Call for Papers

Call for papers: XXXI. Deutscher Kunsthistorikertag in Würzburg zum Thema Genius Loci

Der 31. Deutsche Kunsthistorikertag wird vom 23. bis 27. März 2011 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg stattfinden. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. und das Institut für Kunstgeschichte der Universität Würzburg sind die Veranstalter und Organisatoren dieses Kongresses. Einsendeschluss für Exposés: 25. Mai 2010

In Würzburg und seiner Region ist seit dem frühen Mittelalter in bemerkenswerter Dichte und Kontinuität eine häufig internationalen Maßstäben standhaltende Kunsttätigkeit möglich gewesen. Dieses reiche und vielschichtige Patrimonium hat die Sektionsthemen provoziert. Sie nehmen dezidiert von solchen Aspekten der Würzburger Kunstgeschichte ihren Ausgang, die in weitere Horizonte führen und damit prinzipielles Interesse beanspruchen, zugleich neue Einsichten und methodische Reflexion fördern können. Besonders willkommen ist, daß dabei wichtige Arbeitsbereiche diskutiert werden, die auf Kunsthistorikertagen bislang kaum vertreten waren. Auch die Problematisierung des heutigen und künftigen Umgangs mit dem Erbe und nicht zuletzt unsere Verantwortung für die bildungspolitischen Voraussetzungen drängen sich in einer Stadt wie Würzburg geradezu auf. Das Motto beschwört also in erster Linie die gewiß inspirierende Substanz der Würzburger Kunstgeschichte, mit der sich zu konfrontieren auch Orts- und Museumstermine, Ausstellungen und Exkursionen Gelegenheit geben werden. Es regt darüber hinaus die Auseinandersetzung mit der Frage an, wie wir uns in Zeiten einer sich an globale, manchmal ortlos verschwimmende Weiten gewöhnenden Kunstwissenschaft der Herausforderung des historisch gewachsenen, komplexen Systems einer lokalen Identität angemessen stellen können.

Interessierte Kolleginnen und Kollegen sind herzlich aufgefordert, ihr Exposé (1-2 Seiten) an die Geschäftsstelle des VDK zu senden.

Die Auswahl der Vorschläge (pro Sektion sind fünf 30-minütige Vorträge möglich) nehmen in gemeinsamer Sitzung die Sektionsleiter/innen und die Vorstandsmitglieder vor.

Weitere Informationen

Sektionen:

  • Früh- und hochmittelalterliche Buchmalerei

Würzburg war seit Gründung des Bistums im 8. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum der Buchmalerei, wie illuminierte Handschriften des 8. und 9. Jahrhunderts belegen; bekannt sind illuminierte Handschriften aus Würzburg ebenso aus ottonischer Zeit wie aus dem 13. Jahrhundert. Der Tagungsort lädt zur Frage ein, welche Bedeutung Kathedrale und Klöstern bei der Buchproduktion von der ottonischen Zeit bis ins ausgehende 12. Jahrhundert zukam und welche Anregungen dabei berücksichtigt wurden. Neben den Problemen von Stil und Ikonographie rückten in den letzten Jahren in der Forschung zur Buchmalerei vermehrt auch Fragen zur Funktion des Buchschmucks und zur Organisation und Arbeitsweise von Ateliers in den Blick. Neue Fallbeispiele können die vielfach ungeklärten Entstehungsbedingungen von Handschriften im Hoch- und Spätmittelalter weiter erhellen. Welche Rolle spielen laikale, nicht bei geistlichen Gemeinschaften angesiedelte Buchmalerateliers in den Städten? Inwieweit kam es zu Herstellung und Buchschmuck unter Bedingungen von Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung? Welche Verbindungen – Beziehungen, Abhängigkeiten, Differenzen – gibt es in dieser Zeit zwischen Buchmalerei und Wandmalerei?
Wolfgang Augustyn, München / Fabrizio Crivello, Turin

  • Dekorationssysteme für repräsentative Profanräume im Mittelalter. Kontexte – Bildformen – Traditionslinien.

