Porträts

Ein Gespräch mit der Künstlerin Ruth Engelmann-Nünninghoff

„Das Wesentliche muss erkannt werden und im Grunde ist es nicht in Worte zu fassen – man kann es nur empfinden.“

Ruth Engelmann-Nünninghoff wurde am 5. Januar 1915 in Köln geboren, wo sie von 1934 bis 1937 an der Werkkunstschule studierte. Als sie in den 1930er Jahren als Modezeichnerin tätig war, ging sie zu den großen Modeschauen in die damalige Modemetropole Paris, in der sie das pulsierende Leben direkt vor Augen geführt bekam. Seit 1945 arbeitet sie als freiberufliche Malerin und ihre wundervollen, farbenfrohen Gemälde wurden u.a. in Ausstellungen in Paris, Genf, Bozen, Nürnberg, Bonn, Köln, Cottbus, Frankfurt/Oder, Düsseldorf, Weimar sowie in einigen Städten des Saarlands präsentiert. Ihre Studienreisen führten sie nach Spanien, Jugoslawien und nach Frankreich in die Bretagne und die Provence. Heute lebt die Künstlerin Ruth Engelmann-Nünninghoff in ihrem Haus in Frankenholz-Bexbach und ist stets aktiv, ob in ihrem künstlerischen Schaffen oder in der Organisation von Ausstellungen in ihrem Heimatort.

„Die Fantasie muss sich regen – das ist herrlich!“

Paul: Sie haben einen äußerst interessanten Werdegang als Künstlerin vollzogen. Wie aber haben Sie den Weg zur Kunst gefunden und wer hat Sie auf diesen Weg geführt?

Engelmann-Nünninghoff: Mein Vater war Architekt und als junger Mann wäre er gerne Maler geworden, aber er bekam immer wieder zu hören, dass mit Malerei keine Familie zu ernähren sei. Ja nun, meine Schwester ergriff den Beruf der Goldschmiedin und ich selbst machte eine zweijährige Schneiderlehre, denn eine Lehre war damals obligatorisch für die Aufnahme in der Kunstwerkschule in Köln. Hier besuchte ich die Modeklasse und strebte schließlich den Beruf der Modezeichnerin und –gestalterin an. Nach meinem Abschluss ging ich nach Berlin, wo ich bei einem Modehaus angestellt war und so mehrmals im Jahr zu den großen Modeschauen nach Paris aufbrechen konnte. Da ich kein Mensch bin, der sich leicht anstellen lässt, habe ich die Meisterprüfung in Köln abgelegt und in Berlin ein eigenes Atelier eröffnet. Dann kam der Krieg und aus war mein lang gehegter Traum von einem im Grünen gelegenen Künstlerhaus in einem schönen Stadtteil Berlins. Aber ich lernte interessante Kunden in Berlin kennen, die aus allen Teilen Deutschlands kamen und für die ich Entwürfe fertigte – es war wirklich eine sehr interessante und lehrreiche Zeit. Sie sehen also, dass ich auf Umwegen zur Malerei gekommen bin. Aber ich habe mir stets mein Ziel klar vor Augen gehalten: Ich will malen. [Bei diesen Worten spürt man die Entschlossenheit, mit der Ruth Engelmann-Nünnighoff ihr ganzes Leben durchwandert hat und es wird deutlich, welch riesige Kraft in der zierlichen Frau mit den aufmerksamen Augen steckt. V.P.]

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Paul: In den 1930er Jahren haben Sie als Modezeichnerin gearbeitet – wie ging es nach dem Zweiten Weltkrieg für Sie weiter?

