Meldungen zum Kunstgeschehen, Ausstellungsbesprechungen

Art Karlsruhe – Klassische Moderne und Gegenwartskunst, bis 7.3.2010

Die Zufriedenheit stand den Organisatoren ins Gesicht geschrieben: Britta Wirtz, Sprecherin der Geschäftsführung der Karlsruher Messe, Ewald Karl Schrade, Projektleiter, sowie das offenbar ewig junge Urgestein Klaus Staeck als Vertreter der Künstlerzunft leiteten die 7. Karlsruher Kunstmesse ein, während in den Hallen selbst noch die letzten Aufbauarbeiten zugange waren: Das Gastland Südafrika – der lange Weg entschuldigte sein Säumen, mag man mit Schiller sagen – schaffte es regelrecht auf den letzten Drücker in die badische Metropole. Unser Autor Günter Baumann hat die aktuelle Messe in Karlsruhe besucht und resümiert sie hier für PKG.

Stolz konnte Britta Wirtz auf 208 Galerien aus zwölf Ländern verweisen – 36 neue Teilnehmer können verzeichnet werden –, wobei nicht nur mit der Gallery Momo aus Johannesburg ein internationaler Zug zu spüren sei. In Erinnerung an die Absichtserklärungen der vergangenen Jahre hat die Messe den Schritt von der regionalen über die nationale zur europäischen Liga hin vollzogen, wie Schrade bekräftigte. Perfekt sei bereits die 6. Art Karlsruhe gewesen, nun seien noch ein paar qualitative Hürden mehr genommen und der Service ausgebaut worden. In der Tat präsentiert sich diese lichtvollste aller deutschen Messen offener denn je – etwas teurer auch, was durchaus dem außerordentlich hohen Niveau geschuldet ist. Die Messe als »offener Raum«, wie ihn Staeck einmal mehr einforderte, wird für wenige Tage ein Licht auf Karlsruhe werfen. Kein verflixtes siebentes Jahr steht an, sondern die spätestens in diesem Jahr erreichte Augenhöhe mit den Messen in Basel und London.

Schon auf dem ersten Kilometer des Galerienrundgangs bestätigt sich der Erfolg des Konzepts, die Kräfte von Künstlern und Galerien zu bündeln, Oasen durch One-Artist-Shows und Skulpturenplätze zu schaffen. Verglichen mit den Vorjahren bleiben zwar die Plätze mit den Plastiken diesmal etwas blass – mit Ausnahme von Markus F. Strieder (Wohlhüter), dessen Stahlobjekte die Schmiedearbeit eindrucksvoll in den Vordergrund stellt, und mehrfach präsente Jörg Bach (Wohlhüter, Gottschick, Hollenbach), der neben seinen farbig lackierten Cortenstahl-Plastiken neue polierte Edelstahlarbeiten zeigt. Umso stärker präsentieren sich die One-Artist-Shows, die alle aufzuzählen kaum sinnvoll ist. Erfreulich ist das intensivere Augenmerk auf die Zeichnung, sei es in den Aktionslinien von Hildegard Esslinger (Bischoff, Haiss) oder den spektakulär filigranen Tuschearbeiten von Dorothea Schulz (Sturm), die neben diesen kontemplativen Fleißarbeiten in gewitzten »Gehörzeichnungen« einen Gipfelpunkt jener spontansten aller Gattungen erklimmt. Nachhaltigen Eindruck hinterlassen auch die kongenialen Kafka-Adaptationen von Pavel Schmidt (Knecht), dessen Präsentation zugleich auf eine Parallel-Ausstellung im Museum für Literatur »PrinzMaxPalais« verweist. Wie malerisch man im fotografischen und selbst im computerunterstützten Gefilde umgehen kann, zeigen Sabine Wild (Dengler und Dengler) mit ihren städtischen Impressionen, Ralph Ueltzhoeffers (Asperger) Textporträts und – wiederum als grandiose Position – Gerhard Mantz (Witzel), der über UV-Tintendrucker Landschaften von bestechender Eindringlichkeit schafft, die die Größe haben, mit betonten Regelwidrigkeiten darauf hinzuweisen, dass es hier nicht um Malerei, aber auch nicht um bloße Fotoausdrucke geht. Die klassische Fotografie ist mit Elke Reinbold (Blaeser) wunderbar vertreten. Spannende Grenzüberschreitungen vom Malerischen zur Plastik hin bieten die hintergründig leuchtenden Objekte von Franziska Schemel (Mollwo) oder die Reliefbilder von Gerd Kanz (Kränzl), dessen schrundige Oberflächen entfernt archaisierten Stadtplänen ähneln. Herausgepickt seien noch die Scherenschnitt- und Reißbilder von Charlotte McGowan-Griffin (Maurer) und die fast allgegenwärtigen Arbeiten von Ottmar Hörl (Abtart, Maisenbacher), der als wichtigste künstlerische Stimme sowohl dem durchaus häufig vertretenen Humor in der zeitgenössischen Kunst huldigt, als er auch für politisch-kritische Positionen eintritt.

