Call for Papers

Call for Papers: Symposium: Mobilität und Naturerfahrung im 19. Jahrhundert – Landschaftsmalerei, eine Reisekunst? vom 3. bis 5. Juli 2015 in München

Das Symposion zur Landschaftsmalerei als Reisekunst nimmt ihren Ausgangspunkt von der Sammlung europäischer Landschaften und Ölstudien der Christoph Heilmann Stiftung, die sich seit 2013 als Dauerleihgabe in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus befindet. Zugleich knüpft es an die reiche Tradition der Münchner Landschaftsmalerei an, wie sie sich schon früh unter Max I. Joseph und besonders unter dem Kunstkönig Ludwig I. entfalten konnte. Einreichungsfrist für Abstracts: 22. Dezember 2014

In kaum einer zeitgenössischen Biographie der immer zahlreicher werdenden Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts wird auf eine ausführliche Schilderung ihrer Reisen in nah und fern verzichtet. Der Landschaftsmaler besaß zwar meist ein festes Atelier in der Stadt, zugleich zeichnete ihn aber eine hohe Mobilität aus. Unter dem neuen Vorzeichen eines möglichst unmittelbaren Kontakts zur Natur, zur Erkundung ferner Regionen und deren Menschen konnte er sich nicht mehr wie früher auf druckgraphisch vermittelte Ansichten und einen Kanon idealer Kompositionen verlassen. Wie sehr zu dieser Zeit das Reisen zur künstlerischen Aus- und Identitätsbildung des Landschaftsmalers gehörte, bezeugt insbesondere der Blick in die zahlreich entstehenden Handbücher zum Erlernen der Landschaftsmalerei, wie jenes des führenden französischen Landschafters Pierre-Henri Valenciennes. Zu keiner anderen Epoche unterlag der Landschaftsmaler, der sich nicht mehr als Vertreter einer untergeordneten Gattung verstanden wissen wollte, einem solchen Mobilitäts-Paradigma (oder gar: -Diktat) wie im 19. Jahrhundert. Selbst die Emergenz einer neuen Gattung ist damit zu verbinden: die gut transportierbare und schnell herzustellende, gleichwohl auf differenzierte Farbwahrnehmungen setzende Ölstudie. Durch ihre flüchtige Malweise konnten sie der in Tages- und Jahreszeiten sowie wechselnden Wettersituationen sich ständig verändernden Natur gerecht werden. Zugleich transportierte ihr Duktus die reisebedingte Dynamisierung der Wahrnehmung und konnte den Ansichten eine neue Authentizität verleihen.

Das Symposion beabsichtigt, in europäischer Ausrichtung auf den Aspekt der Landschaftsmalerei als Reisekunst zu fokussieren. Die Reisetätigkeit, wie sie zunächst in Form des Grand Tour-Tourismus dem Adel vorbehalten geblieben war, wurde um 1800 von breiteren Schichten aufgegriffen – im Zuge des romantischen Kunstdiskurses gerade auch von Dichtern und Künstlern – und erfuhr mit zunehmender Beschleunigung im Laufe des 19. Jahrhunderts einen immer weiter reichenden Radius: vom Spaziergang, der Wanderschaft und Kutschfahrt bis hin zur Reise per Eisenbahn und Schiff. Die großen Ateliers der Historienmaler stellten einen statischen Schaffensort in den sich zu pulsierenden Metropolen entwickelnden Städten dar. Demgegenüber erweist sich die Landschaftskunst der Zeit als Gegenmodell. Im Vergleich zu den immer aufwendigeren Überformaten der Atelierkunst tendiert sie zur Intimität und fand im "paysage intime" ihre zukunftsweisende und schließlich in die Landschaftskunst des Impressionismus mündende Form. Mit den neuen Transportmöglichkeiten bildeten sich gleichsam "mobile Ateliers" (tragbare Malkästen, bestückt mit haltbaren Tubenfarben und Malkartons) heraus. Diese konnten in weite Ferne (Italien, Griechenland, Nordafrika etc.) oder im Sinne einer eher nationalen Ausrichtung vor die Tore der Städte in heimatliche Regionen (Paris / Barbizon, München / Voralpenland etc.) mitgenommen werden.

Die Künstlerreise im fürstlichen oder diplomatischen Auftrag blickt auf eine lange Tradition zurück. Demgegenüber gilt es zu fragen, inwiefern sich mit der Romantik, der Genieästhetik, den antiakademischen Strömungen und vor allem auch vor dem Hintergrund der großen politischen Umbrüche neue Motivationen für die Reiselust der Künstler ergaben. Obwohl an vielen Orten für die Landschaftsmalerei die ersten eigenständigen Professuren eingerichtet wurden, verließ die Landschaftsmalerei dennoch rasch wieder die akademischen Hallen, um sich jenseits hierarchischer Strukturen im Austausch der Künstler untereinander und im unmittelbaren Kontakt zur Natur zu entfalten. Die Dynamiken des Reisens prägten die Dynamiken der wechselseitigen Anregung der Landschaftsmaler, so dass sich das Landschaftsbild zu einer europäischen Kunstform par excellence herausbilden konnte. Diesen Vernetzungen möchte die Tagung nachspüren und zugleich einen Beitrag zur Erforschung des Technik- bzw. Kulturtransfers bieten. Welche Rolle nahmen bestimmte Kunstzentren wie Paris und Rom ein? Wann kamen neue Landschaftszentren wie München etc. hinzu und welche Künstler spielten eine Schlüsselrolle in der Vermittlung?

Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Eigenschaften und Funktionen der Ölstudien zu ihrer schnellen Verbreitung und damit dem "paysage intime" zu seiner Erfolgsgeschichte verhalfen: Dienten sie als bloße Souvenirs, in einem übergreifenden Sinn als Gedächtnismedien für die Arbeit im heimatlichen Atelier oder aber zur Erprobung und Habitualisierung der malerischen Übersetzung des unmittelbar Gesehenen ins zweidimensionale Bild? Welche gegenseitigen Anregungen und Konkurrenzen ging die Ölskizze als Gedächtnismedium mit der
traditionellen Zeichnung ein, aber auch mit den neuen Medien wie der frühen Landschaftsfotografie? Wie kamen die reisenden Maler zu ihren wichtigen Farbmitteln und erhielten Nachricht über lohnende Reiseziele? Welche Lebensbedingungen zeichnete ihre besondere Künstlerexistenz aus, wie konnten sie in der Ferne ihren Lebensunterhalt bestreiten, wenn sie nicht Teil einer finanzierten Reisegesellschaft auf Kavalierstour waren? Welche Rolle spielten die Ölstudien innerhalb des Künstleraustausches, d.h. wurden sie als Geschenke und/oder als Arbeitsmittel an Kollegen und Schüler weitergereicht? Welchen Geschmackswandel bewirkten sie und wann wurden sie salon- bzw. marktfähig?

Die Tagung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus möchte das Thema interdisziplinär und mit vielfältigem Perspektivwechsel aufgreifen und der Diskussion großzügigen Raum bieten. Der Aufruf wendet sich an Kunst- und Kulturhistoriker, Literaturwissenschaftler, Kunsttechnologen, Wissenschaftshistoriker etc.

Vorschläge (max. 3.000 Zeichen) für ein ca. 20minütiges Referat schicken
Sie bitte an info@Christoph-Heilmann-Stiftung.de

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