Kolumne

Blickwinkel #10: Kunst im öffentlichen Raum

Raiko Oldenettel über Kunst im öffentlichen Raum und den Ausverkauf von Kunst.

Kunst auf die Begriffe der Museumsmauern zu reduzieren, das lag dieser Kolumne seit jeher fern. Dass allerdings Kunstwerke diese Grenze oft auf unsinnige, belustigende, oder auch entnervende Art und Weise verlassen können, dessen ist man sich ebenso bewusst.

Eine verrottende Holzstele im Park, ein zerfressenes Überbleibsel eines Automobilfließbandes vor einem Konzerngebäude, Stahlnägel, Bronzeklötze und deformierte Köpfe aus Beton – das ungefähr könnte der Querschnitt der öffentlich zugänglichen Kunst sein, wenn man sich einen Nachmittag Zeit nimmt und einmal durch die Bezirke einer nahe gelegenen Großstadt wandert. Von Block zu Block kommt man immer wieder an den gleichbleibend fragwürdigen Erweiterungen des kulturellen Stadtbilds vorbei. Nicht ohne manchmal genervt auszuweichen, oder es schlicht zu ignorieren. Was früher das Reiterstandbild (da hatte es ja noch Funktion!) war, ist heute die Schenkung eines Künstlers an das Dorf. Oder aber die Museen verrücken ihren Bestand vor die Fläche, sofern denn haltbar genug, und überlassen sie der Witterung.

Das ist gelebte Kunst! – schreien die Einen. Das ist eine Verschandelung der Öffentlichkeit – schreien die Anderen. Unterschied und Recht sind der Situation zu überlassen, aber grundlegend steht fest: Hier begegnet uns mit breitem Lächeln dasselbe Problem, wie in der letzten Kolumne angesprochen. Die Kunst muss weg! Schön und gut, aber wie? Aus den Lagern, raus an die frische Luft und fort von einem Schattendasein? Vielleicht. Doch der Großteil der Betrachter wird sich wohl kaum an einer schnell befahrenen Straße in die vor sich hin rostende Skulptur eines Richard Serra versenken können. Geschweige denn begeistert bei den Besitzern nachfragen, worum es sich handelt.

Oft wechseln diese Skulpturen sogar ihre eigentlich fixe Position und verändern damit die Wirkung, dank städtebaulichen Maßnahmen und schlechter Instandhaltung. Dass sie aber sogar ganz aus dem Museum, hinein in die dm-Filialen dieses Landes wandern, damit war nicht ganz zu rechnen. Gut, der Direktor des Frankfurter Städels Max Hollein rechnete sehr fest damit, denn es war seine Idee. Doch welchen Weg geht er? Bringt er Kunst dem Betrachter näher, indem er sie Allzeit für sich verfügbar macht? Werden Sammler und Museumsbesucher nach ihrem Ausflug ins Städel zum nächsten dm laufen und dort ihren Liebling ausdrucken? Durchaus möglich. Die eingangs zu erwartende Hochachtung aber, die jeder damit seinem Augapfel entgegenbringt, erzeugt nicht nur Müll – sie ist schlicht eine Verlängerung des Gift-Shops am Ein- und Ausgang des Museum. Eine Marketingmaßnahme, die auch schon von anderen Museen, wie zum Beispiel dem Rijksmuseum in Amsterdam, auf Basis ihrer digitalen Sammlungen lange vorher genutzt wurde.

Das Problem ist letzten Endes nicht die ständig erschaffende Kunst, oder die ruhlosen Künstler, ja nicht einmal die Konsumenten dessen. Es sind die Macher und die Personen, die Kunst, ihr Museum und den ganzen kulturellen Apparat vermarkten wollen. Das Produkt verliert nicht nur an Seele, wenn man es in den Parkanlagen vergammelt lässt, es verliert sogar am Wert seines Materials. Ganz billige Kunst, Hurra! Wir machen es den großen Elektronikketten nach.

https://www.rijksmuseum.nl/nl rate ich übrigens jedem an, der ein Lieblingskunstwerk schon einmal jenseits der Lichtschranke und den düsteren Blicken eines Museumswärters von Nahem sehen wollte. Die Qualität ist himmlisch und man kann, ganz Herrn Direktor Holleins Gedanken ähnlich, die Datei für seine eigenen Gebräuche runterladen und auf eine Kaffee-Tasse klatschen. Einfach genießen und studieren ist jedoch nach wie vor erlaubt.

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