Kunstbücher für junge Leser, Buchrezensionen

Bjørn F. Rørvik: Edvard Munchs kleiner Pinsel, Benteli 2012

Was machen eigentlich die Pinsel, wenn der Maler sie nach der Arbeit in den Schrank gelegt hat? Dieser Frage widmen sich Bjørn F. Rørvik und Thore Hansen in ihrem Kinderbuch »Edvard Munchs kleiner Pinsel«. Unser Autor Lennart Petersen hat sich überraschen lassen.

Im Pinselschrank des Herrn Munch geht es zu, wie man es aus vielen Erzählungen der Kinderliteratur gewohnt ist. Während sich die werktätigen, darum überheblichen und wichtigtuenden großen Pinsel in den Vordergrund drängen, bleibt einer, der kleine Pinsel, traurig und unbeachtet im Hintergrund. Das ist kein besonders origineller Stoff, der da von Christel Hildebrandt gut lesbar aus dem Norwegischen übersetzt worden ist, denn es liegt gewiss auf der Hand, dass sich die Verhältnisse umkehren werden im Laufe der Geschichte. Der Unbeachtete wird einen vorderen Rang einnehmen und die Großsprecher ins Abseits gedrängt. So viel auch zur pädagogischen Mission des Kinderbuches als solches.

Indes ist die Umsetzung des Geschehens besonders in grafischer Hinsicht einen intensiven Blick wert. Thore Hansen illustriert die Geschichte um den kleinen Pinsel in reduziert eingesetzter Farblichkeit, lässt die Farbe nahezu nur als Farbe des Malers zu und setzt die übrige Welt in ein scharf abgesetztes Schwarzweiß, in einen Fluss aus dunkler Angst und lichter Hoffnung. Farbe ist hier etwas Besonderes – entweder besonders schauriges oder besonders fröhliches. In kluger Komposition stellt sich so die Innenwelt des kleinen Pinsels nach außen dar, die Geschichte erfährt eine erlebbare Visualisierung.

Und auch das in seinen Grundzügen bekannte Szenarium des Aufstieges eines Geringgeschätzten wird durch Bezugnahme auf Edvard Munch und seine Gemälde greifbarer. Der Maler selbst tritt in etwas grotesk anmutender Komik als besteckschwingender Kauz auf, der schließlich alles zum Guten wendet. Die gerade in der Gestaltung liegende Originalität zeugt von viel Liebe zum Detail und auch die dichterische Freiheit des Autoren, der die Bilder Munchs in veränderter Reihenfolge entstehen lässt, wird in einem kleinen Anmerkungstext am Ende aufgeklärt. Das Kinderbuch ist in seiner Kürze noch um Authentizität bemüht und ermöglicht somit einen sympathisch spielerischen Zugang zur Munchs Malerei. Die geringen orthografischen Abweichungen zur deutschen Rechtschreibung, die auf die Veröffentlichung im Schweizer Verlag Benteli zurückgehen, sind marginal und weitgehend unauffällig. Dass dem originalen Titel »Den lille penselen« noch Munchs Name hinzugefügt wurde, ist überflüssig und gerade für erwachsene Leser ärgerlich, da so die augenzwinkernde Pointe der Geschichte teilweise vorweggenommen wird. Nichtsdestoweniger ist das Buch gerade in Bezug auf Inhalt und Formensprache im Kontrast zu den in den deutschen Buchhandelsketten vorherrschenden farbexzessiven Franchisekinderbüchern auf jeden Fall zu empfehlen.

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