Ausstellungsbesprechungen

Daniel und Geo Fuchs, STASI – secret rooms

Mit der Arbeit „STASI – secret rooms“ hat sich das Frankfurter Künstlerpaar Daniel und Geo Fuchs mit der Großbildkamera auf eine neue Spurensuche begeben. Fünfzehn Jahre nach dem Fall der Mauer werden die dunklen Hinterlassenschaften des DDR-Regimes fotografisch entdeckt und auf eine ungewohnt ästhetische Ebene überführt. In einer außergewöhnlichen, vielschichtigen Präsentation gewährt die Städtische Galerie Neunkirchen vom 17. November 2006 bis 28. Januar 2007 Einblick in das Ergebnis dieser fotografischen Recherche.

Daniel und Geo Fuchs, die durch herausragende Fotoprojekte wie „Conserving oder Famous Eyes bereits auf internationaler Ebene brillierten, finden in ihren künstlerischen Arbeiten stets einen behutsamen Zugang zu Rand- und Tabuthemen. Ihre Bildserien machen das Ungewohnte, Unbequeme und bis dato noch nie Gesehene zum Gegenstand ihrer Arbeiten. So lassen sie Präparate aus anatomischen und zoologischen Sammlungen, Außenseiter der Gesellschaft, Obdachlose, Transsexuelle oder Mordwaffen zum Sujet ihrer Kunst avancieren.

 

Im Zentrum der gegenwärtigen Arbeit von Daniel und Geo Fuchs stehen die ehemaligen Dienstgebäude des Ministeriums für Staatssicherheit, von denen viele seit ihrer Auflösung 1989/90 nahezu unberührt geblieben sind. Daniel und Geo Fuchs dokumentieren mit ihren fotografischen Arbeiten die verlassenen Stätten der Stasi, die geheimen Räume, in denen das bedeutendste und gefürchtete Repressionsorgan der SED-Diktatur seine Herrschaft ausübte und von denen aus es operierte. Die Künstler gewähren Einblick in Gefängnisse, Behörden und Bunker, zeigen das Innere eines gigantischen Macht- und Überwachungsapparates, das man selten oder nie zu Augen bekommen hat. Im Interview mit Nicole Nix-Hauck verrät Daniel Fuchs: „In diesen Räumen werden die Schrecken eines Systems und seiner Auswirkungen sichtbar. Trotzdem haben die Bilder eine gewisse Ästhetik, die auch schön ist. Es war uns wichtig, die Räume nicht nur hässlich und abstoßend zu zeigen, sondern mit dieser Ästhetik zu arbeiten, um den Betrachter in das Bild hinein zu locken.“ [Ausstellungskatalog]

 

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Bereits beim Betreten der Ausstellung wird der Besucher von magnetisch anziehenden Arbeiten in Empfang genommen. Es sind keine Arbeiten, die schockieren, aber sie machen auf eine ganz intensive Weise betroffen und lassen den Atem in Stocken geraten. Geo Fuchs betont gegenüber Nicole Nix-Hauck, dass nicht an „Sensation“ gelegen war, vielmehr wurde diese „ganz bewusst aus den Bildern herausgenommen.“ Ziel ihrer fotografischen Arbeit ist die Auseinandersetzung des Betrachters mit der geschichtlichen Vergangenheit, die keineswegs immer gewaltfrei verlaufen ist. Erst indem sich der Betrachter auf die Arbeiten einlässt, kann ein gehaltvoller und viel versprechender Dialog mit den Fotografien und damit mit der Geschichte beginnen.

 

Wie erschreckend es sein kann, dass Räume in den Deckmantel der Normalität gehüllt, sich als Räume menschlicher Schicksale artikulieren können, beweist der Blick in ein Archiv, in dem sich Akte an Akte reiht. Es ist diese Eintönigkeit und Geduldigkeit, welche von den Regalen, die sich in einem zentralen Fluchtpunkt zu begegnen scheinen, ausgestrahlt wird. Und doch wird dem Betrachter schnell deutlich, wie grausam diese Aktenreihen sein können, denn Lebensläufe wurden in ihnen formuliert, changiert und in ausgewählte Richtung dirigiert. Doch je länger man vor der Fotografie verweilt, umso schneller ist das Schwanken zwischen einem ungemein hohen ästhetischen Reiz und einem Schauder, der dem Betrachter beim Gedanken an die Grausamkeiten, die sich möglicherweise in den Akten verbergen, über den Rücken läuft.

