Ausstellungsbesprechungen

Besprechung im Doppelpack: Katalog und Ausstellung Friederisiko, Neues Palais/Schloss Sanssouci, Potsdam, bis 28. Oktober 2012

Wer war Friedrich II. von Preußen, auch genannt »der Große«? Ein »Querkopf und Poet«, so sein Vater Friedrich Wilhelm I., oder tatsächlich erster Diener seines Staates? Noch bis Sonntag strebt die Potsdamer Ausstellung danach, die Lebenswelt des Preußenkönigs zu veranschaulichen. Rowena Fuß hat sich auf Spurensuche begeben.

Mit dem Ticket in der Tasche geht es zur aufgedruckten Einlasszeit an den richtigen Eingang und die Tour durch die Ausstellungsräume im Neuen Palais kann beginnen. Geführt durch einen Audioguide trottet oder „wandelt“ – wie die freundliche Stimme aus dem Gerät vorschlägt — man durch die Ausstellung, schaut hier mal in die Vitrinen, dort auf die Stellwände mit Bildern, Urkunden und anderen Schriftstücken.

Nun ist es sicherlich hilfreich, zu ausgewählten Exponaten (von immerhin 480) einfach eine Nummer in den Hörführer zu geben und den Informationen zu lauschen, aber um eine Lebenswirklichkeit abzubilden reicht dies nicht. Denn das hat sich die Friederisiko-Ausstellung zum Ziel gesetzt.

Wer ein Schloss besucht, will den alten Geschichten lauschen, will Klatsch und Tratsch hören, Anekdoten aus dem Leben der Adeligen. Diese Erzählungen sind es, die eine Person für die Nachwelt greifbar machen. Dafür braucht es allerdings einen kundigen Geschichtenerzähler, den der Audioguide nicht ersetzen kann.

Der Rundgang führt durch 72 Räume, von denen ein Drittel erstmalig oder seit Jahrzehnten wieder zugänglich ist. Das heißt, das wichtigste Exponat auf der Spurensuche nach dem Alten Fritz ist das Neue Palais selbst. Es wurde von Friedrich II. als Repräsentationsbau genutzt und war ein exakt durchdachtes Instrument der Selbstdarstellung. Kurz nach dem Siebenjährigen Krieg entworfen, sollte der barocke Prunkbau den europäischen Mächten den ungebrochenen Glanz des Hauses Hohenzollern und seines königlichen Oberhauptes vor Augen führen. Die zwölf Themenbereiche der Friedrich-Schau werden innerhalb des Prachtbaus genau dort gezeigt, wo sich inhaltliche Bezüge herstellen lassen.

Um den alten Glanz noch einmal aufscheinen zu lassen, wurden verschiedene Kabinette für die Ausstellung restauriert. Doch der äußere, intakte Schein des Palais trügt. Der genaue Blick verrät abgeplatzte Lackierungen an Türen, schmuddelige oder ausgeblichene Wandbehänge u.ä. Das können selbst die riesigen Stellwände nicht verbergen. Aber es sind, zugegebenermaßen, gerade diese kleinen Fehler, die dem Gebäude einen gewissen Charme verleihen. Sie passen zu einem Herrscher, der von seinem Vater Friedrich Wilhelm I. als „Schmutzfink“ bezeichnet und vom Juristen und Journalisten Sebastian Haffner in seinem Buch »Preußen ohne Legende« (1979) wie folgt charakterisiert wurde: »Friedrich war geistreich, einfallsreich und vielseitig, begabt nicht nur politisch und militärisch, sondern auch literarisch und musikalisch. Aber ein Genie war er eigentlich auf keinem Gebiet, eher ein hochbegabter Dilettant auf ungewöhnlich vielen.«

Einen Eindruck von der Persönlichkeit Friedrichs vermitteln seine Bildnisse. Ihnen ist ein großer Raum mit dem Titel »Königsbilder« gewidmet. Dieser liegt quasi als Vorhut zu den Gemächern der ehemaligen Fürstenwohnung im Obergeschoss des nördlichen Seitenflügels. Hier grüßt der Alte Fritz den Besucher mit seinem erhobenen Dreispitz, blickt ihm auf den Fritzstock gestützt entgegen oder heroisch als antiker Feldherr ins Gesicht.

Dafür, dass sich Friedrich nur ungern malen ließ, ist eine erstaunliche Anzahl an Porträts zusammengekommen. Sie bilden den Grundstein für die „Marke“ Friedrich. Unbedingt dazu gehörten der Dreispitz, der Orden vom Schwarzen Adler auf blauer Uniformjacke und auch oft ein Krückstock. Bereits Friedrich Wilhelm I., der »Soldatenkönig«, bevorzugte Feldherrenporträts. Friedrich übernahm diese Tradition. Sie scheint seinen Grundsatz widerzuspiegeln, dass Preußen als Militärstaat betrachtet und alles darauf eingestellt werden müsse. Formuliert hatte er ihn 1768 in seinem zweiten „Politischen Testament“. Ein grundsätzlich repräsentatives Bild – aber mit originellem Motiv – ist die Darstellung, in der er den Betrachter mit dem Dreispitz grüßt. Mit dieser Unkonventionalität machte er auf sich aufmerksam. Das Bildnis war zu Friedrichs Zeiten äußerst populär und wurde in zahlreichen Kopien und Nachstichen verbreitet.

Nur: Die Betrachtung seiner Bildnisse stillt keineswegs die Neugier auf den Menschen hinter den Gemälden. Weitaus detaillierter kann der Besucher mit Hilfe des zweibändigen Katalogs in die Lebenswelt des Preußenkönigs eintauchen. Die insgesamt zwölf Kapitel im ersten Begleitband »Ausstellung« informieren den interessierten Leser über den Obstanbau und die Gartenkunst im Park von Schloss Sanssouci, über Friedrichs politische Verhältnisse zu Frankreich, Großbritannien, Russland und Österreich sowie seinen Kriegen, des Weiteren über seine Affinität zu den schönen Künsten bis hin zum Tagesgeschäft. Auf jeweils etwa 15 Seiten erfährt er Hintergrundinformationen zu den einzelnen Ausstellungsteilen – ideal für die Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs.

Ergänzt wird dieser Band durch eine Auswahl von 21 Essays in einer separaten Publikation. Diese stellt einen aktuellen Querschnitt der Forschungsergebnisse zu Friedrich dem Großen vor, die seit 2007 auf etlichen von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg veranstalteten Konferenzen zu Preußens großem König erarbeitet wurden.

Alle Beiträge eint das Bemühen, Friedrich in den historischen Kontext zu stellen und ihn von Projektionen späterer Generationen zu befreien. Eine Rechnung über Kirschen für die königliche Tafel im Winter demonstriert etwa die Korrekturen, die hinsichtlich der ihm nachgesagten Bescheidenheit gemacht wurden.

Opulent kommt auch die Ausstattung der Beiträge daher: Die Abbildungen sind durchgehend farbig und locker in die diversen Texte eingestreut. Alles in allem laden beide Bücher zum Stöbern ein und dazu, die Beschäftigung mit dem Alten Fritz fortzusetzen.

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