen

Arne Jacobsen, Absolut modern

Ein von ihm entworfenes Essbesteck schaffte es bis in die Teller von Stanley Kubricks Kultfilm »2001 - Odyssee im Weltraum« (1968), seine Stühle - die so nette Namen wie »Ameise«, »Ei« oder »Schwan« tragen - eroberten zwar nicht den Weltraum, wohl aber die Clubräume und Wohnzimmer ganzer Generationen:

Die Rede ist von dem dänischen Allroundgenie Arne Jacobsen (1902-1971), dessen »absolut modernes« Konzept des Gesamtkunstwerks in den Hamburger Deichtorhallen präsentiert wird. Gläser, Möbel, Stoffe, Tapeten und Türöffner tragen seine Handschrift. Dass er als Architekt Fabriken, Gärten, Hotels, Kindergärten, Sportanlagen, Theaterbauten und Wohnhäuser entwarf, ist zwar kein Geheimnis, doch geht Jacobsens Name nicht jedermann gleich über die Lippen.

Dies hat mehrere Gründe: Im Gegensatz zu seinen Designobjekten, die sehr früh ein Lifestyle-Gefühl hervorriefen - das Stuhlmodell »Ameise« verkaufte sich über sechs Millionen Mal -, blieb Jacobsens Architektur eher unspektakulär. Zudem galt die dänische Architektur noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts als rückständig und im Zeichen des Internationalismus als zu national bzw. traditionell verhaftet; das Augenmerk richtete sich zunächst auf die Finnen (Saarinen, Aalto) und übersah gerne so eigenständige dänische Leistungen wie die Grundtvigkirche von Jensen in Kopenhagen. Mit Møller und Asplund änderte sich das Image, und auch Jacobsen mischte in der ersten Reihe mit. Doch nur selten zog es die dänischen Architekten mit nachdrücklicher Wirkung über die Grenzen - ruhmvolle Ausnahmen sind freilich Utzon und in jüngerer Zeit Spreckelsen. Auch Arne Jacobsen baute vorwiegend in heimischen Gefilden. Die Hamburger Ausstellung zeigt jedoch auch - in Erweiterung der ersten Präsentation im Louisiana Museum in Humlebaek - die Hamburger Werke, die zusammen mit Otto Weidling entstanden sind: ein bis zu den Türklinken original erhaltenes Verwaltungsgebäude der Hamburgischen Elektrizitätswerke sowie das Gymnasium Christianeum, das im Todesjahr des Architekten vollendet wurde.

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Das Verdienst von Arne Jacobsen liegt sicher in der souveränen Übernahme mitteleuropäischer Ideen bei gleichzeitiger Wahrung der dänischen Identität - was ihm vor allem in der Gegenwart hoch angerechnet wird. So prägten ihn Le Corbusier und Mies van der Rohe nachhaltig - ganz deutlich wird dies etwa im Kopenhagener Bürohaus Jespersen (1955) -, doch blieb er dem Ordnungsbewusstsein mittels Modulelementen und den unaufgeregten Proportionen dänischer Architektur treu. Seinem Freund Gunnar Asplund sind die Rathäuser in Århus (1937-42) und Søllerød (1939-42) verpflichtet, die so offen mit dem demokratischen Anspruch einer solchen Verwaltungseinrichtung umging, dass es zumindest den Einwohnern von Århus fast zu viel war, weshalb Jacobsen der Forderung nach Monumentalität mit einem ursprünglich nicht geplanten Turm entgegenkam; das Rathaus in Rødovre (1954-56) spielte regelrecht mit dem blockhaft-ausladenden Verwaltungstrakt und der Stahl-Glas-Konstruktion des Versammlungssaals (die Linie wäre bis zum wuchtigen Rathaus von Mainz fortzuführen, das trotz deutlicher Anleihen bei Louis Kahn fast eine antimoderne Wende vornimmt - schade, dass diese Linie in Hamburg nicht aufgegriffen wurde).

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Berühmt machten Jacobsen in Dänemark jedoch besonders die frühe Wohnsiedlung Bellavista in Klampenborg (1931-34) und als Hauptwerk des Internationalen Stils das SAS Royal Hotel in Kopenhagen, das der Idee des Gesamtkunstwerks am nächsten kommt. Inzwischen ist nicht mehr viel von der einstigen »Symphonie der Formen« (M. Sheridan) erhalten - für die Ausstellung wurde allerdings der legendäre Raum 606 mit der authentischen Ausstattung nachgebaut.

Hier, in der Verbindung der »beseelten Geometrie« (J. Pallasmaa) und Nüchternheit von Jacobsens Bauten mit der schwerelosen Expressivität seiner Designobjekte, schließt sich der Kreis, von wo aus das Multitalent erkennbar wird. Und um dies noch zu unterstreichen, stellen die Deichtorhallen auch noch eine Reihe von Fotografien des Künstlers aus.

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Die Jacobsen-Retrospektive ist in den »Hamburger Architektur Sommer 2003: Wege der Moderne« (http://www.architektursommer.de) eingebettet. Von den noch laufenden Ausstellungen seien folgende genannt:
»arcHH - Architektur made in Hamburg« (bis 17.8., Freie Akademie der Künste; http://www.arcHHitektur.de);
»Neue Deutsche Architektur« (bis 24.8., Hamburgische Architektenkammer; http://www.neue- deutsche-architktur.de);
»Venezianische Palazzi« (bis 31.8., Kunstraum Falkenstein; www.elke_droescher.de); »Dölling und Galitz Verlag - Architekten reden« (bis 3.9., Salon Blauraum; http://www.blauraum.de);
»Das Vielfältige, das Differenzierte und auch das weniger Vollkommene - Behnisch & Partner« (bis 14.9., BDA Hamburg und Kunstverein Harburger Bahnhof; http://www.bda- hamburg.de);
»Stadtmodell und Ausstellung« (bis 30.9., Bauamt Harburg und Helms-Museum; http://www.helmsmuseum.de)

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