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Doch stehen die vielen Hundert Künstler, die mit Einzelarbeiten vertreten sind, den Ein-Mann/Frau-Schauen in nichts nach. Wiederum sind es Zeichnungen, die leider oft genug auf dem Parcours von knallbunten Gemälden zu Monumentalplastiken auf der Strecke bleiben; beispielhaft seien Jürgen Kottsieper (Kränzl) und Hans Baschang (Knecht) genannt. Dank der Koje der Karlsruher Majolika Manufaktur hat auch die keramische Kunst eine prominente Anlaufstelle, wo besonders die in Farben kreisenden Schalen von Isa Dahl faszinieren. Madeleine Dietz (Nothelfer) macht u.a. mit einem überdimensionalen Stahl-Erde-Environment auf sich aufmerksam und findet einen etwas weniger starken Widerhall in den Tuffstein-Schiefer-Arbeiten von Josef Wolf (Johnssen). Das ist überhaupt das Schöne auf der Entdeckungstour durch die Messehallen: die zufälligen Koinzidenzen verschiedenster Positionen. So tun sich dem Betrachter ganze Welten auf, wenn man etwa von Ulrich Erben (Mueller-Roth) auf Ralph Fleck (Baumgarten) schaut – wenn Letzterer die klassische Vorstellung von Landschaftsmalerei in die naturferne Gegenwart hineinrettet, so brilliert Erben mit Abstraktionen, die mit dem Seitenblick wunderbare Neuschöpfungen von Landschaft darstellen. Dazwischen wird man andernorts die phantastisch anmutenden Naturbilder von Nieves Salzmann (Peerlings) stellen. Auf internationalem Terrain kann man das Landschaftsthema gleich aufgreifen mit Roger Dales (La Voix du Maître) »Karnak«-Serie. Eher konzeptionell arbeitet der in Deutschland lebende Armenier Sam Grigorian (Mollwo), dessen sensiblen Papier-Décollagen eine große Beachtung verdienen. Asiatische Künstler sind in beachtlicher Zahl eingeladen worden, wobei unter den koreanischen Teilnehmern Kim Hyun-Kyung (Misoolsidae) und Her Mi-hei (Aka Space) genannt seien mit fotografischen Arbeiten in Verbindung mit Plexiglas bzw. Tusche. Deutlich europäisch beeinflusst sind die chinesischen Maler Yangbo Zhao (Kiefer) mit seinen provozierenden Karikaturen sowie Xianwei Zhu (Galerie Z) mit postromantischen Landschaftsmotiven.

Das Sonderprogramm hat sich im Vergleich zu den Vorjahren noch verfeinert. Als Dialogforum präsentiert sich das ARTIMA art meeting am 4. und 5. März, wenn es um die Fragen geht, unter welchen Bedingungen Kunst entsteht und wie sie gesellschaftlich verankert ist (jeweils 14-16 Uhr). Der Hans Platschek Preis für Kunst und Schrift wird am 4. März um 17 Uhr an die polnische Künstlerin Monika Grzymala verliehen. Der Juror Axel Hecht begründete es so: »Monika Grzymala kann mit schwebenden Linien auf selbstgeschöpften Papieren einen lyrischen Kosmos entwerfen … Souverän und phantasievoll wie kaum jemand zuvor hat sie die Befreiung der Zeichnung vorangetrieben.« Wichtige Ausstellungen gibt es zur zeitgenössischen südafrikanischen Kunst sowie unter dem Titel »Looping Memories« mit Arbeiten aus einer Schweizer Videokunst-Sammlung.

Die »art KARLSRUHE« zeigt sich selbstbewusster als in den vergangenen Jahren - mit Recht. Wenn 2009 noch ein selbstkritisches Fragezeichen den hohen Anspruch begleitete, darf sie sich nun ein Ausrufezeichen ans Revers heften. Parallel fällt auch ein gewachsenes Selbstbewusstsein bei den Künstlern auf - symptomatisch mögen hierfür ein provozierend großes »ICH« auf einem Spiegel von Ottmar Hörl und ein dezent kleines, aber bildfüllendes »Ich« auf einer Arbeit von Sam Grigorian. So schlecht sind die Zeichen also nicht für die Kunst.

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