Ausstellungsbesprechungen

Begas - Monumente für das Kaiserreich, Deutsches Historisches Museum Berlin, bis 6. März 2011

Würde man eine Liste der Top-Ten-Künstler des Wilhelminischen Kaiserreichs aufstellen, so fänden sich sicherlich der Hofmaler Anton von Werner, Adolf Menzel und Reinhold Begas (1831-1911) an erster Stelle. Zum hundertsten Todestag widmet das Deutsche Historische Museum dem Bildhauer eine Jubiläumsschau – es ist die erste Ausstellung des Künstlers seit einem Jahrhundert. Die preußischen Historien und Histörchen Anton von Werners steckte man in die Schublade einer verstaubten Anekdotenmalerei, Menzel brilliert heute noch auf Ausstellungen und Auktionen. Begas hingegen, der ihm 1905 die Totenmaske abnahm und mit seinen gigantischen Denkmälern vor allem im Berliner Raum der wilhelminischen Ära seinen Stempel aufdrückte, ist dem gegenwärtigen Bewusstsein nahezu entschwunden. Angelika Leitzke hat sich für PKG daher diesem Künstler gewidmet.

Dem Spross einer angesehenen Künstlerfamilie schien die Karriere jedoch schon vorbestimmt: Johann Gottfried Schadow und seine Schüler Christian Daniel Rauch und Ludwig Wichmann waren seine Taufpaten, als „Schüler Professor Rauchs“ beschickte Begas 1852 erstmals die Jahresausstellung der Berliner Akademie, die ihm 1854 ein Rom-Stipendium verlieh. Der Aufenthalt in der Ewigen Stadt trug ihm nicht nur die Inspiration durch Michelangelos und Berninis vitale Bildhauerei ein, sondern auch den glücklichen Kontakt zu Deutschrömern, vor allem Arnold Böcklin, der dem preußischen Akademieschüler eine naturnahe Gestaltung und die Freude an mythologischen Themen beibrachte. Die erotisch verspielte Bronze »Venus und Amor« oder der lebenslustige »Pan, einen Knaben das Flötenspiel lehrend« waren Früchte dieses ersten römischen Aufenthaltes, dem sich 1864/65 ein zweiter anschloss: der hier entstandene Frauenakt »Nach dem Bade« wurde als Petschaft in Hunderten von Exemplaren verkauft.

Nach einer Lehrtätigkeit an der Weimarer Kunstschule ließ sich Begas endgültig in Berlin nieder, wo er seit der Reichsgründung 1871 vom wirtschaftlichen Boom der Gründerzeit, die ihren neu erworbenen Reichtum künstlerisch repräsentiert sehen wollte, profitierte: so verkehrte in seinem imposanten Atelier an der Stülerstraße bald die High Society einschließlich des Kaiserhauses, um ihm Modell zu stehen. Schon 1859 schuf er die stolze »Borussia« als Hüterin von Handel, Ackerbau und Industrie auf der Berliner Börse; sie wurde der Rauch-Schule, die in einem leblosen, antikisch geschulten Spätklassizismus erstarrte, ein Dorn im Auge, erblickte sie doch jetzt in dem neobarocken Newcomer ihre stärkste Konkurrenz.

Mit dem Regierungsantritt Kaiser Wilhelms 1888 kam die beste Zeit für den Shooting Star, denn der Kaiser wollte sich und seine Ahnen verewigt sehen. So erhielt Begas, der fast 30 Jahre ein Meisteratelier an der Berliner Akademie leitete, Aufträge für zahlreiche Büsten der Hohenzollern, die er in Gestalt von antiken Hermen zu Halbgöttern mit Pickelhaube und visionärem Blick idealisierte oder in pathetischer Sprache in Denkmälern verherrlichte. Fünf Jahre arbeitete er an dem gigantischen Reiterstandbild Wilhelms I. auf der alten Schlossfreiheit in Berlin, das mit Sockel eine Höhe von 20 Metern erreichte. Ihm gegenüber nahmen sich die Menschen wie Ameisen aus. Auch die Sarkophage für den 99-Tage-Kaiser Friedrich III. und dessen Frau Viktoria überließ man ihm.

Doch nicht alle Zeitgenossen waren mit dem neuen Pomp einverstanden. Adolf Hildebrand, der im Wettbewerb für das kaiserliche Nationaldenkmal unterlag, hielt ihn für »durchgängig Blödsinn«. Schließlich wurden selbst Begas-Schüler wie August Gaul, August Kraus und Louis Tuaillon dem Meister abtrünnig und wandten sich Hildebrands schlichtem Neoklassizismus zu.

Trotz aller Denkmalsgigantomanie fand Begas bisweilen zur sinnlichen Lust der frühen Jahre zurück: sein Neptun-Brunnen, heute nahe dem Roten Rathaus, wurde 1891 vor dem Berliner Schloss aufgestellt: ein überquellendes Spiel mit Wassergetier, Fabelwesen und Wellen, eingefasst von den weiblichen Personifikationen der deutschen Hauptströme. Meisterhaft sind die ein Jahr vor Menzels Tod abgeformten Hände des Berliner Realisten, die wie ein Pendant zu Menzels selbst gemaltem rechten Fuß erscheinen, diesem privaten Naturschauspiel aus der Horizontalen, das ebenfalls in die Nationalgalerie kam.

Zeitgenössische Fotografien dokumentieren im Deutschen Historischen Museum den Weg, den manche von Begas' Großskulpturen nahmen, und der Guckkastenblick in das nachgebaute „Kaiserpanorama“ ermöglicht die Sicht auf die Historie aus minimaler Distanz: das überlebensgroße Bismarck-Denkmal, 1901 vor dem Reichstagsgebäude aufgestellt, wurde 1938 an den Großen Stern im Tiergarten versetzt, das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal ließ die SED-Regierung schleifen. Die Figuren der 1901 eingeweihten „Siegesallee“, an denen Begas beteiligt war, wurden 1954 im Park von Schloss Bellevue vergraben. Das errichtete Sitzbild Alexander von Humboldts findet sich hingegen seit 1883 immer noch vor der Universität in Berlins historischer Mitte. Fast könnte der große Naturforscher das Berliner Schloss erblicken, wäre es noch vorhanden. Für seinen Wiederaufbau wirbt auch die Begas-Schau ein wenig.

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