Ausstellungsbesprechungen

Attersee – Die Liebe. Das Haus. Der Ring.

Er ist der Erbe der Dadaisten, das er am Neodada vorbei zu geordneten Gewässern führt, ohne seinen antikünstlerischen Witz aufzugeben; er ist auch ein Erbe der (Prä-) Surrealisten Kubin, Dalí, Tanguy und anderen, das er in Nachbarschaft zu Matta und anderen in die Pop Art hinüberrettet. Nicht zuletzt greift Attersee ausdrücklich auf Kandinsky zurück, der gelegentlich in der Komposition aufscheint.

Kurzum: Attersee (d.i. Christian Ludwig, geb. 1940) vereinnahmt genussvoll Stile und macht sie zu seinem ureigenen Anliegen. Der Hang zur Inszenierung des Todes, wie ihn die österreichischen Kollegen pflegen, ist Attersee genauso fremd wie – naturgemäß – die Nabelschau der Deutschen: Baselitz, Lüpertz & Co. Bezeichnend ist ein Vergleich des sinnenfrohen Österreich-Triptychon »Bundeshymne« mit Immendorffs Bilder vom »Café Deutschland« Nirgends kommt er unter, überall ist er zu Hause. Und das Schöne daran ist das ungewohnt bedingungslose Bekenntnis zur Schönheit, das Attersee auslebt wie ein erotisches (und auch religiöses) Phänomen, als welches er seine Malerei auch begreift. Das »Bundeshymnen«-Gemälde führt uns über die zentral ins Bild geheimniste »Alpeneva« – die Form in Rechnung stellend – direkt zum Altarbild.

 

Attersee war schon vor über 20 Jahren einer der interessantesten Künstler während der Kasseler documenta 1977 und der Biennale in Venedig 1984, und nach wie vor belebt er die Kunstszene mit seiner technischen – und farblichen – Brillanz, der Lust am Malen sowie mit hintergründiger Ironie, die sich zwischen Skurrilität und Surrealismus bewegt. Die Schau basiert auf der Wiener Hommage zu Attersees 65. Geburtstag im vergangenen Jahr, wurde aber für Künzelsau modifiziert und um die Arbeiten aus dem Würthschen Besitz erweitert. Attersee, der auch als Bühnenbildner, Dichter, Filmregisseur und Musiker auftritt, schwelgt förmlich, wörtlich und bildhaft gesprochen in sinnlichen Eindrücken und schafft Bildräume, die bis heute nicht an Eindringlichkeit eingebüßt haben – betrachtet man etwa den »Verliebten Hammer« von 1996/98 oder die durchaus erotisch zu verstehenden Titel »Gischtgebet« (1996) oder »Nachtmilch« (2004), wo nebenbei bemerkt auch der Hammer wieder eine Rolle spielt.

 

Der Reiz des Attersee-Werks liegt in der hochdramatischen Geste, mit der das figurative Motiv ins Abstrakte gerissen wird, und in der gleichzeitigen Menschendarstellung, die den großen Regisseur verrät – nackt und selbstbewusst agieren sie, im Bewusstsein aber auch ihrer Verstrickung ins undurchdringbare, letztlich unbegreifliche Geflecht des Daseins, das ihnen als Halt, nicht als Rettungsanker chiffrierte Bilder und Dinge entgegenschleudert, und das der Mensch respektive der Künstler Attersee seinerseits in Zyklen und Gemäldepaaren (hier seien die phantastischen Bilder »Schwalbenschwätzer« und »Glaube« von 2005 genannt) in den Griff zu bekommen versucht. Dass der Mensch dabei am Ende scheitern muss, legt das Triptychon oder von Attersee auch »Bilddrei« genannte Opus nahe, das der Ausstellung den Titel gab: »Die Liebe – Das Haus – Der Ring« (2004/05). Übermächtig legen sich die pinselstrichschweren Maschen über den Weltausschnitt im Großen wie im Kleinen, der Mensch entschwindet zur Marginalie, anmutig, würdig aber noch immer, weiß Gott.

 

Wer den ganz frühen Attersee kennen lernen will, kommt im Katalog auf seine Kosten, wo die hahnebüchen frechen, gewitzten Aktionen im Kontext der Kunst der 60er Jahre behandelt und vorgestellt werden. So wird man überrascht auf sein »Objekt Vagina« von 1965 stoßen, das das berühmte »Tapp- und Tastkino« (1968) von Valie Export vorwegnimmt. Darüber hinaus verführt die Bildqualität des Ausstellungsbuches zum Weiterschwelgen.

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Öffnungszeiten

Mo–So 10–18 Uhr

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