Buchrezensionen, Rezensionen

Der neue Pinocchio. Die Abenteuer des Pinocchio neu erzählt, von Christine Nöstlinger (Text) und Antonio Saura (Illustrationen), Hatje Cantz 2010

Eineinhalb Kilo in Leinen gebunden, 300 Seiten, weit über 100 Illustrationen … das neue Pinocchio-Buch hat Charakter! Es ist ein echter Brocken, kraftvoll und bunt. Unsere Autorin Patricia Potrykus hat begeistert darin für Sie geblättert.

Die Geschichte des Pinocchio, der hölzernen Puppe, die nach vielen Abenteuern endlich ein Menschenjunge wird, stammt von dem Italiener Carlo Collodi, der diese bereits Ende des 19. Jahrhunderts erst in der Zeitung und 1883 als Buch veröffentlichte. 1905 erschien Pinocchio auch in Deutschland. Die österreichische Autorin Christine Nöstlinger hat das berühmte Werk der Kinderliteratur 1988 neu verfasst. Diese Fassung zog den spanischen Künstler Antonio Saura (1930-1998) nach zweijähriger Sichtung aller Pinocchio Adaptionen am meisten in den Bann und er entschied sich für Nöstlingers Version als Grundlage für sein illustres Vorhaben. Das Buch erschien bereits 1994 in Spanien, bekam begeisterte Kritiken und gleich den Preis als „Bestes Kunstbuch des Jahres“. Es dauerte lange bis die verstreuten Illustrationen restauriert und neu arrangiert werden konnten, doch nun liegt auch die deutsche Version vor.

Die lange Nase zieht sich um den Bucheinband herum und die himmelblauen Augen der geschnitzten Holzpuppe schauen uns nachdenklich an. Aber gleich beim Öffnen springen sie heraus, die vielseitigen Figuren von Saura. Reduzierte, in Tusche ausgeführte Strichmännchen, vor Vitalität sprühende, grob und klecksig kolorierte, dann wieder weiche und bunte, an Amöben erinnernde Wesen. Pinocchio, sein Erschaffer Gepetto, Kater und Fuchs, die Fee mit den türkisfarbenen Haaren sind alle erkennbar, doch manchmal verrenken sich die Figuren so sehr, oder sind so schemenhaft angedeutet, dass man schon mal den Überblick verlieren kann.

Der spanische Illustrator verwendet, wie er im Nachwort des Buches preisgibt, ein spezifisches Grafiksystem, das der Kinderzeichnung nahe steht. Dabei werden auch Elemente aus Comics und Zeichentrickfilmen einbezogen. Es entsteht eine abstrakte, minimalistische Bilderwelt, in der es aber nur so wimmelt und vor Farben flirrt. Der von Saura illustrierte Pinocchio sollte vor allem von Kindern angenommen werden: Gewidmet hat der Künstler das Werk sogar seinem damals 2-jährigen(!) Enkel Pablo. Das Unbändige, das stark Variierte und die enorme Ausdrucksstärke des Buches sind wirklich mitreißend und teilweise erschreckend. So empfindet es mancher Erwachsener. Aber wie reagieren (kleine) Kinder darauf? Ein Versuch mit einem fast 3-Jährigen hat gezeigt: Kinder lassen sich anscheinend spontan darauf ein und finden die Figuren lustig und bunt. Scheinbar keine Angst vor den Fratzen, die doch ab und zu den Betrachter anstarren. Also lag Saura wohl richtig.

Alles in allem: ein anspruchsvolles Vorlesebuch für Kinder ab 5, zum Drin-Blättern schon für Jüngere, für Erwachsene sicher ein Sammlerstück fürs Kunstbuch-Regal!

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