 

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In kalter, steriler Ästhetik und in extremer Schärfe enthüllen die Fotos jedes noch so kleine Detail. Gesteigert wird die Intensität der Perspektive durch die großen Formate der Fotografien und den mächtigen Tiefenzug. Die Arbeiten vermitteln das Gefühl, selbst in den Räumen zu stehen, in denen die Spuren und Symbole von Verfolgung und Unterdrückung konserviert sind. Dabei präsentieren sich die Räume oft in „erschreckender Normalität“: das mit Blümchenmuster tapezierte Zimmer des Haftrichters und der lange Verhörtrakt mit schalldicht gepolsterten Türen in Hohenschönhausen, die Gefängniszellen für politische Häftlinge in Potsdam und Bautzen oder die Einbauküche und das Wannenbad in den Büroräumen Erich Mielkes. Zu jener Normalität trägt darüber hinaus die markante Lichtstimmung bei, wobei nie mit künstlichem Licht, sondern einzig mit dem vorhandenen Licht gearbeitet wurde. Dabei erfahren die typischen Farben rosa, türkis und braun, in denen die Räume gestaltet sind, eine anachronistische Tendenz, die Erinnerungen an die 50er und 60er Jahre in der Bundesrepublik wach werden lassen.

 

In kühler Präzision präsentiert sich auch die Ansicht des Flures auf der Mielke-Etage. Ein roter Teppich, der die Spuren der Nutzung erkennen lässt wird zum farblichen Magnet innerhalb der weiß gestrichenen Decke und Wände. Im Zentrum, den Fluchtpunkt verkörpernd, hängt ein Bild eines markanten Männerkopfes (Lenin) in zarten Gelb-, Ocker- und Brauntönen. Dabei steht – wie verloren – am rechten Bildrand ein blauer, ziemlich abgenutzter Stuhl, der nur darauf wartet, einem Menschen als Sitzgelegenheit zu dienen. Bei längerer Betrachtung entstehen nun ganz automatisch Spekulationen über die Nutzer dieses häuslichen Utensils. Wer hat darauf gesessen? Welche politische Machtfunktion hatte dieser Mensch? Es entwickeln sich bei der Betrachtung einfach aus dem Gefühl und der menschlichen Neugierde heraus imaginäre Bildabläufe. Die Spuren, die der Raum erkennen lässt, wirken konserviert und die Zeit scheint eingefroren zu sein.

 

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Der Städtischen Galerie Neunkirchen ist mit „STASI - secret rooms“ eine absolut lobenswerte Ausstellung gelungen. Wundervolle fotografische Arbeiten bannen den Betrachter und entlassen ihn meist erst nach eingehender Betrachtung. Daniel und Geo Fuchs haben mit ihren Fotografien den Räumen einer vergangenen Zeit Leben eingehaucht und sie in aussagekräftige, emotional stark berührende und ästhetisch gekonnt in Szene gesetzte Dokumente verwandelt. „Die Fotografien von Daniel und Geo Fuchs eröffnen einen Blick hinter die Mechanismen von Macht, Machtlosigkeit und Banalität. Dahinter stehen vierzig Jahre gelebte Geschichte der DDR.“ Es sind diese beiden Sätze, die ich im Eingangsbereich der Ausstellung gelesen habe und die mir beim Betrachten immer wieder in den Sinn kommen, erfassen sie doch so klar den Kern der Ausstellung. Da die Präsentation sicherlich einer der Höhepunkte dieses Jahres in der saarländischen Kunstlandschaft darstellt, sei ein Besuch jedem Kunst- und Geschichtsinteressierten ans Herz gelegt, denn selten begegnet man derart ehrlichen und vor allem ästhetisch hochrangigen Arbeiten wie jenen von Daniel und Geo Fuchs!

 

 

Öffnungszeiten

Di, Mi, Fr 10-12.30 und 14-17 Uhr

Do 10-12.30 und 14-18 Uhr

Sa 14-17 Uhr

So und an Feiertagen 14-18 Uhr

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