Ausstellungsbesprechungen

Bernini. Erfinder des barocken Rom, Museum der bildenden Künste Leipzig, bis 1. Februar 2015

Unleugbar war der italienische Baumeister und Bildhauer Giovanni Lorenzo Bernini (1598-1681) einer der ganz Großen. Gerade die richtige Person für das runde Stadtjubiläum Leipzigs im kommenden Jahr. Statt lediglich einen bedeutenden Namen zu präsentieren und sich selbst zu feiern, hätte das Leipziger Museum in seiner aktuellen Ausstellung jedoch ein wenig mehr bieten können, findet Rowena Fuß.

Lächelnd hält der Engel den goldenen Pfeil in der Hand, den er der Frau ins Herz stoßen wird. Es handelt sich um die heilig gesprochene Mystikerin Theresa von Avila (1515-1582). Diese schilderte ihre Erleuchtung durch einen Boten Gottes einst als eine geradezu obszöne Angelegenheit. »Es schien mir, als stieße er ihn [einen Pfeil, Anm. d. Verf.] mehrmals in mein Herz«, schrieb sie in ihrer Biografie, »ich fühlte, wie das Eisen mein Innerstes durchdrang, und als er ihn herauszog, war mir, als nähme er mein Herz mit, und ich blieb erfüllt von flammender Liebe zu Gott. Der Schmerz war so stark, daß ich klagend aufschrie«. Diesen bewegenden Moment hat Bernini in seiner Skulptur für die Cornaro-Kapelle der Kirche Santa Maria della Vittoria in Rom verewigt. Die Heilige liegt hingestreckt auf einer Wolke, ihr Kopf fällt halb zurück und zur Seite, sich vom Engel mit dem Pfeil über ihr abwendend. Aus ihrem geöffneten Mund scheint ein Stöhnen zu entweichen, das an einen eher körperlichen Ursprung ihrer Verzückung denken lässt. Und als wäre dies noch nicht genug Theatralik, ist das Paar wie auf einer Bühne leicht erhöht an der Stirnseite der Kapelle angeordnet, unter einem dramatischen goldenen Strahlenbündel, das nochmals einen Glanzpunkt im Hintergrund setzt.

Für seinen Gönner Kardinal Cornaro hat Bernini, der auch als Bühnenbildner tätig war, hier die wohl sinnenfreudigste Form seines barocken Illusionismus aufgefahren. Dass auch der Besucher in Leipzig daran teilhaben kann, ist Guidobaldo Abbatini zu verdanken. Sein um 1651 entstandenes Gemälde des Paares konnte als Leihgabe für die Ausstellung gewonnen werden.

Es mag vielleicht verwundern, warum die Bernini-Schau ausgerechnet in den Jahreswechsel gelegt wurde. Doch ist dies natürlich eine kluge Planung in Bezug auf das Stadtjubiläum. 1000 Jahre Ersterwähnung in der Chronik des Thietmar von Merseburg feiert Leipzig im kommenden Jahr. Und warum sollte man dem städtischen Hype nicht noch einen weiteren populären Namen beimischen?

Die Verbindung zwischen Bernini und der Pleiße-Metropole ist schon alt. Seit 300 Jahren besitzt Leipzig ein Konvolut von 50 Klebebänden mit Zeichnungen des Italieners (u.a. Künstlern, darunter Salvator Rosa). Diese stammen wahrscheinlich aus der Sammlung der schwedischen Königin Christina (1626-1689), die den Baumeister und Bildhauer kannte. Nach ihrem Tod in Rom wurde ein Großteil ihrer Habe zur Deckung ihrer Schulden verkauft. So kam vermutlich auch der Kunsthändler Prior Francesco Antonio Renzi (1644-1714) an die Zeichnungen Berninis. Diese waren beliebte Sammlerobjekte. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kaufte der Rat der Stadt Leipzig dann das besagte Konvolut für die ehemalige Ratsbibliothek an, wo es für 200 Jahre schlummerte. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigte man sich wieder damit und erkannte, welchen Schatz man hier vor sich hatte. Denn die Leipziger Zeichnungen gewähren einen Einblick in die Genese einzelner Projekte.

