Ausstellungsbesprechungen

Cerith Wyn Evans & Werner Reiterer, Pandämonium im Neonglanz

Der renommierte britisch-walisische Künstler Cerith Wyn Evans residiert nach seiner großangelegten Schau im Lenbachhaus München nun im Kunsthaus Graz und ist damit erstmals mit einer Personale in dieser Größenordnung in Österreich vertreten. Bubble-Peddler betitelt Evans seine aktuelle Ausstellung, bezugnehmend unter anderem auch auf die experimentelle Hülle der Kunsthaus-Architektur, die von ihren Schöpfern Peter Cook und Colin Fournier als »Bubble« bezeichnet wurde.

Zum anderen entstammt der Begriff »Bubble-Peddler« (zu deutsch etwa: »Seifenblasen-Hausierer«) aus dem japanischen Kabuki-Theater und bezeichnet einen lebhaften Tanz, bei dem ein Mann durch die Straßen zieht und Darbietungen mit Seifenblasen präsentiert, aus denen er phantastische Gebilde erzeugt.

 

Evans betrachtet sich als Wandler zwischen den Welten und strebt in seinen Werken nach Momenten, die sich jeglicher rationaler Definition entziehen. Der Künstler, der seine Laufbahn in den späten 1970er Jahren im Londoner Underground im Umfeld der britischen Filmemacher Derek Jarman und John Maybury begann, konnte sich seit den 1990er Jahren zunehmend mit einem sehr eigenständigen Werk profilieren. Neben seinen Filmen, die sich in einem Labyrinth von Bezügen zu spezifischen Werken aus der Literatur, der Philosophie, der Musik, den Naturwissenschaften und der Film- und Kunstgeschichte bewegen, beschäftigte sich Evans zunehmend mit der Entwicklung von Neonschriftzügen. Darin ließ er die Sprache und ihre Verschlüsselung zum Hauptthema werden. Das Licht übernimmt dabei stets die Rolle des Mediums, das den Betrachter in verwirrende, halluzinogene und bodenlose Nebenwelten führt.

 

In diesem Zusammenhang hält Evans für das Publikum in Graz eine besondere Überraschung bereit, hat er doch für die Schau im Kunsthaus eine neue Arbeit in monumentalen Dimensionen geschaffen: Coulered Chinese Lanterns… stellt das zentrale Objekt der Ausstellung dar, um das sich die übrigen Exponate gruppieren. Das großformatige Tableau in wohlgesetzten Neonschriftzügen beschreibt eine rätselhafte Traumlandschaft, in der sich verschiedene Schichten und Bedeutungen übereinander legen. In der Vieldeutigkeit der verschleierten Andeutungen ergibt sich ein dichtes poetisches Geflecht aus angerissenen Geschichten. Spannungsvoll ist auch die Platzierung des Sujets in der Dunkelheit des abgerundeten Innenraums des zweiten Obergeschosses (Space 01 genannt), wo die fast zehn Meter breite Neontafel unter dem dunklen Gewölbe der fließenden Wände eine schwer definierbare pseudosakrale Situation erschafft.

 

Ein glücklicher Gedanke im Raumkonzept, der allerdings in weiterer Folge keine Fortsetzung findet. Vielmehr gestaltet sich die übrige räumliche Inszenierung als eher spröde: anstatt durch ihre isolierte Positionierung im Raum eine magische Präsenz zu entfalten (wie es wohl zweifellos gedacht war), scheinen die Objekte zwischen den weiten, unbespielten Ausstellungsflächen in ihren Dimensionen zu schwinden – und sie verlieren das, was den anspruchsvollen Katalogbeiträgen zufolge, eigentlich das Wesentliche an Evans’ Kunst ausmachen sollte – eine unfassbare Aura des Geheimnisvollen und Unheimlichen.

 

Dies mag man bedauern, den Evans hat durchaus Interessantes zu bieten. Das Lusterobjekt ›Calibration and Sensitometry‹ by R.Ziener (1987) steht stellvertretend für die Serie der »Chandeliers«, die bereits den Hauptbestandteil der Ausstellung in München bildeten. Evans verwendet üppige Kronleuchter aus unterschiedlichsten stilistischen Epochen, über die er Lichtimpulse sendet, die Morsecodes von Textauszügen darstellen. Im Hintergrund befinden sich Flachbildschirme, die den Ablauf und Inhalt der Texte scannen. Die Unlesbarkeit der Texte in der inzwischen veralteten Geheimsprache der Morsecodes zeigt, dass es dabei nicht um die universelle Lesbarkeit, sondern im Gegenteil um Blendung, Täuschung und Bedeutungsverlust geht.

 

Atmosphärische Dichte vermittelt die Installation The sky is thin as paper here…, in der sich die Bilder aus zwei Diaprojektoren gegenseitig in ständigem Wechsel überblenden. Aus den Szenen eines Shinto-Rituals und Aufnahmen von Sternbildern entsteht ein dichtes Geflecht von oszillierenden Bildschichten – ein steter Reigen an Vexierbildern, die sich im Verlauf der Transformation herausbilden und wieder auflösen.

In der gläsernen Aussichtsloggia des Kunsthauses, der sogenannten Needle, befindet sich eines der bekanntesten Objekte von Evans. Der Neonschriftzug IN GIRUM IMUS NOCTE ET CONSUMIMUR IGNI ist eine Installation aus ringförmig angeordneten Lettern und bildet ein Palindrom, dessen rätselhaft-apokalyptischer Wortlaut (dt.: Wir drehen uns in der Nacht und werden vom Feuer verzehrt) auf Endlosigkeit und ewige Wiederkehr, auf das Zusammentreffen von Ende und Anfang als Essenz des Seins verweist. Hier ergibt sich auch noch einmal ein starker Moment in der Konfrontation des kryptischen, elektrisch erleuchteten Memento Mori mit der Postkartenidylle über den Dächern der Grazer Altstadt.

 

 


Werner Reiterer. Auge lutscht Welt, Kunsthaus Graz, bis 13. Mai 2007

 

Neben Evans empfiehlt sich unbedingt der Besuch der Ausstellung Werner Reiterers im 1. Stockwerk (Space02). Der junge österreichische Künstler, der mittlerweile schon längst zur international gefragten Größe avanciert ist, erweist sich in dieser ersten großen Personale in seiner Heimatstadt Graz einmal mehr als souveräner Meister der subversiven Phantasie. Er bevölkert seine Ausstellungsflächen mit einem Pandämonium an menschlichen Figuren – Alter Egos des Künstlers – die sich in verblüffender Weise über die Gesetze der Physiologie hinwegsetzen, sowie an bizarren Maschinerien, die beim Herannahen in unerwartete Aktivitäten ausbrechen. Reiterer unterminiert unsere Erwartungshaltungen mit geistreichem Witz und schwarzem Humor und zwingt uns, das scheinbar Selbstverständliche in Frage zu stellen. Der überaus große Fundus seines Erfindungsreichtums wird dabei durch eine Serie von Zeichnungen deutlich, die gleichermaßen als Protokolle der künstlerischen Vorstellungskraft sowie als eigenständiger Werkblock die Stellwände der Ausstellung einnehmen.

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