Ausstellungsbesprechungen, Meldungen zum Kunstgeschehen

Besser scheitern - Film + Video, Hamburger Kunsthalle, bis 11. August 2013

Der amerikanische Soziologe Richard Sennett hat das Scheitern einmal als das große Tabu der Moderne bezeichnet. In der Kunst war das Scheitern schon immer eng mit der Kreation und dem künstlerischen Schaffensprozess verbunden. Die Kunsthalle Hamburg widmet sich in einer Ausstellung Videoräumen und Filmen von den 1960er Jahren bis heute, die in bewegten Bildern den vielschichtigen Aspekten des Scheiterns nachgehen: Spielerisch, lustvoll, tragisch, komisch, trauernd, überraschend. Susanne Gierczynski hat sich die Ausstellung angesehen.

Was gesellschaftlich verachtet wird, gereicht der Kunst zur alltäglichen Grenzerfahrung, aus der sie Kreatives schöpft: Scheitern beinhaltet prinzipiellen Neuanfang, dem bildende Künstler und Literaten sich seit jeher zu stellen haben.

Die Hamburger Kunsthalle widmet sich anhand von Video- und Filmarbeiten von 17 sowohl namhaften als auch unbekannteren Künstlern und Künstlerinnen dem visuell aufgearbeiteten Thema des Scheiterns seit den 1960er Jahren bis heute.
Kein geringerer als der Ire Samuel Beckett steht Pate für das sprachliche Augenzwinkern des Titels der Ausstellung: »Besser scheitern«. Je nach Betonung des ersten oder des zweiten Wortes, erhält man die auffordernde Konnotation zum Erfolg versprechenden Scheitern oder zum nihilistischen Abwinken des Sinns allen Tuns.

Brigitte Kölle fächert eine reiche Palette künstlerischer Statements zum Topos „Scheitern“ auf. Und es sei gleich gesagt: Es gibt nicht nur die Qual des Scheiterns. Es gibt ebenso ein frohes Scheitern, die Ironie des Scheiterns oder die Unsäglichkeit des Scheiterns, den Witz des Scheiterns und eine gewisse Subtilität des Scheiterns.

Als Entdeckung darf der früh verstorbene Bas Jan Ader (1942-75) gelten. Vier schwarz-weiße Filmprojektionen aus den Jahren 1970 und 1971 zeigen ohne Ton: Einen Mann, der auf einem Stuhl sitzt und dessen Stuhl wiederum auf einem Dachfirst steht. Das zu erwartende Fallen des Mannes von Stuhl und Dach findet erstaunlich unspektakulär statt. Oder: Ein Mann fährt in leichter Schräglage auf einem Fahrrad sitzend ohne jede Hemmung in eine Amsterdamer Gracht. Oder: Ein Mann steht auf einem Weg im Wind. Der Wind wird nach längerem Gegenhalten des Mannes diesen schließlich zum Umfallen bringen. Und schließlich: Ein Mann hängt an einem Baum über einem Fluss - und fällt nach geraumer Zeit in diesen hinein. Beckett‘sche Qualitäten.

Wer verstört von dieser Unausweichlichkeit des Absurden weitergeht, kann den völlig konträr temperierten Film aus den Jahren 1986-87 vom schweizerischen Künstlerduo Fischli & Weiss sehen. Amüsant und überraschend ist dem »Lauf der Dinge« zuzusehen. Im Sinne des Domino-Effekts ist eine Bewegungskette unterschiedlichster zusammen gebastelter Objekte in Gang gesetzt, bei der man ob ihres desolaten Eindrucks ständig ans Scheitern denkt und doch ein ständiges Gelingen wider Erwarten erlebt. Macht Spaß!

Von Francis Alÿs gibt es unter anderem eine Bildschirmprojektion zu sehen, die einen roten VW-Käfer wiederholt und - natürlich - vergeblich einen Hügel herauffahren lässt. Lokalisiert in einer Siedlung am Rande von Tijuana, im Norden Mexikos, wird diese vergebliche Aktion untermalt von der Musik einer Blaskapelle. Letztere bestimmt über ihren Einsatz, ihr Verspielen und ihren Abbruch die Aktion des Käfers. Der Zusammenhang widerstrebender Kräfte, die logisch nicht zusammengehören, führt die Absurdität der Handlung vor Augen. Dank der Musik und des farbenfrohen Autos erhält dieses Scheitern einen unverdrossen fröhlichen Charakter.

Tracey Emin, Bruce Nauman, Marina Abramovic und Christoph Schlingensief, um nur einige der ausgestellten Künstler zu nennen, erweitern das Repertoire dieser unbedingt sehenswerten Ausstellung, aus der wir lernen: Scheitern ist nicht vernichtend, dem Scheitern wohnt immer auch ein förderliches Prinzip inne.

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