Projekte

DFG-Projekt „Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus“, Projektpräsentation und Pressegespräch

Ein Bericht von Nicola Hille (Tübingen)

Am 19. November 2005 fand im Zentralinstitut für Kunstgeschichte München die Präsentation des DFG-Projektes „GKNS-WEL“ statt. Das Forschungsprojekt „Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus“ (GKNS) wird von der Deutschen Forschungsgesellschaft bisher für zwei Jahre (2004-2006) gefördert. Im Zentrum des Projektes stehen der Aufbau eines überregionalen Forschungsnetzwerkes und die Entwicklung eines Datenpools, der Dokumente zu den Protagonisten der Kunstgeschichte zwischen 1930 und 1950 einer breiteren Forschungsöffentlichkeit über die Warburg Electronic Library (WEL) zugänglich macht.

 

Nach einer Begrüßung durch Wolf Tegethoff (Direktor des Zentralinstituts für Kunstgeschichte) und einer Einführung durch Barbara Schellewald (Projektsprecherin und Professorin am Kunsthistorischen Institut der Universität Basel) stellten die Mitarbeiter/innen der Kunsthistorischen Institute und Seminare der Universitäten Berlin (HU), Bonn, Hamburg und München (LMU) im Pressegespräch und anhand einer Präsentation der Online-Datenbank die bisherigen Ergebnisse nach dem ersten Förderungsjahr vor.

 

Das auf der bewährten Technologie der Warburg Electronic Library basierende digitale Archiv bietet schon jetzt mit dem derzeitigen Volumen von über 1.000 Dokumentsätzen eine unverzichtbare Quelle für die Forschung zur Geschichte der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Die Datenbank zeichnet sich durch eine differenzierte Verschlagwortung der Dokumente aus. Eine Vielzahl von Suchfunktionen ermöglicht die individuelle Suche nach Personen, Institutionen und/oder spezifischen Texten. Die Quellen ermöglichen einen differenzierten Einblick in die Verflechtungen, Kooperationen und Netzwerke innerhalb der Kunstgeschichte zwischen 1930 und 1950.

 

Bei der Präsentation wurden die Recherchemöglichkeiten der GKNS-WEL exemplarisch demonstriert. Anhand ausgewählter Beispiele wurden der Aufbau der Datenbank und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten erläutert. Bei den bisher zugänglichen Dokumenten handelt es sich um Texte und Quellen aus den Universitätsarchiven in Berlin, Bonn, Hamburg und München, dem Bundesarchiv Berlin sowie den Staatsarchiven in Hamburg und München, die erstmals in einem Datenbanksystem zusammengeführt wurden und für die registrierten Nutzer online abrufbar sind. In welcher Weise die GKNS-WEL für unterschiedliche Fragestellungen adäquate Suchoptionen bietet, konnten die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Projektes eindrucksvoll demonstrieren.

Bisher lassen sich vor allem Dokumente zu den Kunsthistorikern Wilhelm Pinder (1878-1947), Alfred Stange (1894-1968) und Ludwig Heinrich Heydenreich (1903-1978) einsehen. Die mitunter schwer zu fassende Rolle dieser Kunsthistoriker im Nationalsozialismus lässt sich anhand der Dokumente in der Datenbank präzisieren. Auch über Kunsthistoriker, zu deren Rolle für die Zeit von 1933-45 bereits umfangreiche und ausführliche Forschungen vorliegen, können durch die Zusammenführung verschiedener Dokumente im Datenpool neue Erkenntnisse gewonnen werden.

 

Neben der Kunstgeschichte sind auch verschiedene Nachbardisziplinen als Fächer erfasst. Obwohl der Schwerpunkt der GKNS-WEL auf der universitären Kunstgeschichte der Zeit des Nationalsozialismus liegt, wurden auch Dokumente aus dem Zeitraum vor 1933 bzw. nach 1945 berücksichtigt, um Fragen nach Kontinuitäten und Brüchen stellen zu können. Die Präsentation der Online-Datenbank hat in eindrucksvoller Weise gezeigt, dass die Auseinandersetzung des Faches mit seiner eigenen Vergangenheit im Grunde gerade erst richtig beginnt.

 

Der Aufbau eines themenorientierten Netzwerks ermöglicht vertiefte Recherchen für die universitäre Kunstgeschichte in der Zeit von 1930 bis 1950, den Jahren zwischen der Weimarer Republik und der Gründungsphase beider deutscher Staaten. Mit ihren vielfältigen Optionen (wachsende Quellensammlung, schlagwortbasierte Recherchemöglichkeit, wissenschaftlicher Diskurs) bietet die Datenbank die Voraussetzungen für eine detaillierte Untersuchung der Inhalte und Strukturen kunsthistorischer Forschung und Lehre in dieser Zeit.

 

Seit dem 19. November ist die Plattform über das World Wide Web öffentlich zugänglich.

Die GKNS-WEL ist grundsätzlich auf Erweiterung angelegt. Es besteht Interesse, weitere Kooperationspartner zu gewinnen.

 

Ein Abendvortrag von Willibald Sauerländer zum Thema „Was könnte kunsthistorische Vergangenheitsbewältigung heißen?“ rundete die gelungene Präsentation des Forschungsprojektes ab.

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns