Ausstellungsbesprechungen

Des Königs Traum. Friedrich Wilhelm IV. und der romantische Rhein, Arp Museum Bahnhof Rolandseck Remagen, bis 16. August 2015

Ganz im Zeichen der Rheinromantik des 19. Jahrhunderts steht in diesen Tagen das Arp Museum Bahnhof Rolandseck. Der große Strom und die ihn umgebenden Landschaften, Städte und Architekturen befeuerten die Fantasie von Künstler und Intellektuellen, aber auch von Politikern. Einer davon war Friedrich Wilhelm IV., dem die Schau gewidmet ist. Rainer K. Wick hat sie sich angesehen.

1815 war für Europa ein Schicksalsjahr. Nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo südlich von Brüssel wurden auf dem Wiener Kongress die Karten neu gemischt. Dazu gehörte auch, dass im Rahmen einer umfassenden territorialen Neuordnung die politische Landkarte Europas gründlich verändert wurde. Preußen als eine der Siegermächte der Koalitionskriege gegen Napoleon konnte beträchtliche Gebietsgewinne verbuchen und erhielt im Westen das Rheinland, die sog. Rheinprovinz (Rheinpreußen) – ein Gebiet, das von Bingen im Süden bis Kleve im Norden reichte.

Es war der 1795 geborene spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV., der vor zweihundert Jahren als Kronprinz erstmals ins Rheinland kam und, fasziniert von dessen Naturschönheit, seinem reichen historischen Erbe und seinen herausragenden Baudenkmälern, maßgeblich dazu beitrug, dass sich im 19. Jahrhundert das Idealbild vom »romantischen Rhein« formieren konnte, das geradezu als seine »Erfindung« betrachtet werden kann. Erst spät, mit fünfundvierzig Jahren, bestieg er den Thron und erwies sich mit seiner restaurativen Politik als erzkonservativer Monarch und kompromissloser Gegner aller liberalen Bestrebungen von 1848. Zu seiner rückwärtsgewandten politischen Haltung passte seine schwärmerische Mittelaltersehnsucht, seine Begeisterung für die Gotik und für die Burgruinen des Rheintals.

Insbesondere der im Mittelalter unvollendet gebliebene Kölner Dom, den er 1814 erstmals besucht hatte, hinterließ auf ihn einen tiefen Eindruck. Wie vielen seiner Zeitgenossen galt ihm dieses Wunderwerk der Gotik als »Freiheits-, Friedens- und Einheitssymbol« der Deutschen, und »das Domerlebnis war für ihn der Startpunkt seiner architektonischen Träume« (Susanne Blöcker im Katalogbuch). Nicht nur, dass er ihn als begabter Zeichner mehrmals in seiner antizipierten Endgestalt mit hoch aufragender Doppelturmfassade skizzierte, auch phantasierte er ihn zeichnerisch als »Befreiungsdom« auf die Nordspitze der Spreeinsel in Berlin – ein Projekt, das allerdings unrealisiert blieb. Nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1840 betrieb er dann den Weiterbau des Kölner Doms. Obwohl die Bauarbeiten erst 1880, fast zwanzig Jahre nach dem Tod Friedrich Wilhelms IV., abgeschlossen werden konnten, lösten sie im Rheinland einen regelrechten Bauboom im Stil der Neogotik aus. So entstand auf der Höhe über Remagen die vom Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner entworfene Apollinariskirche, die zusammen mit dem Rolandsbogen und dem Drachenfels das nördliche Ende des romantischen Rheins markiert.

Zu den spektakulärsten Projekten Friedrich Wilhelms im Rheinland gehörte der Ausbau der rechtsrheinisch in der Nähe von Koblenz über dem Rhein thronenden Ruine Stolzenfels, einer Burg aus dem 13. Jahrhundert. Nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel begannen 1836 die Arbeiten; nach Schinkels Tod 1841 übernahm Friedrich August Stüler die Bauleitung, 1842 fand die feierliche Einweihung statt. Entstanden war ein neogotisches Phantasiegebilde, in dem der preußische König seinen Traum vom Mittelalter lebte, wenn er sich in der Rheinprovinz aufhielt. Ein Modell von Schloss Stolzenfels, wie die einstige Burg nun hieß, gehört zu den etwa achtzig Exponaten, die in den Räumen des heute als Museum genutzten, aber auch noch dem Zugverkehr dienenden Bahnhofs Rolandseck von der Geschichte der preußischen Rheinlande im 19. Jahrhundert erzählen. Dass der Bau dieses oft als klassizistisch etikettierten, zutreffender aber als historistisch einzuordnenden Bahnhofs in die Spätphase der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm IV. fällt, nämlich in späten 1850er Jahre, sei nur am Rande bemerkt.

Von den vielfältigen Spuren, die Preußen im 19. Jahrhundert im Rheinland hinterlassen hat, zeugen in der Ausstellung »Des Königs Traum« unter anderem Skizzen von der Hand des Kronprinzen, Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde prominenter Künstler wie Caspar Scheuren, Theodor Maaßen, Hermann Anton Stilke und Johann Nepomuk Strixner, zeitgenössische Fotografien, historistisches Mobiliar, Porzellantassen mit den Porträts des König und seiner Frau, ferner der Preußenadler, die berühmt-berüchtigte Pickelhaube und preußische Uniformen, die zum Teil bis heute in den Kostümen rheinischer Karnevalsgesellschaften (Funken und Garden) fortleben.

Wem die Ausstellung nicht opulent genug bestückt ist, dem sei dringend das an vertiefenden Texten und interessanten Abbildungen reiche Begleitbuch »Das ganze Deutschland soll es sein. Die Preußen im Westen«, herausgegeben von Irene Haberland, Oliver Kornhoff und Matthias Winzen empfohlen. Hier wird die politische Dimension der ästhetischen Utopie Friedrich Wilhelms ebenso eindringlich dargestellt, wie auch Facetten des künstlerischen Engagements des Königs – die damals noch in den Kinderschuhen steckende Denkmalpflege eingeschlossen – kompetent beschrieben werden. So wird für den Ausstellungsbesucher ein spannendes Kapitel preußischer Kultur- und rheinischer Regionalgeschichte greifbar, das bisher nicht unbedingt im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit gestanden hat.

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