Ausstellungsbesprechungen

Eiszeit - Kunst und Kultur, Kunstgebäude, Stuttgart, bis 10. Januar 2010

Man stelle es sich vor – eine Venus-Darstellung in greifbarer Nähe zu wissen, die sage und schreibe 35000 oder sogar 40000 Jahre auf dem Buckel hat. Sie stammt von der Schwäbischen Alb und war bisher noch nicht auf Reisen. Schließlich wurde sie erst 2008 entdeckt! Nun ziert sie die womöglich größte Schau über die Eiszeit, über deren Kunst und Kultur.

"Venus"-Figur aus Mammut-Elfenbein vom Hohle Fels bei Schelklingen©Institut für Ur- und Frühgeschichte, Foto: Hilde Jensen Mammutfigur aus der Vogelherd-Höhle©Institut für Ur- und Frühgeschichte, Foto: Hilde Jensen
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Damit nicht genug: Unter den 1000 Exponaten sind die bedeutendsten Funde jener vorgeschichtlichen Periode versammelt, neben der „Venus aus dem Hohle Fels“ sind das etwa der berühmte »Löwenmensch« oder die Frauendarstellungen von Nebra. Es ist allerdings schon ein schieres Vergnügen, auch die vielen namenlose Kleinode zu betrachten, was wörtlich zu verstehen ist, denn zahllose winzige Steine zeugen von dem Streben des evolutionär erwachenden Menschen gestalterisch auf seine Umgebung einzuwirken. Was uns heute daran in Staunen versetzt, ist die Tatsache, dass die minutiöse und millimetergenaue Sondierung unserer Erde mit Hilfe der Archäologie überhaupt solche Kunstwerke von der Größe eines kleinen Fingernagels zutage fördert. Beeindruckend ist auch der Versuch, die ergrabenen Musikinstrumente, etwa Flöten aus Knochen, über Lautsprechertechnik zum Klingen zu bringen – es war tatsächlich möglich, Melodien zu erzeugen, wie immer sie sich konkret in der Eiszeit angehört haben.

Die große Landesausstellung widmet sich der erdgeschichtlichen Epoche in all seinen Facetten, das heißt, es gibt natürlich nicht nur Kunstwerke zu sehen. Vielmehr entfalten die Macher der Mammutschau einen Rundumblick über alle bekannten Lebenslagen des Eiszeitmenschen. Der Jäger ist dabei genauso Thema wie der Künstler, die Waffe und das Zelt, genauso wie die Musikinstrumente und Fruchtbarkeitssymbole. Als Ausstellungs-»Gegenstand« darf man hier den Urheber dieser Objekte nicht vernachlässigen, der ihnen zeitlich lange vorausgeht. So spektakulär die uralten Kunstwerke sind, so ehrfurchtsvoll dürfte der Besucher vor den Resten des Homo erectus oder des Homo steinheimensis stehen: der eine ist 500000, der andere 250000 Jahre alt. Dank einer bis in den letzten Winkel ausgeklügelten Ausstellungsarchitektur, die auch in der Präsentation der Szenerien und Einzelobjekte Rücksicht auf Kinder nimmt, macht den Besuch zum Erlebnis für die ganze Familie – manch reine Kunstausstellung könnte sich davon inspirieren lassen. Alle Register wurden gezogen: Von der nüchternen Informationstafel an der Wand, welche uns immerhin mit einem Sprung um zig-, ja hunderttausende von Jahre in die Vergangenheit mitnimmt, über Modellinstallationen bis hin zur  Präsentationder ältesten Artefakte der Menschheit in schatzkammermäßig beleuchteten Schaukästen ist an alles gedacht, was den Betrachter bei Laune hält. Selbst die einfühlsamen bunten Zeichnungen an den Ausstellungswänden, die uns das mutmaßliche Antlitz des prähistorischen Menschen nahe bringt, sind von ausgesprochener Qualität. Audioguides stehen übrigens für Eltern wie für Kinder bereit, um die vielen Eindrücke, die diese grandiose Schau von 80 Leihgebern aus 14 Ländern vermittelt und auf 2500 Quadratmetern ausbreitet, lehrreich und unterhaltsam zu kanalisieren.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten
Montag bis Sonntag 10 - 18 Uhr
Donnerstag bis 21 Uhr
Heiligabend und Silvester geschlossen

Eintritt
Erwachsene: 10 Euro
Familien (2 Erwachsene, Kinder bis 16 Jahre): 20 Euro
Kinder bis 6 Jahre: Eintritt frei
Ermäßigt (Schüler, Studenten, Grundwehr- und Zivildienstleistende, Arbeitslose, Schwerbehinderte gegen Vorlage eines
entsprechenden Ausweises): 8 Euro
Gruppen (ab 15 Personen), pro Person: 8 Euro

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