Engelmann-Nünninghoff: Sie wissen ja, man entwickelt sich das ganze Leben hindurch weiter und trägt diese Erfahrungen mit sich. Und so war es auch bei mir. Was ich als erstes nach dem Krieg machte, waren Wandbehänge. Ich lebte dreieinhalb Jahre am Walchensee und dazu muss ich eine kurze Geschichte erzählen, wie es überhaupt zu diesen Wandbehängen kam. Als ich nach einem längeren Münchenaufenthalt zu einer Verwandten an den Walchensee kam, öffnete ich irgendwann in meinem frisch gestrichenen Zimmer eine Saftflasche, die im selben Moment förmlich explodierte und deren ganzer Inhalt nun im Zimmer verstreut war. Die meisten Flecken waren nicht zu sehen, aber es gab einen unliebsamen Fleck an der Wand. Daraufhin fertigte ich aus meinem alten Rucksack einen Wandbehang mit Sonnenblumen – zu dieser Zeit galt meine große Liebe noch Vincent van Gogh. [Die Künstlerin lacht, wie so oft recht herzlich, als sie in Erinnerungen schwelgend, diese lustige Geschichte erzählt. V.P.]

Paul: Sehen Sie selbst einschneidende Wendepunkte, was Ihren Malstil, den Abstraktionsgrad und die Aussageintention in Ihrer Kunst betreffen?

Engelmann-Nünninghoff: Das, was ich jetzt mache, war in den 1930er Jahren „entartete Kunst“. Ich hatte natürlich schon vor dem Krieg die so genannte „entartete Kunst“ gesehen, die angeprangert wurde, aber ich wollte diese abstrakte Kunst verstehen. Und so war ich nach dem Krieg in Duisburg in einem Museum und sah dort ein kleines Bild von Willy Baumeister – es war eine kleine Farbkomposition, aber ich war sofort davon angesprochen. Ich glaubte damals, dass ich das auch machen könnte, aber das war ein ganz großer Irrtum. So leicht, wie die hingetupften Farben auch aussehen mögen, das kann man nicht einfach. Es ist ein weiter Weg dorthin und man muss viele Entwicklungen vollziehen, um zu dem Kern vorzudringen. Das Wesentliche muss erkannt werden und im Grunde ist es nicht in Worte zu fassen – man kann es nur empfinden. Und so bin ich wieder zu meinen Blumen und Landschaften zurückgekehrt. Man macht beim Malen, wie bei so vielen Dingen im Leben, immer einen Schritt nach dem anderen und schließlich kristallisiert sich die eigene Handschrift heraus.

Paul: Ihre Arbeiten, in der mit „Emotionen“ betitelten Ausstellung, haben – so wurde es bereits in einem Zeitungsartikel formuliert – keinen Strich zu viel, noch lassen sie eine Ergänzung vermissen. Waren Sie auf der Suche nach Reduktion (auf das Wesentliche)?

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Engelmann-Nünninghoff: Das erscheint mir ganz wichtig. Man muss es erleben und erfahren, sonst kapiert man es nicht. Oft habe ich eine Arbeit eine Zeit lang ruhen lassen – ich fotografiere ja häufig meine Bilder auch in ihrem Entstehen – habe irgendwann noch einmal etwas daran verändert und das Bild erneut fotografiert und dabei festgestellt: „Ach Gott, hättest Du die Finger davon gelassen, wär’s besser gewesen.“ Wissen Sie, das ist dieser entscheidende Punkt. Es ist wie mit dem Essen – im richtigen Moment aufhören. Beim Malen gibt es für mich manchmal ein Gefühl – und das ist wirklich ganz selten – da könnte ich auf einmal platzen vor Glück und ich weiß nicht warum. Das Bild ist dann in Farbe und Form – und da spreche ich nur für mich – vollkommen. Ich weiß nicht, was das ist, aber diese Momente gibt es und alleine dafür lohnt es sich zu malen. Wenn meine Bilder anderen Menschen gefallen, dann ist das umso besser und das freut mich sehr.

Paul: „Emotionen“ heißt Ihre derzeitige Ausstellung, die in „Der kleine Kunstbahnhof“ in Eschenau (bei Kusel) zu sehen ist. Warum das Thema „Emotionen“?

