Ausstellungsbesprechungen

Elodie Pong – Around Life’s Central Park, Kunstsammlung im Stadtmuseum Jena, bis 3. Juni 2012

Die amerikanische Videokünstlerin Elodie Pong widmet sich komplexen Fragestellungen, die den aktuellen Diskurs moderner Gesellschaften widerspiegeln und überträgt diese in eindrucksvolle Bilder. Was wohl ein Koks schniefender Pinocchio oder ein Pandabär an der Stripperstange den heutigen Kindern vermitteln sollen? Rowena Fuß hat es sich angeschaut.

Der Rundgang beginnt mit dem Video »Je suis une bombe« (2006). Hier tanzt eine Frau im Pandakostüm um die bereits erwähnte Stange. Den Hintergrund dafür bildet ein schäbiger kahler Raum, an dessen Wänden der Putz bröckelt und der nur durch eine rotierende mehrfarbige LED-Kugel etwas Glanz erhält. Nach wenigen Runden legt der Panda seinen Kopf ab und die Frau kommt auf den Betrachter zu. »I am a bomb. I am perfect from bottom to top«, sagt sie auf Französisch — der englische Untertitel läuft während ihres Lobliedes auf die Frau am unteren Bildrand mit. Pong spielt hier mit unserer Wahrnehmung von Weiblichkeit. Die Frau im niedlichen Pandakostüm will nicht unterschätzt werden. Denn auch der Panda ist trotz seines knuffigen Aussehens ein bärenstarkes Raubtier. In einer Zeit, in der Frauen mit Diäten und einem perfekten Aussehen in den Wahnsinn getrieben werden oder mit Erfolg im Beruf und der Familie, ist Pongs Video eine geradezu beruhigende Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins.

Auch ihr Video »Ersatz« (2011) verhandelt das subjektive Empfinden in einer offenen Gesellschaft. Hier geschieht es über die Sprache. Auf einem Bett sitzt ein Paar, das in stockender Art und Weise nicht nur über das Wort »Ersatz« philosophiert, sondern damit auch bestimmte Empfindungen ausdrückt. Sätze wie »Dein Haar ist Haarsatz, deine Nose ist Nosesatz« oder »Was hältst du von Ersatz? — Ich bin auch ein Ersatz« geben über ihre Auffassung, ein „Ersatz“ zu sein, Auskunft.

Für die Künstlerin, die Soziologie studiert hat, stellt Sprache ein Material der Innerlichkeit dar, das mit zweideutigen meist komödiantischen Bildwelten konterkariert wird. Sie erkundet in ihren Videos und Installationen das breite Spektrum von Sprache, das wir nutzen, um Entfremdung auszudrücken, Kontakt herzustellen oder unseren Platz in der Gesellschaft zu finden.

Als Theater für persönliche Projektionen bietet sich auch »Sculptures« (2011) an. Zu sehen sind drei Personen auf weißen Büchersockeln. Diese nehmen alternierend Posen aus dem Ballett und Sport sowie dem militärischen und erotischen Bereich ein. Das Video ist eine Hommage an Walter Benjamins Essay »Ich packe meine Bibliothek aus. Eine Rede über das Sammeln« (1931). Darin schreibt er, dass alles Erinnerte, Gedachte, Bewusste Sockel, Rahmen Postament, Verschluss wird.

Parallel dazu kommuniziert die Künstlerin ihre Eindrücke der heutigen Kultur auf monochromen Leinwänden mit Sätzen wie »the moment before the gun went off«, »Nacht, Tag und Nacht« oder »Alors la Chine?«, die wie Frageblöcke im Raum hängen. Sie bieten dem Betrachter viel Raum für eigene Interpretationen.

Zu den vielschichtigsten Arbeiten gehört »After the Empire« (2008). Für den Film lässt Pong ihre Schauspieler in bekannte Rollen schlüpfen, z.B. Marilyn Monroe, Karl Marx, Martin Luther King, Pinocchio, Batman und Robin. Alle sind Ikonen, die aber bei Pong ganz anders agieren: Marilyn singt Madonnas »Material Girl« für Karl Marx, Batman und Robin turteln miteinander, Pinocchio zieht sich eine Nase voll Kokain und tanzt dann völlig berauscht im Raum. Im Stil einer Internet-Sex-Werbung tanzt auch eine asiatische Frau im Minnie Mouse-Dress vor einer Plakatwand mit einer zerstörten Industrielandschaft. In einer nachfolgenden Szene kommt ein Elvis-Darsteller dazu, den Minnie aber leider nicht versteht. Der Film pendelt zwischen Zitat, Kulturkritik und Humor. Batman und Robin bedienen sich in ihrem Dialog beispielsweise bei Godards Film »Die Verachtung« (1963). Dieser ist wiederum Ausdruck von Godards Verachtung für die Filmindustrie Hollywoods, aber auch für seine Liebe zum Film bzw. zum Filme machen.

Zum Schluss läuft »Endless Ends« (2009). Es handelt sich bei dem Film um eine Montage verschiedener Filmenden. »The End« aus »Casablanca« ist genauso darunter wie seine Äquivalente aus »Manche mögen’s heiß« oder »16 Uhr 15 ab Paddington« (engl. Murder she said). Heute zugunsten eines offenen Filmendes aufgegeben, lässt Pongs Arbeit die Nostalgie alter Filme wieder aufleben. Erfüllt von den reichhaltigen Eindrücken verlässt man die absolut sehenswerte Ausstellung daher nur ungern.

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