Porträts

Ein Traum von Kunst

Bereits hundert Meter vor der Einfahrt auf das ehemalige Industriegelände Pfaff, dass jetzt in den Händen der RaumFabrik-Investoren ist, liegt Kunst in der Luft. Warum sonst würde sich ein Hotel nach der berühmten expressionistischen Künstlergruppe „Der blaue Reiter“ nennen?

Tatsächlich ist der Standort Pfaffgelände letztlich nicht ohne entscheidendes Mitwirken der Künstler der Plakatwand zu einem Forum für zeitgenössische Kunst geworden. 19 Künstlerinnen und Künstler haben mit 30 großformatigen Bildtafeln das Gelände „okkupiert“. Die unterschiedlichsten, zum Teil noch aus der Jahrhundertwende stammenden, Gebäude, dienen als Präsentationsfläche dieser „Kunst im öffentlichen Raum“. Dabei erschließt sich die große Anzahl der Bilder nur durch einen ausführlichen Rundgang auf dem gesamten Gelände. Immer wieder biegt man um eine Ecke, und es eröffnet sich die Sicht auf eine weitere Bildgruppe. Steril und puristisch ist diese Art der Präsentation freilich nicht. Eine der Bildgruppen muss sich in Konkurrenz zu einem realen „Stillleben mit Bagger und Bauzaun“ behaupten, eine besondere Herausforderung, wenn der Mond hinter der alten Lagerhalle aufgeht und der Szene zusätzlich eine gewisse Dramatik verleiht. Andere Plakatwände scheinen mit den Fenstergruppen im Dialog zu stehen, indem sie ihre Anordnung reflektieren und sich gleich ihnen homogen in das Mauerwerk fügen. Auch scheinen die Häuserwände als Hängefläche, mit nostalgisch rotem Ziegelmauerwerk und schmutzigem Wellblech, mal mehr und mal weniger geglückt.

Die Investorengruppe um den Durlacher Architekten Schahyrar Essari hat das vormals geschlossene Industrieareal des Nähmaschinenherstellers Pfaff durch seine Öffnung und Umnutzung erlebbar gemacht. Mit seinem zusätzlichen Engagement in Sachen Kunstpräsentation unter freiem Himmel außerhalb der gewohnten Ausstellungsorte Museum und Galerie erwies er sich als innovativer Gestalter des Stadtraumes in zweifacher Hinsicht. Die Investoren wünschen sich eine „ Wiedereingliederung der grauen Industriebrache in die Stadt Durlach“, die Kunst könnte hierbei als Anreiz dienen, gezielt das Gelände mit der „Industrieromantik“ aufzusuchen. Denn auch wenn Kunst hier öffentlich, für jedermann frei zugänglich, präsentiert wird, so scheint sich Öffentlichkeit doch an anderen Orten abzuspielen. Außer den Angestellten der Unternehmen, deren Büros und Parkplätze hier angesiedelt sind, begegnet man vor Ort kaum einer Menschenseele, man tummelt sich lieber auf der Terrasse beim Italiener im Eingangsbereich zum Areal.

Hatten die Gründer der RaumFabrik nicht zunächst den Namen TraumFabrik im Sinn, und ist er angeblich nicht nur wegen eines Übertragungsfehlers nicht zustande gekommen? Träumen die Investoren von einem weiteren Ausbau des Areals mit Wohnungen über den ehemaligen Fabrikhallen und einer angemessenen Inszenierung des alten, stehen gebliebenen Industriekamins, so träumt der Kunstliebaber von größeren Besucherzahlen für die geschätzten Werke. Aber solange wir noch träumen „müssen“, können wir wenigstens ungestört bei einem abendlichen Spaziergang das „wilde Flair“ des halbsanierten Areals und der Bilder genießen.

Dieses Porträt entstand im Rahmen der von Dr. Kirsten Claudia Voigt geleiteten Übung „Künstler im Porträt, eine Schreibwerkstatt“ des SS 2005 am Institut für Kunstgeschichte der Universität Karlsruhe.


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