Meldungen aus der Forschung

Die Herausforderung des Objekts – Bericht über den CIHA 2012 in Nürnberg

Teilnehmer aus 46 Ländern und 5 Kontinenten fanden sich vom 16. bis 20. Juli zusammen, um über aktuelle kunsthistorische Themen und Probleme zu diskutieren. Rowena Fuß war für Sie in der Dürer-Stadt unterwegs.

Die Kunstgeschichte ist ein weites Feld. Auf dem diesjährigen internationalen Kunsthistoriker-Kongress hat man gezeigt, wie weit. Statt von Werken oder Arbeiten zu reden, stand das weitaus abstraktere „Objekt“ im Fokus der Aufmerksamkeit. Fragen nach dem Objekt gehören eigentlich in die Gefilde der Philosophie, daher muss der Besucher in Nürnberg umso erstaunter gewesen sein, diesen nun auch in der Kunstgeschichte zu begegnen. Ulrich Großmann, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums (GNM), klärte in seinem Festvortrag darüber auf: Das Titelthema des Kongresses war vom Museum her gedacht. Denn hier werden Objekte ausgesucht und ausgestellt. Und die Herausforderung besteht in der optimalen Präsentation derselben. Da das GNM Ausrichter des diesjährigen CIHA war, mag diese Begründung logisch erscheinen. Ein wenig philosophisch wurde Großmann dann aber doch, als er die Wahrnehmung des Objektes zum zentralen Punkt in der Diskussion des Themas machte. Dies mag einerseits einer zunehmenden Interdisziplinarität im Fach wie beim Untersuchungsgegenstand geschuldet sein, andererseits deutet es darauf hin, dass die traditionelle Kunstgeschichte an ihr Ende gekommen ist.

In diesem Zusammenhang müssen die Vorträge der Sektion 18 »Die Abwesenheit des Objekts und die Leere« oder der Sektion 12 »Jenseits der Aura?« wie ein Nachruf anmuten. Doch allen, die bereits Erde über den Sarg werfen wollen, sei gesagt: Dies ist nicht das Ende. Das Kunstwerk hat im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit weder seine Aura verloren noch sind die Forschungsbereiche für Kunsthistoriker erschöpft. Letzteres bewies der immer prall gefüllte Raum der Sektion 19 »Restitution«, wo zudem auch immer sehr lebhafte Gespräche geführt wurden. Wie Gilbert Lupfer in seinem Vortrag zusammenfasste, hat sich gezeigt, dass die Wirtschaft wesentliche Impulse für die Provenienzforschung an Museen gegeben hat und der Bedarf daran noch nicht gedeckt ist.

Dass die Dematerialisierung eines Bildes nur unsere Sinne berührt, nicht aber das Bild an sich, zeigte Ivan Ruiz in seinem Vortrag »To Destroy/Engender: on the Nonexistence of the Art Object« (Sektion 18). Zur Demonstration nutzte er ein vom mexikanischen Künstler Gabriel de la Mora in 99 Teile gerissenes Landschaftsbild. Vom materiellen Standpunkt aus ist das Bild jetzt Müll, vom geistigen Blickwinkel her wurde es nur transformiert. Zudem klebte de la Mora die Schnipsel auf eine neue Leinwand. Daneben hängte er den ursprünglichen, nun leeren, Rahmen des Werks.

Halten wir also fest: Die Kunstgeschichte lebt und ist dabei, den Weg in die Zukunft zu finden. Es stellen sich bei den neuen Untersuchungsgegenständen, wie der Video Art, allerdings Fragen nach dauerhafter allgemeiner Zugänglichkeit und Archivierung. Dies thematisierte Anna Brzyski in ihrem Vortrag »Missing in Action. Video Art and the Internet«.

Abseits von Zukunftsvisionen demonstrierte die Sektion über Dürers Leben und Werk (Sektion 14) die Stärken des Fachs: den direkten Bezug zum Gegenstand. So spürte Angela Campbell mittels nachgemachter Kupferplatten Dürers technischem Können in seinen Meisterstichen nach. Dagmar Hirschfelder veranschaulichte hingegen anhand der Bildniszeichnungen Dürers Netzwerkbildung, die letztlich auf einen höheren Absatz seiner Werke zielte.

Apropos Können: Trotz des Ablesens vom Blatt war das Englisch der Referenten eher durchwachsen. Man hörte ein deutsch gefärbtes Englisch, ein italienisch gefärbtes Englisch, ein spanisch gefärbtes Englisch und — als absolute Ohrenfolter — japanisch gefärbtes Englisch. Letzteres war in einem Fall durch falsche Intonationspausen derart verzerrt, dass man überhaupt nichts mehr verstand.

Für den nächsten Austragungsort des Internationalen Kunsthistoriker-Kongresses, 2016 in Peking, kann man nur hoffen, dass v.a. die ostasiatischen Teilnehmer fleißig an ihrer Sprachkenntnis feilen, damit viele gute Diskussionen zustande kommen und Anregungen aus dem Publikum aufgenommen werden können.

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