Bei den rund 90 ausgestellten Werken aus dem Bestand des Leipziger Museums, die um Leihgaben aus der Wiener Albertina, dem British Museum, der päpstlichen Sammlung im Vatikan und der Kollektion Queen Elizabeth II. ergänzt wurden, handelt es sich überwiegend um Skizzen und Studien für Heiligenskulpturen sowie Entwürfe für Berninis wohl wichtigstes Projekt: St. Peter. Eine zentrale Arbeit ist ein aus mehreren Risszeichnungen bestehendes Blatt des Petersplatzes, deren Mittelpunkt die plastisch ausgearbeitete Draufsicht des Ortes samt Kirche bilden. Nur wenige Schritte entfernt stößt man auf Grund- und Aufrisszeichnungen für einen an der Südseite St. Peters geplanten Glockenturm. Tatsächlich führte Bernini den Bau bis zum zweiten Geschoss aus. Doch schon wenig später zeigten sich Risse an der Fassade. Nachdem eine von Papst Innozenz X. einberufene Gutachterkommission 1645 statische Mängel festgestellt hatte, wurde der Turm schließlich abgerissen. Ein Tiefpunkt im Schaffen des großen Künstlers, der auch ein wenig an seinen Fähigkeiten zweifeln lässt. Sicher, er war ein fähiger Diplomat und zu kreativen Entwürfen fähig, aber bei der Statik scheint es dann doch gehapert zu haben. Gut, dass er sich diesbezüglich auf fähigere Köpfe verlassen konnte. Einer davon gehörte dem Architekten Francesco Borromini. Die produktive Zusammenarbeit zwischen beiden dokumentieren in der Schau u.a. zwei Blätter zum Grabmal Urbans VIII. (1627/1628) im Petersdom. Während Borromini mit Grafit bereits eine grobe Planungsskizze vorlegte, konzentriert sich eine daneben hängende Federzeichnung Berninis auf Figurendetails.

In puncto künstlerischer Qualitäten sowie Verbindungen reichte dem Günstling von acht Päpsten kaum jemand das Wasser. Dass er manchmal auch ein Satiriker war, bezeugen einige wenige von ihm erhaltene Karikaturen. Seine Meinung zu den Sparplänen Innozenz XI. etwa hielt er in einer Federzeichnung fest, die den Papst als blinden, ausgezehrten, gebrechlichen Greis im Bett zeigt.

Man muss wohl kaum weiter betonen, was für ein Star Giovanni Lorenzo Bernini im barocken Rom war und welch Besuchermagnet sein Name heute verspricht. Müsste man allerdings ein Wort für die aktuelle Präsentation seiner Werke finden, so wäre es schläfrig. Neben einer einzigen Multi-Media-Station, mit der man einen Klebeband Berninis aus der ehemaligen Ratsbibliothek digital durchblättern kann – was hauptsächlich Kinder mit ziemlicher Begeisterung machen – , tragen nur die in Cyanblau und dunklem Magenta gestrichenen Wände zu ein wenig Frische bei. Zugegeben: Zeichnungen sind schwer auszustellen. Wegen der strengen konservatorischen Bedingungen kann der Besucher nur im Halbdunkel von Objekt zu Objekt tapsen und muss auch immer sehr nah herankommen, um überhaupt alles erkennen zu können. Hier endlich eine innovative Lösung zu finden, wäre enorm wichtig. Um eine Ahnung von der Bedeutung des zeichnerischen Werks Berninis zu bekommen, empfiehlt sich zudem eine Führung. So bleibt eine richtige Verzückung beim Gang durch die Schau vorerst aus.

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