Ausstellungsbesprechungen

CC - Classic Contemporary: Julian Röder & Robert Capa, Kunsthalle Erfurt, bis 28. September 2014

Die Fotografien Julian Röders sorgen in der Erfurter Schau für einen seltsamen Moment des Innehaltens, denn irgendwas scheint hier nicht richtig. Sie zeigen Waffenmessen, Wirtschaftsgipfel und Demonstrationen. Es sind jedoch keine bloßen Reportagefotografien. Beigestellt sind Ihnen Aufnahmen der Magnum-Legende Robert Capa. Rowena Fuß hat das Gemenge erforscht.

Rauchschwaden, ein wütender Mob und eine Straße in Genua: Was wir hier mitten im schönsten italienischen Sonnenschein erblicken, sind die Ausschreitungen während des G8-Gipfels 2001. 300.000 Menschen waren damals auf den Beinen. Einer von ihnen war der Berliner Fotograf Julian Röder, der diesen Protest wie auch weitere in seiner Serie »The Summits« (2001-2008) festhielt und damit internationale Bekanntheit erlangte.

Röders Hauptaugenmerk liegt auf dem Verhältnis von Macht und Ökonomie. Er macht Transformationsprozesse sichtbar, die nicht zuletzt durch die Globalisierung ökonomischer Machtansprüche hervorgerufen oder verstärkt wurden.

Beispiel Nigeria: Durch einen rasant fortschreitenden Zuzug leben in der Stadt Lagos mittlerweile rund 21 Millionen Menschen. (Zum Vergleich: In New York City leben bloß circa 8 Millionen.) Röder beschreibt es als »modernen Moloch«, dessen größtes Problem eine Infrastruktur ist, die dem Menschenstrom nicht gewachsen ist. Dementsprechend lang ist der Stau auf einer Hauptstraße, die Röder festgehalten hat. Auf der staubigen Gegenfahrbahn stehen nah am Fahrbahnrand ein paar gelbe alte Busse. Sie sind schon stark verrostet und verbeult und passen zu dem platt gefahrenen Plastikflaschen, die ringsherum liegen, sowie den abbruchreifen Häusern dahinter. Eine zweite Aufnahme, die einen innerstädtischen Parkplatz von oben festhält, verdeutlicht noch auf andere Weise die drangvolle Enge in der Mega City.

Das tägliche Verkehrschaos, soziale Unruhen oder Waffenmessen erscheinen bei ihm in ungewöhnlicher Sichtweise. Röder changiert zwischen der Produktionsästhetik von Werbeaufnahmen und Strategien journalistischer Reportagefotografie. Diese Spannung ist es auch, die seine Aufnahmen so interessant macht.

Im klassischen Sinne inszeniert sind lediglich seine Bilder von Frontex-Soldaten an der griechisch-bulgarischen Grenze. Laut eigener Aussage hat Röder die Soldaten extra gebeten eine bestimmte Pose einzunehmen, das Auto an einem speziellen Punkt zu parken etc. Wie sie da mit strenger Miene und verschränkten Armen stehen oder fleißig mit dem Fernrohr nach illegalen Einwanderern suchen, könnten sie daher durchaus als Werbeträger für die Agentur dienen, die das Grenzmanagement für den EU-Raum koordiniert. »Achtsam. Effizient. Frontex« könnte als Slogan darunter stehen. Eventuell gezeigte Waffen fungieren dabei als soldatisches Identifikationsobjekt.

Ganz anders ist das bei dem Vertreter eines Waffenherstellers auf der International Defense Exhibition and Conference in Abu Dhabi. Für die Serie »World of Warfare« (2001) hat er den blonden Mann im grau-blauen Anzug bei seinem Messestand abgelichtet. Dieser präsentiert den Sprengkopf für eine Panzerfaust sichtlich verunsichert mit einem zögerlichen Lächeln. Aber es ist letztlich nicht er oder die Frauengruppe, die das Wochenendshopping kurzerhand an diesen Ort verlegt hat, die diese Messe als Wahnsinn kennzeichnen, sondern ein kleiner arabischer Junge in einem Panzer, der von ein paar Europäern wie eine Touristenattraktion fotografiert wird.

Wenn man die Etagen von unten nach oben abschreitet, ergibt sich die Reihenfolge Grenzschutz, Waffenkult und soziale Unruhen für den Besucher. Ein Beziehungsdreieck, dass durch die insgesamt 16 Aufnahmen Robert Capas (1913-1954) in der anschließenden Galerie noch erweitert wird. Während es Röder um das große Ganze geht, war der legendäre Magnum-Fotograf immer ganz nah am Geschehen. Das gilt für die Landung der Alliierten in der Normandie 1944 gleichermaßen wie für ukrainische Bauern beim Heuwenden.

Mit Capa blicken wir beispielsweise auf einen verwundeten Soldaten. Ein Sanitäter hat sich gerade über ihn gebeugt und verdeckt sein Gesicht. Dafür sehen wir seine schon arg mitgenommene, dreckige Uniform umso deutlicher. Die Zeit ist stehen geblieben. Der Soldat liegt auf einer umzäunten Wiese irgendwo an der Rheingrenze. Im Hintergrund steigt Rauch vom brennenden Dach eines Hauses auf.

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