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Besch, Ulrike: Restauratoren-Taschenbuch 2002.

Das Restauratoren-Taschenbuch wendet sich nicht nur an alte Hasen im Geschäft, sondern auch oder sogar vor allem an diejenigen, die diesen Beruf erst erlernen wollen.

Daß man als Restaurator/in nicht unbedingt einen finanziellen Siegeszug antreten wird, bekommt der Leser schon im Vorwort gesagt. Herausgeberin Ulrike Besch und das Restauro-Team beklagen zu Recht, daß Erhaltungsmaßnahmen an Kunst-und Kulturgut genauso honoriert werden wie eine Reparatur am Wasserhahn. Die weiteren Hürden folgen auf den nächsten Seiten: Neben dem Hinweis, daß ein Restaurator nur selten die Möglichkeit erhält, eigene Leistungen darstellen zu können, ist obendrein auch ein Mindestmaß an Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeit vonnöten, auch komplizierte Sachverhalte schriftlich darstellen zu können: [base \']da die ethischen Grundsätze des Restaurators häufig im Widerspruch zu den Erwartungen des Auftraggebers stehen\'. Für alle, die dies immer noch nicht schrecken kann, folgen Adressen von Institutionen und Schulen in Deutschland, Europa und den USA sowie Infos zum Studium und zu Praktika. Die meisten Schulen werden mit Lehrbeauftragten, Fachrichtungen und Spezialgebieten vorgestellt. Wer wissen möchte, was in der letzten Zeit so geforscht und geschrieben wurde, die Rubrik Diplomarbeiten gibt Auskunft. Das Inhaltsverzeichnis scheint unerschöpflich: Museen, Denkmalpflege, Werkstätten, Archive, Preise, Forschung, Recht, Datenbanken, Fachmessen und Verlage und und und. Auch eine ansehnliche Anzahl von Adressen im WWW und mailing lists ist zu finden, das Ganze sehr übersichtlich gegliedert.

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Aktuellen Themen ist der zweite Teil des Buches gewidmet. Zu Beginn entwirft Helmut F. Reichwald vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg unter der Rubrik Basiswissen denkmalverträgliche Konzepte und deren Umsetzung durch Restauratoren und qualifizierte Handwerker. Es folgt das Protokoll einer Podiumsdiskussion anläßlich einer Tagung in Berlin im März 2000, bei der Restauratoren, Denkmalpfleger, Museumsdirektoren und Vertreter der Kulturpolitik das Berufsbild des Restaurators unter dem Gesichtspunkt [base \']Ist unser Kulturgut ausreichend geschützt?\' diskutierten. Wichtige rechtliche Grundlagen in Bezug auf Kostenvoranschlag, Kredite und Publikationen werden von der Juristin Susanne Mott zusammengefasst. Angesichts der momentanen Entwicklung - 95 % aller Studienabgänger wählen den Weg in die Selbständigkeit - sind die Informationen von Restaurator Michael Recker zu Thema Wege in die Selbständigkeit besonders wichtig. Ein umfangreicher Leitfaden zur Existenzgründung mit Anregungen aus der Praxis wird von den Restauratoren Patrick Schierding und Bernd Kügler erstellt. Freiberufler Jonny Stadler dokumentiert in einem Briefwechsel die unsachgemäße Aussschreibungspraxis, die Auftraggeber und Restauratoren in Konfliktsituationen bringt. Neu ist in dieser 4. Ausgaben des Restauratoren-Taschenbuchs die Rubrik [base \']Ethik\'. Im Hinblick auf die überwiegende Zahl an Freiberuflern scheint dies durchaus notwendig. Wie soll sich der Restaurator verhalten, wenn der Auftraggeber eine Billig-Version der Restaurierung fordert? Kunsthistorikerin und freiberufliche Restauratorin Hiltrud Schinzel erläutert die Komplexität des Themas anhand der Restaurierung eines Gemäldes von Barnett Newmann. Das großformatige Werk (245x543 cm) mit dem Titel [base \']Who is afraid of red, yellow and blue\' (1967/8) wurde 1986 bei einem Attentat mit einem Messer viermal horizontal und viermal diagonal aufgeschlitzt. Die Restaurierung wurde von der Presse seinerzeit aufmerksam verfolgt. Die Witwe des Künstlers bestand darauf, daß der Restaurator Daniel Goldreyer die Wiederinstandsetzung übernehmen solle, weil er ihrer Meinung nach der Einzig dazu Befähigte sei. Er restaurierte das Gemälde. Anschließend stellte sich heraus, daß - nach der Rücknahme durch den Eigentümer, dem Stedelijk Museum in Amsterdam - die Instandsetzung nicht dem europäischen Standart entsprach. Farb- und Firnisschichten der Restaurierung waren wesentlich dicker als die originalen Malschichten. Reklamationen führten zum Prozeß, der aufgrund des Vertrages und der Rechtslage zugunsten Goldryers entschieden wurde. Neben diesem primären, zugegebenermaßen schlechtem Ausgang für das Gemälde entstand durch die Berichterstattung in der Presse ein neues Interesse der Öffentlichkeit am Beruf des Restaurators. Der weitere Verlauf der Geschichte erscheint wie eine perfekt erdachte Story.

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Inzwischen ist ein weiteres Gemälde Newmans, [base \']Cathedra\', im Stedelijk-Museum bei einem ähnlichen Attentat durch dieselbe Person beschädigt worden. Es wird nun von den Restauratoren des Hauses selbst wiederhergestellt, die aufgrund des ersten Vorfalls viele Erfahrungen auf dem Gebiet der Restaurierung großformatiger Gemälde mit monochromen Farbflächen sammeln konnten. Das Museum plant nach Abschluß der Arbeiten ein Symposium über Monochromie.
Am Beispiel der altbekannten Geschichte der Laokoon-Gruppe wird dem Leser erklärt, wie sich die Methoden der Restaurierung in ihrem zeitgenössischen Kontext ändern. Angenehm ist die stichpunktartige Darstellung der wichtigsten Fakten in einer Art Übersicht, so auch geschehen bei der Newmann-Geschichte. Zu guterletzt wurde dieser Ausgabe des Restauratoren-Taschenbuches ein Fachlexikon deutsch-französisch beigefügt. Englische und italienische Fachbegriffe konnten in den vorhergehenden Taschenbüchern nachgeschlagen werden. Das Restauratoren-Taschenbuch 2002 ist alles in allem ein nützliches und übersichtliches Kompendium an Informationen und aktuellen Themen. Bei einem Abonnement der achtmal jährlich erscheinenden Zeitschrift Restauro erhält man es gratis, ansonsten kostet es € 19,80.

 

Bibliographische Angaben

Besch, Ulrike: Restauratoren-Taschenbuch 2002. Callwey 2001
ISBN-13: 978-3766715043
 

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