Der Tagungsort bietet mit dem sog. Wenzelsaal in dem bis heute als Rathaus genutzten Amtssitz des bischöflichen Schultheißen von Würzburg ein herausragendes Denkmal für die Ausstattung von Repräsentationsbauten in hochmittelalterlicher Zeit. Dies sollte Anlaß sein, die in der Forschung noch immer zu wenig präsenten Fragen nach den Dekorationssystemen für Profanbauten im Mittelalter auf eine breitere Materialbasis zu stellen. Dazu können Schriftquellen zu den Bildprogrammen von Abts- oder Bischofspfalzen im frühen und hohen Mittelalter ebenso beitragen wie Befunde zur Ausstattung von Adelssitzen oder Patrizier- und Bürgerhäusern des Spätmittelalters. In methodischer Hinsicht sollten Aspekte des Raumbezugs und der Raumbindung von Bildern und Zyklen Berücksichtigung finden, aber auch nach regionalen wie zeitlichen Schwerpunkten in der Verteilung religiöser oder profaner Bildthemen wäre in diesem Kontext zu fragen. Formen der Selbstdarstellung sowie Fragen der Herrscherrepräsentation können dabei ebenso ins Zentrum gerückt werden wie die vielfältigen Lösungen für Raumfiktionen und illusionistische Öffnungen nach außen. Ferner sollte der Rolle von rahmenden und heraldischen Elementen in bilderlosen Dekorationssystemen der gebührende Platz eingeräumt werden. Besonders willkommen sind darüber hinaus Untersuchungen zum Anteil von Bildteppichen und textilen Ausstattungselementen am Gesamtprogramm. Mit einem Ortstermin im Wenzelsaal und einer Exkursion zur Gamburg sollen die regionalen Beiträge zum Sektionsthema eine angemessene Beachtung finden.
Matthias Exner, München / Harald Wolter von dem Knesebeck, Bonn

  • Spätmittelalterliche Skulptur: Stilerneuerung und Stiltradition

In den Forschungen zur spätmittelalterlichen Skulptur sind Stilfragen nach wie vor von großer Bedeutung. Neuentdeckte, neubestimmte oder aufwendig restaurierte Werke verändern fortwährend das gewohnte Bild. In Würzburg soll vor dem Hintergrund des „Riemenschneider-Kultes“ eine aktuelle Standortbestimmung vorgenommen werden, wobei außer den Vorträgen in der Sektion auch Ortstermine vor ausgewählten Objekten angeboten werden. Im Zentrum sollen Fragen rund um den „Individualstil“ stehen: Fragen der Stilbildung, der Stilwahl und des Stilbewußtseins sowie des internationalen Renommees einzelner Künstler (Prager Bildhauer um 1400, Nikolaus Gerhaert, Veit Stoß). Kontinuitäten und Diskontinuitäten können aufgezeigt, gängige Entwicklungsmodelle überprüft werden. Gefragt wird auch nach dem Weiterwirken von Traditionen, nach der Verpflichtung eines Bildhauers auf bestimmte Vorbilder seitens der Auftraggeber. Außerdem soll die regionale Einbindung des Künstlers thematisiert werden, so daß sich die Gelegenheit zu einer kritischen Reflexion über den Begriff der „Kunstlandschaft“ ergibt. Erwünscht sind Beiträge zum gesamten Themenspektrum. Dabei reicht die vorgesehene Zeitspanne von etwa 1350 bis 1530. Gedacht ist an eine Konzentration auf den deutschsprachigen Raum, doch sind Beiträge zum Austausch mit den Nachbarländern ebenso willkommen.
Julien Chapuis, Berlin / Claudia Lichte, Würzburg / Ulrich Söding, München

