Ausstellungsbesprechungen

Die Art Karlsruhe 2014: Ein kleiner Rückblick

Bereits zum elften Mal fand vom 13. bis 16. März die Art Karlsruhe statt. Mittlerweile ist sie eine der wichtigsten Messen im deutschsprachigen Raum, wird aber auch für internationale Galerien immer interessanter. Sowohl Aussteller als auch Publikum zeigten sich zufrieden. Günter Baumann war auch da und hat sich umgesehen.

Vielleicht leuchtete nicht der beste Stern über den Karlsruher Messehallen, was die Verkäufe anging – eher verhaltener Optimismus verbreitete sich entlang der Gänge. Doch immerhin hatte die Art Karlsruhe 2014 eine Illumination zu bieten, die wahrlich himmlische Qualitäten hatte, und mit ihr einen Namen: Rosalie, die mit zwei monumentalen Lichtinstallationen der Veranstaltung eine Krone aufsetzte. Die farblich changierende, 16 Meter hohe Kronleuchterskulptur aus Kabeln und Leuchtelementen schwebte im Eingangsfoyer wie ein dreidimensionaler Hoffnungsschimmer über dem Kunstmarkt. Die andere Arbeit, eine mal betörend gleißende, mal schillernde Wandinstallation, verführte den Besucher zum Träumen, und sei es von guten Käufen: Liegestühle standen bereit, um alles um sich herum vergessen zu machen. Mit »Chandelier« und »LightScapes« hat Rosalie einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie zu den bedeutendsten Künstler(inne)n in Deutschland gehört.

Nach stetem, auch qualitativem Wachstum hat die Art Karlsruhe sich in den vergangenen Jahren eine beachtenswerte Position unter den Kunstmessen erarbeitet, sodass man dieses Jahr gar nicht mehr auf eine Steigerung fixiert war. Doch erneut gab es ein paar Superlative. Von den 220 Galerien aus 13 Ländern waren 38 der Teilnehmer zum ersten Mal hier. Insgesamt stellten sie 160 One-Artist-Shows auf die Beine, darunter auch 21 Skulpturenplätze. Rund 20 Prozent der Aussteller kamen aus dem Ausland. Verglichen mit der ersten Art Karlsruhe, bei der selbst Stuttgarter Galerien sich zierten, ins Badische zu kommen, ist das schon eine beachtliche Leistung, die wesentlich der Gründer und Galerist Ewald Karl Schrade vollbracht hat, indem er glaubhaft über lange Jahre an den Erfolg eines Messestandorts im deutschen Südwesten propagierte.

Die Skulpturenplätze boten diesmal allerdings weniger Neues, als man es in den vergangenen Jahren erleben konnte. So konnte ein ostdeutscher Altmeister wie Fritz Cremer (1906–1993) mit seiner formidablen bildhauerischen Qualität punkten (Galerie Schwind). Ansonsten entdeckte man beim fokussierten Blick beachtliche Details wie etwa das in Stein gemeißelte Facebook-»f« von Eckart Hahn (Galerie Rothamel), das sich unter andere zwielichtige Memoriale mischte. Schade, dass diese Arbeiten des jungen Künstlers ihre magische Kraft im Messerummel nicht so gut entfalten konnte, wie es seine Malerei vermag.

Umso mehr Entdeckungen waren in der Malerei zu verzeichnen. Das verwundert nicht wirklich, da zum einen diese Gattung partout nicht totzureden ist und zum anderen die neuen Medien, selbst die Fotografie, in Karlsruhe nie so recht Fuß fassen konnten. Dies gelingt eher auf Umwegen, etwa über malerische Elemente wie bei Ulrich J. Wolff (Galerie Knecht und Burster). Blickfang in diesem Jahr war u. a. das fünfteilige, 10 Meter lange und über zwei Meter hohe Bild von Rolf-Gunter Dienst (Galerie Schlichtenmaier), betitelt »Voyelles«. Inspiriert wurde es von einem gleichnamigen Gedicht des französischen Enfant terrible Rimbaud, freilich über 100 Jahre später in geläuterter, nahezu minimalistischer Form. Andere Arbeiten im tragbaren Format fallen da schon weniger leicht auf oder ragen gar über die Konkurrenz heraus. Dass Jessica Buhlmann den Art-Karlsruhe-Preis einstimmig zugesprochen bekam, ist für die Stuttgarter Galeristin Anja Rumig und natürlich noch mehr für die Jungkünstlerin eine Bestätigung, die Mut macht: Sie beschreitet mit ihren abstrakten Setzungen, die immer wieder auf der Leinwand zur konkreten Form drängen und zugleich eine lockere, fast schon sinnlich-ästhetische Selbstvergessenheit aussenden, neue Wege in der Geschichte der ungegenständlichen Malerei.

So einhellig die Entscheidung der Jury war, so sehr findet freilich jeder Besucher eine Vielzahl von würdigen Preiskandidaten. Doch gilt auch hier: es kann nur einen Gewinner geben. Dessen ungeachtet seien stellvertretend für all die Hoffnungsträger der Kunst in Deutschland einige Namen herausgepickt, deren Weg man nicht aus den Augen verlieren sollte: Sam Szembek (Galerie Wohlhüter) darf man getrost als einen der wichtigsten Zeichner ansehen, der aus einer einzigen Linie eine elektrisierende Sinnlichkeit und eine flimmernde Räumlichkeit hervorzaubern kann. Claudia Thorban (Galerie Schacher) löst mit ihren lose an der Wand lehnenden Acrylglasplatten und gezeichneten Farnblättern die Wandstruktur und damit die Architektur zugunsten einer naturhaften und kreativen Realität auf. Anna Bittersohl (Galerie Abtart) könnte man als figurativ-gegenständliches Gegengewicht zu Jessica Buhlmann ansehen – ihre großen Leinwände überzeugen durch einen Sinn für Realität, der sich bis in die Abstraktion verfolgen lässt. Dass generell die Übergänge der einst strikt getrennten Positionen abstrakt – gegenständlich heute unter besonderer Beobachtung stehen, erlebt man allerorten. So auch bei Dietmar Brixy (Galerie Tammen), der in seinen pastos auf die Leinwand gequetschten Farbhäufen regelrecht spätbarocke Räumlichkeiten (er)findet. Ganz minimalistisch geht es dagegen bei Thomas Böing (Galerie Hübner & Hübner) zu, dessen Cut-outs vordergründig von De Stijl und konstruktivistischen Stilen beeinflusst scheinen, und bei genauer Betrachtung irreale Zimmerfluchten und Raumschwellen imaginieren. Geheimnisvolle Kulturlandschaften, die keinerlei Architektur aufweisen, gelingen Mahmud Celayir (Galerie Andreae), der von der steinig-kargen Natur seiner türkischen Heimat genauso geprägt ist wie von der deutschen Romantik.

Die Art Karlsruhe gehört mittlerweile zum Pflichtprogramm eines jeden Kunstfreunds im Südwesten. Obwohl sie sich nicht mehr verstecken muss vor größeren Veranstaltungen aber gleichzeitig kaum je mit Basel konkurrieren kann, hat sie ein Format erreicht, das attraktiv genug ist, um internationale Teilnehmer anzulocken, und doch auch seine Intimität erhalten hat. So mancher Besucher baut daher auch gerade darauf, vertraute Positionen anzutreffen. Bei überraschend vielen Galerien bekennt man sich zum Déjà-vu, was nicht automatisch heißt: immer dasselbe, sondern: Wiedersehen macht (auch) Freude. Solange die Balance stimmt.

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