Ausstellungsbesprechungen

denken, Kolumba Köln, bis 31. August 2012

Als Museum der Nachdenklich­keit wurde Kolumba entwickelt. Doch was heißt eigentlich »denken« und worin unterscheidet es sich, wenn es in Werken anschaulich wird, vom Denken in anderen Disziplinen? Welchen Anteil am Kunstwerk haben Neugierde und Fantasie, Erfahrung und Erinnerung, Wissen und Glauben? Wie denkt es sich ohne Worte in Bildern, in Musik, in der Architektur? Ursula Siepe hat sich auf Spurensuche begeben.

Seit seiner Eröffnung 2007 wechselt Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, jährlich zum 14. September, dem Kirchenfest Kreuzerhöhung, die Bespielung seiner Räume mit Werken aus den umfangreichen, von frühchristlicher Zeit bis in die Gegenwart reichenden eigenen Beständen. Nur wenige Objekte aus der Sammlung des vormaligen Diözesanmuseums sind im neuen, über den Ruinen der kriegszerstörten St. Kolumbakirche errichteten Haus im Zentrum Kölns dauerhaft ausgestellt; darunter die Barockmadonna von Jeremias Geisselbrunn, die erst Anfang der 1990er Jahre aus einer Vielzahl von Fragmenten wiederhergestellt werden konnte, und die »Madonna mit dem Veilchen« von Stefan Lochner. Zum festen Bestand gehört auch Jannis Kounellis‘ Installation »Tragedia civile« von 1975.

Stets führen die Ausstellungen als »Museum auf Zeit« die ausgewählten Exponate unter einem besonderen Thema zusammen. Auch die aktuelle Präsentation mit dem Titel »denken«, »eine Ausstellung über Wege, die Welt zu erfahren«, folgt dabei der Kolumba-spezifischen Intention, alte und neue, sakrale und profane Kunst dialogisch zu kontextualisieren. Ein wesentliches Moment der Planung der jeweiligen Ausstellungskomposition besteht in der weithin gerühmten Architektur des von Peter Zumthor geschaffenen Baus mit seiner erlesenen Asketik.

Grundsätzlich bezieht das vierköpfige Kolumba-Team (Stefan Kraus, Marc Steinmann, Ulrike Surmann und Katharina Winnekes) die Qualität der einzelnen, hinsichtlich Größe, Zuschnitt und Lichteinfall erheblich differierenden Räume in die Konzeption ein, so dass der wuchtige Minimalismus Zumthors jedes Mal ein Wort mitspricht und im Fluss der wechselnden Ausstellungsideen seine imposante Präsenz behauptet.

Die diesmalige Themenwahl »denken« bedeute nun keineswegs, so Museumsleiter Stefan Kraus, dass man hier die Sinnlichkeit verloren hätte. Vielmehr möchte die Kunststätte, die sich auch als »Museum der Nachdenklichkeit« apostrophiert, das Verständnis von »Denken« weiten und »im Zeitalter von Information und Kommunikation Kontemplation und Dauer wieder ins Spiel bringen«.

Um jedem Verdacht der Hirnlastigkeit schon in statu nascendi vorzubeugen, hat man Bernhard Johannes Blumes Fotocollage »Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar« gleich im Eingangsbereich platziert. Die Anspielung an Kants Hauptwerk »Kritik der reinen Vernunft« sollte der Besucher jedoch nicht überstrapazieren; denn vom Künstler intendiert ist lediglich der visuelle Hinweis darauf, dass der kalkulierende Verstand und die Sinnlichkeit des genießenden Menschen nicht recht konvergieren wollen. Der Titel der diesjährigen Ausstellung ist indes der dreigestuften Vitrine »denken« von Thomas Lehnerer (1993) entliehen, die auf die Evolution des Menschen hin zu einem geistigen Wesen anzuspielen scheint.

»Das Denken des Künstlers ist konstitutiver Bestandteil des Werks«, hatte Thomas Lehnerer geschrieben. Doch wie denkt ein Künstler? In Bildern? Mit den Händen? Welches Verhältnis besteht zwischen Kognition und Intuition im künstlerischen Schaffensvorgang? Dieses Problem thematisiert ein DVD-Film, in dem sich Monika Bartholomé auf die zeichnende Hand schauen lässt. Fragen an die inneren Gesetze künstlerischer Produktivität wollen auch die Werkreihen (z.B. Grafiken des Komponisten John Cage und Skizzen Peter Zumthors zu Kolumba) stellen, die den Prozesscharakter ästhetischer Ideenerzeugung dokumentieren.

Im zentralen Raum, in dem seit Beginn das romanische, durch einfallendes Tageslicht erhöhte Elfenbeinkruzifix seinen unverrückbaren Platz hat, bildet ein sechsteiliger Gemäldezyklus Dieter Kriegs von 1998 eine optische wie konzeptionelle Sensation: In starkem Gestus, bisweilen die Leinwand überschießend und die Kraft unserer intellektuellen Anschauung stimulierend, gibt er den rätselhaften Satz zu lesen: »In der Leere ist ist nichts«.

Von großer Faszinationskraft ist zweifellos die Zusammenführung des jüngst erworbenen Heilig-Geist-Retabels mit einer zeitgenössischen Ton-Raum-Skulptur Bernhard Leitners im höchsten Raum des Hauses. Diese Konstellation lässt – visuell hier und auditiv dort – wahrnehmen, wie Nicht-Materielles eine staunenswerte Wirkung entfalten kann.

Bücher bilden einen speziellen Schwerpunkt der Ausstellung. Eine Rarität ist die »Ars memorandi«, ein auf der damaligen Kunst der Mnemotechnik basierendes Merkbilder-Buch, das dazu verhelfen sollte, sich den Inhalt der vier Evangelien einzuprägen. Ein kommentiertes Faksimile des um 1470 datierten Druckwerks wird als Museumsschrift zum Kauf angeboten.

Ein weiterer Brennpunkt ist die Darbietung von Künstlerbüchern (Sammlung Missmahl), die dem Museum 2009 übereignet wurden. Als eigenständige Gattung hat sich das Künstlerbuch seit Ende der 1960er etabliert und ist laut Umschlagstext des Katalogs »denken«, der sich ausschließlich mit den Künstlerbüchern befasst, folgendermaßen zu verstehen: »Künstlerbücher informieren nicht, verweisen nicht, sie dokumentieren nichts – sie sind. Sie repräsentieren nichts anderes als sich selbst«. Demnach wären Künstlerbücher per se selbstreferentielle Schöpfungen, die sich selbst, ohne Bezug auf Externes, genügen und eigentlich sonst nichts besagen wollen. Dem mag so sein; jedenfalls verhält sich der Katalog selbst in dem Sinne als ein Künstlerbuch, als er sich – bildästhetizistisch selbstgenügsam und wortkarg – in sich selbst verschließt. Nichtsdestoweniger ist er sehr schön anzuschauen.

Weitere Informationen

Dieser Artikel ist die erweiterte Version eines Berichts für die Zeitschrift "Rheinische Heimatpflege".

Der Katalog zur Ausstellung ist ausschließlich im Museum erhältlich.

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