  • Um 1530

Die Periodisierung der europäischen Kunstgeschichte zwischen dem mittleren 14. und dem frühen 17. Jahrhundert ist heute offener denn je. Die in den vergangenen zwanzig Jahren intensivierte Erforschung der nordalpinen Renaissance hat die Epochengrenzen zusätzlich relativiert. Ziel der Sektion ist es nicht, den Renaissancebegriff neu zu diskutieren oder alternative Periodisierungstheorien zu entwickeln, sondern eine in der Kunstgeschichtswissenschaft vielfach explizit oder implizit gesetzte, doch selten explizit reflektierte Zäsur zu prüfen: „Um 1530“. Der mittlerweile hohe Forschungsstand hinsichtlich des innereuropäischen Kulturtransfers und der Rezeptionsgeschichte dürfte es heute ermöglichen, die mutmaßliche Zäsur im gesamteuropäischen Spektrum zu befragen. Die historischen Ereignisse, die künstlerischen Austausch – sowohl Aufnahme wie Abgrenzung ¬–begünstigen, sind zwischen der Schlacht von Pavia 1525 und dem Einzug Karls V. in Rom 1536 von großer Dichte; der Sacco di Roma 1527, der protestantische Bildersturm, die Krönung Karls V. in Bologna 1530 und die Confessio Augustana vom selben Jahr seien stellvertretend genannt. Was aber ändert sich aus der Sicht der heutigen Forschung in Bildkünsten und Architektur? Ist in den Jahren um 1530 ein Umbruch zu konstatieren, der die Kunstgeschichte südlich und nördlich der Alpen gleichermaßen betrifft, auch wenn stilistische Verschiebungen unverkennbar bleiben? Läßt sich um 1530 von einem besonders hohen Innovationspotential oder einem ästhetischen Paradigmenwandel sprechen? Ist „um 1530“ eine valable Zäsur?
Nicole Riegel, Würzburg

  • Barocker Schloßbau in Süddeutschland

Die Fülle und der Variationsreichtum süddeutscher Schlösser der Barockzeit entsprechen der Vielfalt der politischen Landkarte Süddeutschlands im 17. und 18. Jahrhundert. Infolge des künstlerischen Wettstreits vieler das kulturelle und künstlerische Leben bestimmender Kräfte sind nicht nur in den bedeutenden Territorien Süddeutschlands, wie in Baden, Bayern und Württemberg, sondern auch in den vielen weltlichen und geistlichen Duodezfürstentümern wichtige Barockschlösser entstanden, von denen einige sogar zu den glanzvollsten der Epoche zählen. Die Erforschung dieser Bauten, die seit etwa einem Jahrhundert in Gange ist, konzentrierte sich bisher vor allem auf Probleme der Zuschreibung an einzelne Architektenpersönlichkeiten, insbesondere im Zusammenhang der sog. „kollektivistischen“ Planungsmethode des Spätbarocks, ferner auf die Typologie und nicht zuletzt auf stilistische und städtebauliche Aspekte. Wenn auch hier noch längst nicht alle Fragen beantwortet sind, so hat sich doch in den letzten Jahren das Forschungsinteresse auf weitere Fragenkomplexe ausgedehnt, die in der Sektion vorrangig behandelt werden sollten: Im Zuge der Erforschung der höfischen Kultur allgemein und insbesondere der höfischen Zeremonialkultur verfolgt die jüngere Forschung zum Beispiel den Zusammenhang zwischen der Raumkonzeption bzw. dem Raumprogramm eines Schlosses und den Anforderungen an das höfische Zeremoniell, das sich je nach Fürstenhof durchaus recht unterschiedlich gestalten konnte. Überhaupt gilt Fragen der Funktion, d. h. der Nutzungsanforderungen an das Schloß, und deren Zusammenhang mit der formalen Gestaltung des Bauwerks seit einigen Jahren das besondere Interesse der Residenzen-Forschung, wobei wiederum grundsätzlich nach den verschiedenen Schloßtypen (z. B. Stadtschloß, Lustschloß etc.) zu differenzieren ist. Nach wie vor verdient auch das Planungsprozedere große Aufmerksamkeit; denn fraglich ist, ob das Modell eines „kollektivistischen“ Prozesses, so wie es vor etwa 90 Jahren postuliert wurde, noch als Erklärungsmuster für die vielgestaltigen Planungsvorgänge, denen ein Schloß unterworfen war, tauglich ist. Die Logistik der baulichen Realisierung bis hin zur technischen Infrastruktur (wie z. B. Wasserversorgung, Abwässerentsorgung, Sanitäranlagen, Entlüftung, Beheizung usw.) ist eine weitere mögliche Fragestellung der Sektion. In den Blickpunkt des Interesses geriet durch die jüngere Forschung auch die ikonographische Aussage der Bauten, wie sie sich etwa in der Bauplastik und der Ausstattung der Räumlichkeiten niederschlug. Nicht zuletzt finden Fragen des ästhetischen Maßstabs und des sog. „Anspruchsniveaus“ verstärkte Aufmerksamkeit. Zu all den genannten Aspekten sind Vorschläge für Referate erwünscht.
Stefan Kummer, Würzburg

