Kolumne

Blickwinkel #5: Die Macht der Kultur

Raiko Oldenettel über Wasserfluten, Kunstschätze und Fördergelder.

Otto Dix sprach begeistert vom Ersten Weltkrieg, der sei wie eine Naturgewalt und man müsse sie gesehen haben, um sie zu begreifen. Nun ist das Geburtshaus des Künstlers in Gera einer anderen - wahrscheinlich ebenso durch den Eingriff des Menschen in die Natur begünstigten - Katastrophe zum Opfer gefallen. Das Hochwasser hat sich durch den Süden und Osten der Republik gefressen, man spricht von einer Jahrtausendflut in unserem frisch angebrochenen Millennium. Dix Bilder waren zu retten, doch mit öffentlichen Kunstwerken ging es weniger glimpflich aus. Parks wurden ruiniert, Musikschulen unbrauchbar gemacht, die Händel-Festspiele wurden gestrichen und selbst Rundfunkbetriebe aus Vorsicht ausgelagert. Flutwasser frisst aber nicht nur Kunstschätze, sondern auch Geld. Unsummen davon.

Zu Recht fragen Betroffene, warum für die Eindeichung von Opern und Museen an manchen Standorten begünstigt bezuschusst wird - wenn es aber um bürgerlichen Lebensraum geht, die Einsatzkräfte Skulpturen und Gemälde an ihnen vorbei tragen. Ist das der lange Arm der Elite, die ihre Jahreskarten davonschwimmen sieht? Schürt das nicht einen Hass auf das Verlangen kulturelles Erbe zu sichern und historische Identität zu bewahren? In diesen Tagen treffen wir auf ähnliche Phänomene in allen Bereichen unseres Lebens, bedingt durch steigende Pegel. Eine naturgeschützte Libelle sorgt für den Baustopp einer hilfreichen Struktur gegen Überschwemmungen. Bürger setzen sich gegen den Abriss ihrer Panorama-Ufer zur Wehr und ernten dafür überspülte Straßen. Wo man hinsieht taucht eine schwere und nicht unbedingt neue Frage aus den Fluten auf: Wie wägt man ab?

Dazu schaut man auf die Zeiten, in denen es trocken ist und erinnert sich daran, welchen Wert eine funktionierende Oper, ein laufendes Kulturspektakel haben können. Was sie für einen Durchfluss von Kulturbegeisterten erzeugen, Dinge auf die man stolz sein kann. Man blickt schon jetzt vorwärts, denn sonst wäre eine so starke Mithilfe von Freiwilligen sicherlich nicht möglich. Dieser Blick nach vorne ermöglicht es zu verstehen, auch wenn akzeptieren zweifelsohne schmerzlich ist. Doch letzten Endes sind das alles, all die gefallenen Worte, Symptome und die viel wichtigere Frage, des grundsätzlichen Verhinderns dieser Fluten, darf nicht über das Abwägen für die Gelder “danach“ hinweg flussabwärts in die Vergessenheit treiben.

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