Engelmann-Nünninghoff: Wenn sich die Leute für meine Kunst interessieren, dann sollen sie unbefangen an die Bilder herantreten und einfach die Farben und Formen auf sich wirken lassen. Ich habe das bei einem jungen Paar erlebt. Während der junge Mann jenes in dem Bild gesehen hat, glaubte seine Freundin etwas anderes zu erkennen – ich konnte beide Sichtweisen nicht nachvollziehen. Aber gerade darin besteht ja der Reiz und es ist wunderschön, dass es etwas gibt, was die Fantasie anregt, die heute ohnehin an sehr kurzer Leine gehalten wird. Schon bei Kindern wird die Fantasie beinahe im Keim erstickt. Daher auch das Sujet „Emotionen“. Es kommt einfach aus dem Bauch heraus. Ich bin nicht gezwungen zu malen. Ich male, weil es mich einfach danach drängt zu malen und greife nach der Farbe, die für mich im Moment aktuell ist. Und wenn eine Farbe dazu kommt, dann kommt sie automatisch.

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Paul: Gibt es in Ihren Arbeiten immer aktuelle Bezüge? Erhalten Sie von Ihrer Umgebung Ihre Inspirationen oder ist es mehr die „innere künstlerische Schaffensquelle“, die aus Ihnen heraussprudelt?

Engelmann-Nünninghoff: Die aktuellen Bezüge liegen in mir – wie in jedem anderen Menschen auch. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass nur derjenige, der intensiv lebt und erlebt, Reife erlangen kann. So finden meine Ideen immer Anregung durch menschliche Ereignisse und Schicksalsschläge – ob nun in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis. Meistens schlägt sich bei mir diese persönliche Verarbeitung in drei Phasen nieder. Die erste Phase ist sehr aufgewühlt, die zweite etwas ruhiger, um Kraft zu schöpfen und schließlich klingt in der dritten Phase die Verarbeitung aus. Das Malen hilft mir ganz einfach und manchmal glaube ich, dass ich ohne mein Malen nicht mehr wäre.

Paul: Wie sehen Sie das heutige Verhältnis der Gesellschaft zur Kunst? Glauben Sie, dass Kunst zusehends an den Rand des gesellschaftlichen Interesses rückt?

Engelmann-Nünninghoff: Das kann ich so eigentlich nicht sehen, denn Museen sind zu keiner Zeit überlaufen gewesen. Es hat immer schon kunstinteressierte Menschen gegeben und natürlich auch Menschen, die keinen Zugang zur Kunst finden. Da hat sich, glaube ich, im Laufe der Zeit nicht viel verändert. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: was mir zum Beispiel bei Ausstellungseröffnungen als das Wesentliche erscheint, sind die Begegnungen von Menschen, die offen und interessiert der Kunst entgegentreten und dadurch zu guten Gesprächen angeregt werden. Das ist doch der Kern von Kunst – sie soll Menschen zusammenführen, deren Horizont erweitern und sie in diesem Sinne bereichern.

Zur Ausstellung Emotionen

Die Ausstellung „Emotionen“ ist ein wahrer Augenschmaus in der offenen Galerie des Malers und Grafikers Dietmar E. Hofmann. In den Räumen des ehemaligen Bahnhofs, der 1987 unter Denkmalschutz gestellt wurde, findet der Betrachter eine wunderbare Szenerie, in welcher der Besuch zu einem überraschenden Kunstspektakel werden kann. In den Räume, die schon Kunstwerke von Künstlern wie Klaus Fresenius, Brigitte Kranich, Xaver Mayer, Gabriele di Chiriaco, Fernando d’F. Pereira, Alexander Geldermans oder Dietmar E. Hofmann selbst – um nur einige zu nennen – beherbergt haben und beherbergen, finden sich nun die großartigen Werke von Ruth Engelmann-Nünninghoff. Durchdrungen von kräftigen Farben, vom Mut der Farbe ihre Leuchtkraft zu lassen und dem Wissen, wann kein weiterer Strich mehr von Nöten ist, um das Werk als „vollendet“ zu betrachten, erscheinen dem Betrachter Engelmann-Nünninghoffs Arbeiten in einer einzigartigen Anziehungskraft.

Anmerkung
Sämtliche Abbildungen und Fotos wurden von Ruth Engelmann-Nünninghoff und Dietmar E. Hofmann zur Veröffentlichung für Portal Kunstgeschichte frei gegeben.

 

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