  • Legitimation durch Fiktion. Neue Forschungen zur Kunst der Repräsentation in profanen Bildprogrammen der Frühen Neuzeit

Die Sektion möchte neue Forschungsansätze sondieren, die jenseits der „patronage studies“ Alternativen zu einem bloß funktionalistischen Verständnis profaner Ausstattungsprogramme entwerfen. In der profanen Ausstattungskunst von Raffael bis Tiepolo wird Einzelpersonen oder Institutionen im Medium des Bildes – vorzüglich unter Rekurs auf antike Mythologie und Geschichte – eine Legitimation verschafft, die aus der Erfahrungsrealität nicht zu gewinnen war. Die Fiktion ist der Schlüssel zur legitimierenden Aufgabe der Kunst, die dafür seit der Hochrenaissance eine eigene, ‚selbstbewußte’ Wirklichkeit konstituiert. Welcher Art ist diese neue Dualität von Autonomie und Heteronomie der Malerei? Wie ist es zu erklären, daß ihr Vermögen, sich selbst die Gesetze zu geben, sich gerade in einer Epoche entfaltet, in der die Malerei wie nie zuvor im Dienst von Repräsentation und Affirmation steht? Wie werden aus propagandistischen Programmen „Denkmäler eines höhern Seins“ (J. Burckhardt)? Und welche künstlerischen Mittel waren notwendig, damit das Kunstwerk überhaupt zu einer Wirklichkeit eigener Ordnung werden konnte – einer Wirklichkeit, die zwar viele Verbindungen zur real-kontingenten Sphäre des Betrachters aufweist, aber daneben eine souveräne Geltung besitzt, weil sie als etwas Gestaltetes (etwas Fiktionales) ein ‚Reich für sich’ behauptet? Aus den Grundmechanismen, die zur Eigenwirklichkeit des Bildes in profanen Dekorationen beitrugen, ergeben sich mögliche Arbeitsfelder der Sektion: Rahmensysteme und Fiktionalisierung; Gestaltung nach ornamentalen Prinzipien; Unnahbarkeit und Zugänglichkeit des Bildes; Abgrenzung zu sakralen Bildprogrammen; Mythologie und Idealisierung; Mythologie und Allegorisierung.
Damian Dombrowski, Würzburg

