Ausstellungsbesprechungen

Esther Teichmann: Mondschwimmen, rem│ZEPHYR — Raum für Fotografie Mannheim, bis 30. August 2015

Die Werke Esther Teichmanns bewegen sich irgendwo zwischen Fotografie, Collage, Film und Skulptur. Das beweist sie auch in ihrer Ausstellung in Mannheim, in der die einzelnen Werke zu einer großen Installation verschmelzen. Anna Quintus ist begeistert.

Betritt man als Ausstellungsbesucher die Galerieräume ZEPHYR des Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim so wird man beim Betreten der aktuellen Ausstellung gleich von sanften Klängen eines kleinen Streichorchesters umschlossen. Diese begleiten den Besucher mit nur kurzen Unterbrechungen durch die gesamte Ausstellung. Man kann sogleich erahnen, welchen Einfluss diese musikalische Untermalung bei der Betrachtung der Ausstellungsobjekte auf die Wahrnehmung eines jeden Besuchers haben wird.

Die Ausstellung zeigt die erste museale Einzelausstellung der Londoner Künstlerin Esther Teichmann. Teichmann wurde 1980 in Karlsruhe geboren, sie hat Fotografie studiert und am Royal College of Art in London ihren Doktor gemacht. Die aktuelle sinnliche Werkschau ist zum Teil eigens für die Mannheimer Ausstellung geschaffen worden. Zu sehen sind Fotografien, Collagen, Skulpturen und Filme hauptsächlich aus ihrer Serie »Fractal Scars, Salt Water and Tears« und »Mythologies« die sich am Ende zu einer großen multimedial erlebbaren Installation zusammenfügen. Den Kernpunkt der Werke bildet die menschliche Sehnsucht nach Sinnlichkeit, Intimität und Erotik. Es werden dabei aber nicht nur die positiv konnotierten Gefühle bildlich in Szene gesetzt, sondern eben auch die schmerzhafteren, leidvolleren Erfahrungen von Verlust, ungestillter Sehnsucht und Verlangen.

Eingebettet sind diese menschlichen Gefühlssehnsüchte in den thematischen Schwerpunkt vom Zauber des Wassers und seiner existentiellen sowie symbolischen Bedeutung. So befinden sich die dargestellten Personen beinahe ausschließlich im oder auf dem Wasser, ob nackt durchs klare, sanft den Körper umschließende Wasser ziehend oder ruhend, in sich gekehrt in einem Boot sitzend. Diese fotografischen Mensch-Wasser-Konstellationen hat Esther Teichmann als Großformatnegative selbst im Labor abgezogen. Ihnen werden im Ausstellungszusammenhang als Pendant Algen- oder Muscheldarstellungen, oft als Silberdruck oder Skulptur, zur Seite gestellt. Für den Betrachter manchmal ganz perfide in Form einer Bildcollage, sodass man sich seiner Zusammengehörigkeit nicht entziehen kann, manchmal einfach nur in derselben Ausstellungsnische. Die Zusammenführung der einzelnen Objekte zu einem sinnlich Erfahrbaren obliegt dann jedem Betrachter selbst. Dabei wird die Muschel von der Künstlerin als Symbol der jungen weiblichen Sehnsucht nach Lust, Nähe und Intimität eingesetzt, etwa indem sie auf den Fotografien deren länglich glatte, sich sanft öffnende Seite abbildet. Die Algen hingegen werden außerhalb ihrer Existenzgrundlage, dem Wasser, leicht angetrocknet fotografisch dargestellt und illustrieren den natürlichen Alterungsprozess. In den Videoinstallationen hingegen befinden sich auch die Algen in ihrer natürlichen Umgebung und bewegen sich frischen Lebens gleichmäßig im Wasser.

Auffällig ist, dass ausnahmslos keine der dargestellten Personen direkten Blickkontakt zum Ausstellungsbesucher sucht. Der Blick bleibt stets ostentativ abgewendet. Die Künstlerin macht so nachdrücklich deutlich, dass es nicht um ein spezifisches Seelenleben handelt, sondern dass sich jeder selbst in das Innere des Dargestellten einfügen kann. Selbst in der Videoinstallation zum Ende der Ausstellung, in welcher sich eine junge Frau nackt auf einem kaiserlich anmutendem Himmelbett rekelt, ist ihr Gesicht, falls es sich dem Betrachter zuwendet, mit ihren langen schwarzen Haaren bedeckt. Hier löst sich auch das Rätsel um die musikalische Untermalung auf. Denn diese gehört offenkundig zu jener Videoinstallation mit der jungen Frau. Ihre langsamen, sanften Bewegungen sind rhythmisch im Takt des Streichensembles. Das Musikstück wurdeauf Anfrage Esther Teichmanns eigens von der renommierten Komponistin Deirdre Gribbin für diese Installation geschaffen. Der Beobachter kann sich mit seinen Gefühlen und Erfahrungen in diese von der Künstlerin geschaffene Traumwelt hineinziehen lassen und Eigenes hineinprojizieren. Ihre Objekte fungieren als Auslöser eines Denk- und Gefühlsprozesses beim Betrachter.

Im letzten Raum der Schau können für den Besucher noch vorhandene, ungeklärte Fragen entschlüsselt werden. Denn den Schlusspunkt bilden eine Installation und eine erfahrbare Bibliografie zur Ausstellung. Lauscht der Besucher den Worten der Künstlerin, welche in der Videoinstallation zu hören sind, wird ihm einiges über den Entstehungs- und Entwicklungsprozess der Werkreihe vermittelt. Aber auch beim Schmökern durch die ausgewählten Bücher, welche zum Teil Anmerkungen von Esther Teichmann enthalten, kann der Besucher den Arbeitsprozess der Künstlerin nachvollziehen. Der Ausstellungskreis scheint sich zu schließen, der angeregte Denkprozess jedoch kommt somit noch lange nicht zum Ruhen.

Fazit: Die Ausstellung ist absolut sehenswert. Auch dem Begleitprogramm sollte man besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. So findet am Abend des 11. Juli die erste »Teichmanniade« statt. Dabei wird das Musikstück Gribbins live durch das Londoner Benyounes Quartett aufgeführt, sowohl Komponistin als auch Künstlerin werden anwesend sein.

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