Der interdisziplinäre Doktoranden-Workshop an der LMU München möchte Promovierende der Literaturwissenschaften, der Film- und Kunstwissenschaften und der Philosophie über Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Sehen, Lesen, Denken und Schreiben ins Gespräch bringen. Einsendeschluss für Abstracts: 1. Januar 2017.
Wie bezeichnen Bilder, wie kann man Bilder lesen? Was geschieht, wenn Visuelles Eingang in den (vor Augen liegenden) Text findet oder durch den Text evoziert wird?
Zwei Themenkomplexe sollen also fokussiert werden: die Signifizierungsmechanismen des Visuellen und die Darstellung des Visuellen in Texten, in die es zunächst im Modus des Entzugs transponiert wird. Das Verweisungssystem der Bilder erstreckt sich über Wahrnehmung(en) und Kontexte und konstituiert sich im Zusammenspiel von (medienspezifischen) Selektions-, Vermittlungs- und Deutungsprozessen. In der Überführung des Visuellen in Text wird Sichtbares ausgeschrieben und auserzählt, und damit im Sprachlichen zugleich bewahrt und ausgestrichen. Optisch wahrnehmbare wird zur gedachten, zur erzählten Visualität.
Die Fragestellung ist an der Schnittstelle zahlreicher Diskurse situiert (Ekphrasis, Imagination, Mimesis, Paragone, Idolatrie/Ikonoklasmus, Adaption), Modelle der Zeichentheorie, der Inter- und Transmedialitätstheorie sowie spezifischer Medientheorien bieten ebenso Anknüpfungspunkte wie Theorien der Intertextualität, die sich im visuellen Bereich auch als Ikonographie oder Genre fassen lässt. Die Frage nach dem Transparentwerden der Bilder oder ihrer Auflösung in Bedeutung spricht Diskurse der Immersion ebenso an wie der Melancholie und Theorien des Unbewussten. Zu den angrenzenden Untersuchungsfeldern zählen außerdem die Materialität der Schrift (Handschrift/Signatur, Kalligraphie, Rebus) und Störphänomene wie etwa Verzerrung, Blindheit und Wahnsinn. In den letzten Jahren werden diese Fragen über den Begriff der Visualität verhandelt. Wir wollen darauf aufbauend diskursübergreifend nach Methoden und Figuren fragen, die Bildobjekte und Texte unter diesem Aspekt beschreibbar machen.
Uns interessiert dabei, wie neue Konzeptionen von Text und Bild die Ausgangsfragestellung beeinflussen, die diese Forschungsgegenstände als Diskursschnittstellen, als politisch vereinnahmt, in sich gebrochen und in ihrem dekonstruktiven Potential begreifen. Wie lassen sich die vorausgehenden Theorien vor diesem Hintergrund wiederlesen?
Auch eine räumliche Perspektive auf die betrachteten Phänomene und Fragestellungen scheint uns wesentlich: Wie und wo lässt sich Raum im Text, Gemälde oder Film verorten, wo wird er im Bild sichtbar, wo zwischen den Bildern oder über die Beziehung zum Außenraum konstruiert, und wie wird er durch Blickbeziehungen konstruiert oder werden diese in ihn eingeschrieben? Ebenfalls relevant erscheint uns die Rolle von Emotion in Signifikationsprozessen: Wie hängt diese mit dem visuellen oder sprachlichen Signifikanten zusammen, ergibt sich hier eine Möglichkeit, die oft beschworene Bild-Text-Dichotomie zu komplizieren? Auch eine politische Dimension soll mitgedacht werden, hier bieten Gender und Postcolonial Studies zentrale Anknüpfungspunkte: Die materiellen Produktionsbedingungen des Kinos sind hier ebenso angesprochen wie den Blickbeziehungen und Raumbeziehungen eingeschriebene Hierarchien.
Wir wollen in diesem Workshop versuchen, eine geeignete Verbindung zwischen theoretischer Abstraktion und konkreter Analyse zu finden: Wir freuen uns über Beiträge, die einzelne Arbeiten aus Film und Bildender Kunst sowie literarische und philosophische Texte in genauer Analyse auf ihre Struktur und die sich daraus ergebenden theoretischen Implikationen hin befragen, geeignet scheinen uns hier Filme, Photographien, Objekte der Bildenden Kunst oder Texte, die besonders ungewöhnlich oder besonders präzise bestimmte Signifikations- oder Übertragungsprozesse des Visuellen zeigen oder inszenieren. Diese sollten im 19. bis 21. Jahrhundert entstanden sein, begründete Ausnahmen sind allerdings ebenfalls willkommen. Vorstellbar wären beispielsweise Beiträge mit Rücksicht auf die folgenden Fragestellungen:
(Audio-)visuell basierte Gegenstände
Textuell basierte Gegenstände
Theoretische Reflexionen
Die Teilnehmer präsentieren ihre Beiträge in öffentlichen Vorträgen von ca. 30 Minuten (mit anschließender 15-minütiger Diskussion), in zwei geschlossenen Seminarsitzungen soll außerdem die Thematik anhand ausgewählter Texte diskutiert werden. Bitte senden Sie Ihr Abstract (200-400 Wörter) mit einer Kurzbiographie (max. 300 Wörter) bis einschließlich 1. Januar 2017 an die folgenden beiden Adressen: katharina.rajabi@germanistik.uni-muenchen.de und katharina.simon@campus.lmu.de. Rückfragen zu Themenvorschlägen sind natürlich jederzeit möglich.
Fahrt- und Übernachtungskosten können im Rahmen des Budgets übernommen werden.