  • Interieur

Forschungen der letzten Jahre, die nach den situativen Kontexten und/oder nach dem performativen Gebrauch von Kunstwerken fragten, haben dabei gelegentlich auch die lange vernachlässigten angewandten und ephemeren Künste wieder in den Blick genommen. Architekturstudien, die das Funktionieren eines Bauwerks oder seine zeitweilige, einem bestimmten Anlass dienende Transformation untersuchten, haben dabei mit Gewinn nicht nur die baulichen Gegebenheiten, sondern auch die Ausstattung berücksichtigt. Studien zum Themenkreis von Ritual und Zeremoniell evozierten auch die Räume und die Gegenstände, die für deren Vollzug benötigt wurden. Offenbar ist das Konzept „Interieur“ geeignet, Strategien für die Wirksamkeit und unterschiedliche Modi der Rezeption von Kunstwerken zu erschliessen. Die Sektion „Interieur“ will den diversen Gattungen der angewandten und der ephemeren Künste ein Forum bieten und dabei vorrangig nicht Einzelobjekte thematisieren, sondern Ensembles, zumal solche, die Räume konstituieren bzw. für spezifische Situationen konfigurieren. Das Themenfeld umfasst die Analyse oder Rekonstruktion überlieferter Interieurs, die Bestimmung ihrer konstitutiven Elemente und deren Verhältnis zueinander, ihr Funktionieren im situativen Kontext, die Frage nach den Akteuren (Auftraggeber, Künstler/Kunsthandwerker, Nutzer), Konzepte von Neu- und Umnutzungen sowie das Verhältnis von Tradition und Innovation (etwa wenn überlieferte Elemente einem neukonzipierten Interieur eingegliedert oder zum Ausgangs¬punkt einer Neugestaltung werden). Andere Fragestellungen sind natürlich ebenfalls willkommen.
Birgitt Borkopp-Restle, Bern

  • Quellenprobleme der Gartenkunstgeschichte

Gartenkunst bedarf als kunsthistorischer Forschungsgegenstand auf besondere Weise einer Problematisierung des Quellenbestandes, da es sich bei Gärten um künstlerische Artefakte handelt, denen eine permanente Veränderung und damit einhergehend ein beständiger Substanzverlust eignet. Wie bei keiner anderen Gattung ist die gartenkunsthistorische Forschung und gleichermaßen die Gartendenkmalpflege bereits bei der Konstitution ihrer Gegenstände auf Sekundärquellen angewiesen: Zeichnungen, Gemälde, Druckgraphiken sowie Pläne auf der einen und Textzeugnisse (Garteninventare, Gartenführer, Gartenbeschreibungen etc.) auf der anderen Seite. In einem hohen Maß fungieren Bilder und Texte in einem solchen Gattungsrahmen nicht nur als Reproduktionsmedien mit stabiler Referenz, sondern auch als Dokumentationsmedien. Bild- und Textmedien sind jedoch von einem Eigenleben bestimmt, normativen Mustern wie Genreansprüchen und funktionalen Erwartungen unterworfen, die den Zeugnischarakter unterlaufen. Ziel der Sektion ist es, die Auseinandersetzung mit gartenkunsthistorischen Quellen bild- und textwissenschaftlich sowie diskursanalytisch zu fundieren. Erwünscht sind Beiträge, die den spezifischen Quellenwert von bildlichen und textlichen Gartendarstellungen und Gartenkunsttheorien, aber auch von archäologischen Artefakten reflektieren und die als Quellen in Frage kommenden Dokumente kritisch und exemplarisch systematisieren. Die Fokussierung auf kunsthistoriographische Fragen im engsten Sinne soll auch dazu anregen, die oft marginalisierte Gattung Gartenkunst dezidiert als kunsthistoriographisches Themenfeld in Anspruch zu nehmen.
Stefan Schweizer, Düsseldorf

  • Zeichnung in Kunst und Wissenschaft. Zwischen Darstellungsmedium und Erkenntnisinstrument

Die Zeichnungsforschung fand in den letzten Jahren nach einer langen, fruchtbaren Phase eher peripherer Expertenneugier in die Mitte der Kunstgeschichte und des zeitgenössischen Diskurses zurück. Sie hat insbesondere auf drei Gebieten spektakuläre Fortschritte gemacht: (1.) in der kennerschaftlichen Erschließung und Neubewertung bedeutender Künstler-Zeichnungen, darunter so hochkomplexer wie umstrittener Œuvres wie die von Michelangelo und Rembrandt, (2.) in der Erkundung zentraler Erkenntnisinstrumente der neueren Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte sowie schließlich (3.) im Prozeß eines sich erweiternden Kunstbegriffs und Kunstbetriebs, in dem die Zeichnung ihrer strukturellen Offenheit wegen zu einem Leitmedium avancierte. So sind exemplarische, methodisch reflektierte Beiträge zu folgenden Themenfeldern willkommen:

