Ausstellungsbesprechungen

Caspar David Friedrich, Die Erfindung der Romantik

32 Jahre mussten vergehen, bis Hamburg in einer beeindruckenden Schau wieder den Erfinder der Romantik in der Malerei feiert: Caspar David Friedrich (1774–1840). Mehr als 70 Ölgemälde und etwa 120 Zeichnungen, Sepien und Aquarelle geben Aufschluss über die künstlerische Bedeutung seines Werks. Eine große Anzahl der präsentierten Meisterwerke kommt aus den vier bedeutendsten Friedrich-Sammlungen der Welt: neben Hamburg sind das Berlin, Dresden und St. Petersburg; insgesamt sind rund 50 Museen und Privatsammlungen mit Leihgaben beteiligt.

Zu den Glanzstücken der Ausstellung gehören der „Morgennebel im Gebirge“ (Museum Schloss Heidecksburg, Rudolstadt), „Riesengebirgslandschaft“ (Staatliches Puschkin-Museum der bildenden Künste, Moskau), „Der Morgen im Gebirge“ (Staatliche Eremitage, St. Petersburg), „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (Staatliche Kunstsammlungen Dresden) u.a.

 

Die Ausstellung war bereits zuvor sehr erfolgreich im Museum Folkwang in Essen zu sehen und lockte dort 357.000 Besucher an. In der Hamburger Kunsthalle wurde die Auswahl jedoch teilweise variiert. So sind u.a. die Gemälde „Felsenschlucht“ aus dem Wiener Belvedere, der „Osterspaziergang“ aus Madrid und der unvollendete „Friedhofseingang“ aus der Dresdener Galerie Neuer Meister dazugekommen, während auf den „Tetschener Altar“, der in eine gleichzeitige Ausstellung über deutsche Kunst nach Los Angeles ins Getty Museum verliehen wurde, verzichtet werden musste. Aus konservatorischen Gründen wurden auch 90 Prozent der Arbeiten auf Papier ausgetauscht. Als kleine Sensation ist hier eine der drei Sepien, „Der Winter“, aus dem ursprünglich vierteiligen Jahreszeitenzeiten-Zyklus von 1803 zu sehen (aus technischen Gründen leider nur die ersten sechs Wochen der Ausstellungsdauer). Sie galten seit 1945 als verschollen und sind erst seit kurzem aufgefunden und im Besitz des Berliner Kupferstichkabinetts.

 

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Ein Rundgang führt durch 13 Räume, die auch in etwa der Gliederung des Katalogs entsprechen: Auftakt – Rückenfiguren – Selbstporträts und frühe Arbeiten – Studien – Landschaften – Empfindsamkeit – Bildmotive – Komposition – Bildpaare und Serien – Erweiterte Wahrnehmung – Epilog – Ateliergeheimnisse – Ausblick. Das zentrale übergeordnete Thema ist der epochale Umbruch, den die Romantik in der Kunst wie im Denken und Fühlen des bürgerlichen Zeitalters vollzogen hat. Dabei geht es, wie der Kurator Hubertus Gaßner erläutert, weniger um die gängige Assoziation des Romantischen mit dem Gefühlvollen, Ungenauen, sondern die Schau will vielmehr den Blick für die Präzision und Modernität der Bildkonstruktion in Friedrichs Werken – u.a. unter Verwendung von Hyperbeln, Symmetrien und Gitterstrukturen, rhythmische Folgen, Bildpaaren und Serien – sowie für die bewusste Kalkulation ihrer Wirkung schärfen.

