Ausstellungsbesprechungen

Art Amsterdam 2011. Amsterdam RAI, 11.–15. Mai 2011

»Kunst ist die höchste Form von Hoffnung«, mit diesen Worten zitiert der Galerist Milco Onrust aus Amsterdam den Maler Gerhard Richter. Diese Wahrnehmung ist nicht allzu weltbewegend, die Sprache jedoch lässt Rückschlüsse über den Stellenwert deutscher Kunst in den Niederlanden zu. So sind auch die deutschen Positionen auf der diesjährigen »art amsterdam«, der wichtigsten Kunstmesse in den Niederlanden, gut vertreten. Bei Onrust steht neben Derk Thijs, Sophia Schama, Han Schuik und anderen auch den Münchner Jürgen Parthenheimer im Programm. Diese Messe macht nicht zuletzt deutlich, dass das nicht zu allen Zeiten herzliche Verhältnis der Niederländer zum übergroßen Nachbarn einer weltoffenen Neugier Platz gemacht hat – und dass sich deren Kunst wie selbstverständlich in der holländischen Galerienlandschaft einfügt. Günter Baumann berichtet von der Messe in Amsterdam.

Die ganz großen Namen aus Deutschland sind schwach vertreten – Richter etwa fehlt auf den Listen der Galerien. Allerdings schickt van Krimpen aus Amsterdam immerhin Isa Genzken ins Rennen, und bei Kunsthandel Meijer aus Utrecht sind Stephan Balkenhol und Günther Uecker zu sehen, die sich neben den Pop-Ikonen Kienholz, Ramos und Warhol behaupten müssen. Ob Norbert Bisky schon zu den vorderen Rängen gehört, sei dahin gestellt – bei Cokkie Snoel (Amsterdam) ist er zu sehen, gemeinsam mit Niels Broszat. Doch wird der Besucher genügend bekannte Künstler und manche überraschende Entdeckung machen, nicht nur in holländischen Gallerien. Eine Einzelschau mit fantastischen Architekturbildern von Michael Kunze präsentiert die Galerie Fons Welters (Amsterdam). Art Affairs (Amsterdam), wo man bevorzugt Künstlern die Pforten öffnet, die eine 3D-Anmutung mitbringen, konzentrieren sich völlig auf die One-Woman-Präsentation von Katrin Kortmann, die mit spektakulären Ultrachrom-Drucken aufwartet. Unter den Fotografen fallen auch Georg Kuettinger auf, der u.a. mit niederländischen Motiven bei der Galerie Roger Katwijk (Amsterdam) vertreten ist, sowie Martina Sauter oder Elger Esser, die zu den Favoriten bei De Zaal (Delft) gehören. Eine der wichtigsten Positionen aus Deutschland und vielleicht eine der beeindruckendsten figurativen Malerinnen auf der Messe ist Eva Schwab bei der Galerie Helga Hofman (Alphen aan de Rijn), die Bildern aus dem persönlichen Fotoalbum, in Enkaustiktechnik übertragen, ein neues zwiespältiges und allgemeingültiges Leben gibt. Interessante Künstlerbücher zeigt Luiscius (’Hertogenbosch), u.a. von Roman Opalka. In der minimalistischen und konstruktivistischen Tradition stehen die Beiträger von De Rijk Fine & Contemporary Art (Den Haag), darunter fallen die Namen von Klaus Staudt und Andreas Brandt auf.