(1) Historische Typologie, Funktion und Graphologie der Zeichnung / Geschichte der Zeichnungsforschung / Aporien der Kennerschaft - „Kennerschaft“ heute / das „vergleichende Sehen“ / Memorial- und Differenzierungsleistungen - neurowissenschaftliche Aspekte der Kennerschaft
(2) Fundamentalbegriff Disegno / Die Zeichnung im Universum der Forschung und der Wissenschaften, u. a. in der Natur- und Völkerkunde, der Psychologie, Anthropologie und Morphologie, der Geschichtswissenschaft (iconic turn), der Kunstgeschichte.
(3) Entgrenzung: Die „unklassische“ Zeichnung / neue Formen der Bilderzählung (Manga, Comic, Zeichentrick- und Digitalfilm) / internationale Metazeichen (Graffiti, Piktogramm, technische Illustration) / diskursive „Räume der Zeichnung“ / Zeichnungen in Raum und Zeit (Licht, Laser, Hologramm, Feststoff-Linien) / Zeichnung als life skill: das Kind, der Dilettant, Du und Ich (jeder Mensch ist ein Zeichner).

Der Sektion geht einer der offenen Ortstermine voraus. Unter dem Motto draw in – teach in können sechs Teilnehmer/-innen des Kunsthistorikertages einen jeweils 15-minütigen Impulsvortrag vorbereiten, in dem sie ihre Thesen über ein Werk der Graphischen Sammlung des Martin-von-Wagner-Museums vor dem Original zur Diskussion stellen. Auch von diesen Beiträgen wird eine exemplarische Note, eben ein Impuls für die Zeichnungsforschung und ihre Methodik erwartet. Erwünscht sind Zuschriften sowohl für Vorträge in der Hauptsektion als auch kürzere Exposés für den Ortstermin.
Heinrich Schulze Altcappenberg, Berlin

  • Architekturzeichnungen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert: Verführung zum Bauen

Die Sektion widmet sich einem lange vernachlässigten Thema, das aber in letzter Zeit vor allem als Bindeglied zwischen Technik und Kunstgeschichte zunehmend Interesse findet. Die Architekturzeichnung nimmt unter den Handzeichnungen eine Sonderstellung ein. Ihr technischer Charakter führt oft zu einer Unterbewertung der künstlerischen Qualität; sammlungsgeschichtlich hat sie daher einen anderen Stellenwert als die figürliche Zeichnung. Für den Architekten ist die Zeichnung das Medium des Entwurfs wie der Vermittlung. Das Spannungsverhältnis zwischen Bautechnik und künstlerischem Impuls führt zu einem komplexen Referenzsystem von Visualisierungs- und Kommunikationsstrategien vor allem im Bereich der Präsentationszeichnung. Wie entwickelte sich die zunehmende Ästhetisierung der Zeichnungen? Wie ist das Verhältnis von eventuell wechselseitigem Einfluß der Illustrationen topographischer Stichwerke auf die Präsentationszeichnung? Entsteht durch den zunehmenden Bildcharakter der Zeichnungen im Verlauf des 18. Jahrhunderts ein Verlust an Funktionalität? Wie wirkt sich die Entwicklung der technischen Zeichnung auf die Architekturzeichnung aus? Wie reagiert eine Zeichenkunst, die der orthogonalen Darstellung verpflichtet ist, auf die Unmöglichkeit, komplexe kurvierte Räume wiederzugeben? Welchen Stellenwert erhält die Vermittlung sozialer Utopien durch die Architekturzeichnung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts?
Elisabeth Kieven, Rom

