Ausstellungsbesprechungen

Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie, NRW-Forum Düsseldorf, bis 16. Januar 2011

Nahm Stephen Shore, Pionier der US-amerikanischen New Color Photography, entscheidenden Einfluss auf die Schüler der deutschen Fotografie-Ikonen Bernd und Hilla Becher? Unter dieser Frage beleuchtet die Ausstellung „Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie“ im Düsseldorfer NRW-Forum Vertreter der sogenannten Becher-Schule. Eine gewinnbringende Gegenüberstellung, findet Cornelia Lütkemeier.

Juni 1974. Ein junger US-Fotograf namens Stephen Shore nimmt mit seiner 8x10-Zoll-Kamera einen roten Bulli an einer Straßenkreuzung in Pennsylvania auf. Ein Jahr später stellt Shore in der New Yorker Gruppenausstellung „New Topographics“ aus – und zeigt unter anderem dieses Bild. Auch Bernd und Hilla Becher nehmen – als einzige Europäer – an der Schau teil. Im Jahr 1980 erwerben sie einen C-Print von Shores Foto. Über Jahrzehnte ist das Fotografenpaar in einem roten VW-Bulli unterwegs, um die Industrieanlagen der westlichen Welt zu dokumentieren. Bis zum Tod Bernd Bechers im Jahre 2007 steht das Vehikel vor dem Haus und Atelier der beiden Künstler

Stephen Shores Bildbände „Umcommon Places“ und „American Surfaces“, die seine Roadtrips durch die USA schildern, sind inzwischen legendär. Neben William Eggleston gilt der Fotograf, der im Alter von 17 Jahren sein Leben in Andy Warhols Factory bildlich festhielt, als Wegbereiter der Farbfotografie. Soeben wurde er mit dem Preis der Deutschen Gesellschaft für Fotografie (DGPh) ausgezeichnet und steht damit in einer Reihe mit Man Ray und Henri Cartier-Bresson. Seine konkrete Wirkung auf die jüngere deutsche Fotografie wurde in der Forschung bislang jedoch noch nicht systematisch untersucht, wenngleich eine Verbindung immer wieder vermutet wurde. Diese Lücke füllt nun die Ausstellung im NRW-Forum.

Die Düsseldorfer Foto-Klasse ließ sich deutlich von US-amerikanischen Motiven und Konzepten der 1970/80er Jahre inspirieren, lautet die These von Kurator Dr. Christoph Schaden. Die Bechers selbst wirkten dabei als Vermittler. So machte Bernd Becher seine Schüler früh mit den Arbeiten Stephen Shores bekannt. „Der Bernd hat das den Studenten ständig vor die Nase gehalten, der hat die geradezu damit bombardiert“, erklärte Hilla Becher 2010 in einem Interview in den „Photonews“. In den 70er und 80er Jahren, in denen sowohl in den USA als auch in Deutschland Schwarz-Weiß-Fotografie den Kunstmarkt diktierte und farbige Fotografie als vulgär galt, bedeuteten die naturalistischen Arbeiten Shores eine wahre Revolution.

Sie blieben auch in Deutschland nicht ohne Echo: Andreas Gursky bezeichnete den amerikanischen Bildband „The New Color Photography“ in einem Interview 1997 als seine „Bibel“. Thomas Struths Fotoreihe „Unconscious Places“ bezieht sich im Namen eindeutig auf den 1982 erschienenen Bildband „Uncommon Places“ von Stephen Shore. Claudia Fährenkemper und Boris Becker reisten angeregt durch Shores Arbeiten in die USA.

Die im NRW-Forum ausgestellten Bilder veranschaulichen, wie die Düsseldorfer Studenten Einflüsse Shores in ihre Werke aufnahmen: Die Verwendung von Farbe, das Aufscheinen von Blitzlichtreflexen, Unschärfen, die den Bildern schnappschussartige Qualitäten verleihen. Weg von der sachlich-seriellen Dokumentation, hin zur lebensechten Reportage bewegen sich die Arbeiten – von der nüchternen Objektivität zur möglichst ungefilterten Subjektivität. Am weitesten entfernt sich dabei wohl die Position Candida Höfers vom Stil ihrer Lehrer. Ihre Serie „Türken in Deutschland“ aus dem Jahr 1976 ist als Diaschau in einem eigenen Raum zu Kopfe der zweiten Ausstellungshalle zu sehen.

Konfrontativ ist die Ausstellung angeordnet: So sind Shores Arbeiten auf der einen Längsseite der beiden Ausstellungshallen angebracht – gegenüber der deutschen Positionen entlang der anderen. Die beiden Kopfpositionen fallen Andreas Gursky und Candida Höfer zu. Ansprechend ist das Konzept des Audioguides, der auf Kommentaren der Künstler zu ihren Werken basiert. So erklärt etwa Hilla Becher, dass es „die profanen Themen“ seien, die sie und ihr Mann mit Shore gemeinsam hatten.

Der begleitende Ausstellungskatalog mit über 100 Farbabbildungen versammelt die Ergebnisse von eineinhalb Jahren Forschung zur Becher-Schule. Während der Arbeit sei ihm klar geworden, an wie vielen Grundlageninformationen es bei dem vermeintlich gut aufgearbeiteten Thema noch immer mangele, so Kurator Christoph Schaden. Selbst eine systematische Übersicht aller Studierenden, wie sie der Katalog nun liefert, habe es vorher nicht gegeben. Neben interessanten Quellen bietet der Katalog des Weiteren Aufsätze zur Shore-Rezeption in Deutschland, zur Wirkung der Bechers in Deutschland und den USA, sowie eine historische Betrachtung über die Verwendung des Schul-Begriffs.

Fazit: Eine kurzweilige Ausstellung, die im Rahmen der 2. Düsseldorfer Quadriennale einen frischen Blickwinkel auf bekannte Lokal-Heroen wagt.

Weitere Informationen

Der Katalog zur Ausstellung ist unter http://www.nrw-forum.de/kataloge oder direkt vor Ort erhältlich.

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