Buchrezensionen

Caecilie Weissert/ Sabine Poeschel/ Nils Büttner (Hg.): Zwischen Lust und Frust. Die Kunst in den Niederlanden und am Hof Philipps II. von Spanien (1527–1598), Böhlau Verlag 2013

Das schwierige Verhältnis zwischen der spanischen Krone und den Niederlanden hinterließ auch im zeitgenössischen Kunst- und Kulturleben deutliche Spuren. Der vorliegende Sammelband beleuchtet ein spannendes Zeitfenster an zwei geschichtsträchtigen Schauplätzen, die im Allgemeinen nur am Rande der Kunstgeschichtsschreibung gestreift werden. Ulrike Schuster hat ihn sich angesehen.

Als Philipp II. 1556 die Amtsgeschäfte von seinem Vater Karl V. übernahm, hegten die niederländischen Provinzen und Städte große Hoffnungen bezüglich seines Regierungsantritts, wurden jedoch bald enttäuscht. Es folgten Jahrzehnte des Aufstands und der andauernden Konflikte, in deren Folge unter anderem der vormals blühende Markt für Kunstwerke und andere Luxusgüter in Antwerpen zusammenbrach. Viele Bildhauer und Maler sahen ihre Werke im Bildersturm 1566/67 zerstört, andere verließen ihre Heimat aufgrund von politischen oder religiösen Überzeugungen. Den Niederlanden drohte der kulturelle Niedergang, was man als Folge der »finsteren« spanischen Herrschaft deutete, die Philipp II. verkörperte.

Doch der Monarch war ein Zerrissener, auch was die Kunst betraf. Philipp II. profilierte sich als einer der wichtigsten Kunstmäzene seiner Epoche. Er hegte große Bewunderung gegenüber der burgundisch-niederländischen Kultur, erteilte Aufträge an niederländische Künstler und legte eine bedeutende Sammlung an. Am prominentesten ist in diesem Zusammenhang seine dezidierte Vorliebe für die Werke von Hieronymus Bosch, mit der Herrscher sogar seine Zeitgenossen erstaunte. Der strenggläubige Katholik liebte aber auch die Kunst Tizians. Sabine Poeschels Beitrag hierzu vermag es bezeichnende Schlaglichter auf eine widersprüchliche Persönlichkeit zu werfen: Philipp unterschied peinlichst genau zwischen seinem privaten Kunstgenuss und der öffentlichen Repräsentation. Er gab sechs großformatige Aktgemälde zu mythologischen Themen – vom Meister diskret als »Poesie« bezeichnet – bei Tizian in Auftrag, doch diese Bilder blieben vor der Öffentlichkeit verborgen.

Wenn es dagegen um Staatstragendes ging, musste die Sprache der Bilder eine Eindeutige sein. Sinnliches, Zweideutiges oder auch nur ästhetisch Gewagtes galt es unbedingt zu vermeiden. Daraus erklärt sich, warum renommierte Künstler wie El Greco oder Federico Zuccari bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder Ämtern am Hofe nicht zum Zug kamen, obwohl der Monarch ihnen durchaus nicht die persönliche Wertschätzung versagte.

Philipp war nicht der erste unter den spanischen Habsburgern, der sich als Förderer der Künste betätigte, aber er prägte Spaniens Kulturlandschaft am Nachhaltigsten. Bettina Marten verweist in ihren Aufsatz jedoch darauf, dass es schwierig genug ist, von einer genuin spanischen Kunst in diesem Zeitraum zu sprechen: Weder existierte im 16. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel eine geschlossene Kulturregion, noch lässt sich ihre Kunstproduktion ohne die Verschmelzung der multiplen kulturellen Einflüsse über die vorangegangenen Jahrhunderte hinweg sinnvoll erfassen. Marten beschreibt ein »Nebeneinander, Miteinander und Ineinander«, das nicht nur die unterschiedlichen Stile betrifft. Auch die verschiedenen Kunstgattungen standen in wechselseitiger Beeinflussung.

Tatsächlich reicht es der Publikation zur Ehre, dass sie auf eine umfassende Behandlung der verschiedenen Kunstsparten Wert legt, die weit über die klassische Trias von Malerei, Architektur und Plastik hinaus reicht. Ursula Härting etwa berichtet über den Einfluss der Niederländischen Gartenkunst und das Aufblühen einer neuen Gartenkultur auf der Iberischen Halbinsel. Katja Schmitz-von Ledebur widmet sich der außergewöhnlichen Tapisserien-Sammlung, die Philipp mit großer Leidenschaft immer weiter vergrößerte. Das nach seinem Ableben entstandene Inventar nennt einen Bestand von 701 Stück.

David Sánchez Cano beschreibt dagegen Beispiele aus der niederländischen Festkultur. Besondere Aufmerksamkeit widmet er der Tradition ephemerer Aufbauten, die für den feierlichen Empfangs des Landesherren entstanden. Die Festbauten mit ihrem Schmuck aus sinnreichen Allegorien, lebenden Bildern und anspielungsreichen Inschriften wurden anschließend minutiös in Beschreibungen niedergehalten und entwickelten dadurch auf der publizistischen Ebene eine enorme Breitenwirksamkeit. So vermochten sie auch für Spanien eine nicht unbeträchtliche Modellwirkung auszuüben.

Die thematisch große Bandbreite der Publikation vermag ein durchaus differenziertes Bild der in sich zerrissenen Epoche wiedergeben. Dennoch kommt man nicht umhin festzustellen, dass sich ein Großteil der Beiträge hauptsächlich auf der Ebene der Bestandsaufnahmen bewegt. Das mag durchaus seine Meriten haben, wenn man sich einen Überblick über die Vielfalt der Kunstproduktion verschaffen will, aber nur wenige Texte führen darüber hinaus.

Der Beitrag von Caecilie Weissert wäre hier zu nennen, der eine interessante Metamorphose der Ikonographie des Heroen Herkules schildert. Nils Büttner verweist auf verborgene Subtexte im scheinbar so unverfänglichen Genre der Landschaftsmalerei. Den Abschluss schließlich bilden zwei Betrachtungen über den Escorial, den Ulrich Schulze als »vollendete Architektur« vorstellt. In den geometrischen Bauformen und der komplexen Ikonographie dieser Anlage spiegelt sich die Vorstellungswelt seiner Bauherren in höchster Perfektion wider.

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