  • Stadtbaukunst: Zerstörung und Wiederaufbau

Der Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs prägt bis heute viele unserer Städte. Allerdings läßt sich in jüngerer Zeit vielenorts eine erneute Überformung der Stadtstruktur feststellen, die sich oft an älteren Paradigmen der sog. Europäischen Stadt orientiert, dabei aber nicht selten Qualitäten der Wiederaufbauplanung negiert. Der Tagungsort, an dem gegenwärtig solche Prozesse virulent sind, soll daher Anlaß sein, um nach den Planungen von städtebaulichen Umgestaltungen für, im und nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Projekten, Ideen, Protagonisten und Akteuren zu fragen. Zu diskutieren sind Konzepte des Wiederaufbaus: von der Rekonstruktion oder angepaßten Erneuerung der alten Stadt bis hin zur willkommenen Chance zum Neubeginn. Gefragt wird aber auch nach der Wirkungsgeschichte des Wiederaufbaus: Welche Chancen und Defizite haben aus den Wiederaufbauplanungen resultiert, wie beurteilte man die Planungen in den Jahrzehnten danach und wie werden sie heute gesehen, wie geht man mit ihnen um?
Vorausgesetzt wird von den Referent/innen dieser Sektion die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Vorbereitungstreffen im Herbst 2010, um aus gegebenem Anlaß die Fragestellungen der Sektion am Beispiel von Würzburg mit den lokalen Akteuren zu diskutieren.
Hans-Rudolf Meier, Weimar

  • Kunstgeschichte und Bildung

Zahlreiche kunsthistorische Institute bzw. Professuren sind für den fachwissenschaftlichen Anteil in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung für das Fach Kunst (mit) zuständig. Hier findet das Studium künftiger Lehrerinnen und Lehrer zu den Themen und Bereichen der Bildkompetenz, der Vermittlung des kulturellen Erbes, der schichtenübergreifenden Hinführung zur Teilhabe an den kunsthistorischen Schätzen in den Museen und in den Städten, der Verankerung der Denkmalpflege in der schulischen Bildung etc. statt – oder es sollte dies zumindest. Zugleich sind in aller Regel keine Kunsthistoriker an der Ausgestaltung von Bildungsplänen und -standards sowie von Curricula beteiligt. Auch nimmt das Fach keinen Einfluß auf die Ausformulierungen von Fachdidaktiken, Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien. Damit aber prägt es – im Unterschied zu beinahe allen anderen Fächern (wie Germanistik, Geschichte, die Philologien, weiter auch Mathematik, Physik, Chemie usw.) – ein entscheidendes Feld seiner gesellschaftlichen Verankerung nicht mit, sondern überläßt die Fragen von Legitimation und Inhalten Nichtkunsthistorikern.
Die Sektion „Kunstgeschichte und Bildung“ möchte nach dem Beitrag und der Verantwortung der Kunstgeschichte in Bildungsprozessen fragen. Exemplarische Fragen sind: Soll es einen Kanon geben? Soll kunsthistorisches Wissen als Kulturvermittlung oder auch als Wissenschaftspropädeutik unterrichtet werden? Wie kann Kunstgeschichte in einem Einwanderungsland aussehen? Welche Rolle soll die vormoderne Kunst spielen und gehört mittelalterliche Kunst in die Schule (gegenwärtig werden zahlreiche Kunstgeschichtsprofessuren in der Lehrerbildung umgewidmet in Professuren für Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts)? Wie lassen sich Werke der abendländischen Kunstgeschichte (der Kölner Dom etwa) an muslimische Kinder vermitteln? Ist das Studium der Originale unerläßlich – müssen also außerschulische Lernorte verpflichtend gefordert werden? Sollen nur noch „Bilder“ behandelt werden (wie zunehmend in den politischen Vorgaben zu beobachten) – oder auch Architektur und Raum? Gewünscht sind sowohl grundsätzliche und übergreifende Beiträge wie die Diskussion von exemplarischen Einzelfragen.
Barbara Welzel, Dortmund

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