 

Unter den immer wiederkehrenden Bildmotiven in Friedrichs Werken – etwa Sonnenunter- und Mondaufgänge, verfallene Ruinen, Nebel, Meeresansichten, Schluchten und Höhlen –, die meist auch eine symbolische Bedeutung haben, spielen die Rückenfiguren eine herausragende Rolle. Sie sind ausnahmslos Betrachterfiguren, bei denen es sich immer um Personen handelt, die einsam und in Meditation im Vordergrund in der Bildmitte stehen – wie beim „Wanderer über dem Nebelmeer“ (Kunsthalle Hamburg) und der „Frau in der Morgensonne“ (Folkwang-Museum Essen) – oder zu zweit bzw. zu mehreren leicht aus dem Zentrum gerückt – etwa auf dem „Kreidefelsen auf Rügen“ (Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten, Winterthur) – und die vor ihnen liegende Natur auf sich wirken lassen. Dadurch soll sich der Betrachter des Bildes mit den dargestellten Personen und deren Stimmung identifizieren. Er reflektiert somit nicht nur das, was die Figur im Bild sieht, sondern auch sein eigenes Schauen, seinen Blick auf die Welt – eine in damaliger Zeit völlig neue Bildidee.

 

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Friedrich beschrieb sein Vorgehen selbst als künstlerische Vision und Innenschau, die er der äußeren Welt überstülpt – mit dem übergeordneten Ziel, in einer ungeordneten Welt den ursprünglichen Sinn wiederzufinden: „Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Augen zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“ Deshalb entstanden seine Gemälde in der asketischen Abgeschiedenheit seines Ateliers und nicht in der offenen Landschaft. Lediglich seine unzähligen Skizzen und Studien, die der Künstler auf seinen Wanderungen anfertigte, dienten ihm als Vorlagen.

 

Stärker noch als in der Essener Ausstellung rücken in Hamburg auch die medialen Aspekte von Friedrichs sehr modern gedachten Transparentbildern in den Vordergrund, deren technischer Aufwand und damalige Präsentation als eine Vorform des Kinos aufzufassen ist. Für Friedrich waren die Lichtspiele und Bewegungsbilder der Transparentmalerei eine Ausdrucksform, bei der das Lichtexperiment und die Möglichkeit, die Materialität der Farbe aufzuheben, wesentlich waren. Die Transparenz sah er dabei als Metapher für ein hinter dem Materiellen befindliches geistiges Wesen. Aus einigen Briefen zwischen 1830 und 1835 geht hervor, dass die Bilder – nur von hinten beleuchtet – in einem abgedunkelten Raum gezeigt werden sollten, der die Sinne auch für andere, akustische Eindrücke schärfte. So erhöhte seiner Meinung nach stimmungsvolle, scheinbar aus der Ferne erklingende Musik die Wirkung des visuellen Eindrucks und erweiterte die Wahrnehmung. Das entsprach dem damaligen Ideal eines Gesamtkunstwerks. Von ehemals mehreren synästhetischen Bildern Friedrichs sind heute nur noch zwei erhalten – „Gebirgige Flusslandschaft“ und „Ruine Oybin bei Mondschein“ –, die beide in der Kunsthalle zusammen mit weiteren Rekonstruktionen gezeigt werden. Die Hintergrundmusik stammt von dem Hamburger Professor an der Hochschule für Musik und Theater, Georg Hajdu, der sie in Anlehnung an Friedrichs Vorgaben eigens für diese Ausstellung komponiert hat.

 

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Wie aktuell das künstlerische Verfahren im Werk Friedrichs heute wieder ist, verdeutlicht die rege Rezeption durch zeitgenössische Künstler, von denen drei mit ihren Videoarbeiten vorgestellt werden: Kimsooja („Needle Woman“, 1999), Darren Almond („A –“, 2002) und Olga Chernysheva („Russian Museum“, 2003–05) greifen wichtige Bildelemente auf – etwa die Rücken- und Reflexionsfigur, die hyperbelartige Konstruktion, das Motiv der Einsamkeit oder das Interesse für Lichtphänomene –, um sie mit den Mitteln der modernen Technik weiterzuentwickeln.

 

 

 

Öffnungszeiten
Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Mo geschlossen

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