Eine Top-Besetzung unter den deutschen Zeichnern ist Thomas Müller, der 2010 den Prix de dessin contemporain der Fondation Guerlain (Paris) gewann: Radikal wie kaum ein anderer erschafft er ein abstraktes Charakterspiel der Linie – kein Wunder, dass er in Amsterdam gleich von drei Galerien vertreten wird: Patrick Heide (London), Frühsorge (Berlin) und Michael Sturm (Stuttgart). Letzterer, europa-, ja weltweit agierender, leidenschaftlicher Messegänger, tritt in Amsterdam mit rund 20 Künstlerinnen und Künstlern an: darunter sind starke Arbeiten von Kirstin Arndt, Herbert Egl, Vanessa Henn, Russell Maltz, Dorothea Schulz. Die Galerien aus Deutschland nehmen einen großen Teil der ausländischen Gäste ein. Die artfinder Galerie (Hamburg) zeigt neben Inge Krause u.a. Joachim Grommek, etwa mit einer über Kreuz geführten Hommage an Mondrian; aus derselben Stadt stammt die Galerie Carolyn Heinz, wo es halb signethafte, halb surreale Formen von Astrid Köppe zu sehen gibt. Grandios sind die minimalistisch-expressiven Landschaften von Stefan Lenke bei der Galerie Baer (Dresden), ein poetisches Naturbild vermittelt Matthias Meyer bei Andreas Binder (München). Kranenburg, ein niederrheinischer Ort nahe der niederländischen Grenze, gilt in Deutschland nicht gerade als ein Kunstzentrum, in Amsterdam führt die Galerie Ebbers etliche respektable Namen auf, u.a. Jörg Eberhard, Ulrich Erben, Martin Noel, Hans-Willi Notthoff, Norbert Prangenberg und Jerry Zaniuk. Die wenigen Plastiken auf der Messe sind beispielsweise bei Jarmuschek + Partner zu entdecken, etwa die von Dieter Lutsch. Die Leipziger dürfen auf einer Messe natürlich nicht fehlen – für die Maerzgalerie ist Hans Aichinger im Rennen, der zwar nicht aus der Rinke-Schule kommt, aber in der Nachbarklasse von Heisig studierte. Die beachtenswerte Riege der deutschen Künstler auf der Messe in Amsterdam kann nicht enden ohne eine Erwähnung der wunderbaren Gemälde von Miriam Vlaming, die die Galerie Martin Mertens (Berlin) mitgebracht hat.

Viel wäre freilich auch über die Künstlerinnen und Künstler aus dem Gastgeberland zu sagen, die oftmals zu Unrecht in Deutschland wenig bekannt sind. Abstrakte Positionen bieten Esther Tielemans, Charl van Ark, besonders nachdrücklich muss man den tatsächlich weit über die niederländischen Grenzen hinaus wichtigen Zeichner Jan Schoonhoven nennen. Die figurativ-gegenständliche Malerei ist bestens besetzt mit Sander Cedee, Lara de Moor, Jan Ros, B. C. Epker oder Frank Lenferink. Die neueren Medien inklusive der Fotografie ist hervorragend vertreten durch Astrid Kruse Jensen, Martien Mulder. Zu den guten Plastikern gehört die auch in anderen Gattungen versierte Arjanne van der Spek, von der man hoffentlich auch noch in Deutschland viel sehen wird.

Die weitere internationale Kunst hat Spitzen, die man immerhin andeuten kann. Am nächsten ist Belgien, von wo etwa Koen Delaere oder der berühmte Corneille – zusammen mit einem COBRA-Auftritt – sowie das auch in Deutschland wohlbekannte Multitalent Jan Fabre kommen. Für Portugal macht Manuel Caeiro deutlich, dass dort sehr starke Kunst gemacht wird. Japan brilliert mit Hildenori Mitsue und ganz besonders Satoru Hoshino, Korea mit Sungmyung Chun, die USA mit Ryan Mendoza. Dass Afrika im globalen Kunstkarussell längst angekommen ist, beweisen die hyperrealistischen Bildnisse von Craig Wylie (Zimbabwe) und die gewitzten Bilder von Hamid el Kanbouhi (Marokko). Bei einem solchen multikulturellen Fest mutet vielleicht der Name ausgerechnet einer deutschen Künstlergruppe befremdlich an: die süddeutschen filderbahnfreundemöhringen, was wahrscheinlich für holländische Zungen schwieriger auszusprechen ist, als ihre humorvollen Installationen sich locker in die Herzen der Niederländer einschmeicheln werden.

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