Ausstellungsbesprechungen

Farbwelten – Von Monet bis Yves Klein. Meisterwerke aus dem Kaiser Wilhelm Museum Krefeld. Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen, bis 24. 1. 2010, sowie später in Erfurt, Würzburg, Cottbus, Freiburg und Rotterdam

Wenn Kunst auf Reisen geht, dann hat auch sie etwas zu erzählen. Das Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum wird renoviert und wie es mittlerweile guter Brauch geworden ist, schicken die Museumsleute ihre Stars durch die Republik und sogar noch über die niederländische Grenze. Ob den Arbeiten nun die Lagerung in Depots oder der Transport mehr schadet, sei dahingestellt – auf jeden Fall ist es ein Segen, wenn fast 60 Gemälde und Plastiken von Kandinsky bis Yves Klein, von Monet über Mondrian bis zu Moholy-Nagy zum Betrachter oder ihm zumindest näher kommen. Darüber hinaus kann die außergewöhnliche Krefelder Sammlung im „Fremdeinsatz“ ihre Schokoladenseite wieder ganz neu ausrichten, um mit Willkommensgruß und unter neugierigen Blicken frisch zu wirken.

Claude Monet: Das Parlament, Sonnenuntergang, 1904
Claude Monet: Das Parlament, Sonnenuntergang, 1904

Knapp über drei Dutzend Künstler geben sich hier ein Stelldichein, um mit ihrer Präsenz auch auf eine hundertjährige Sammlungsgeschichte aufmerksam zu machen. Freilich kann eine Auswahl kaum repräsentativ sein. Nach dem Geburtsjahr sortiert sind zu sehen:

Ludwig Thoma (1839–1924), Auguste Rodin (1840–1917), Claude Monet (1840–1926), Max Liebermann (1847–1935), Christian Rohlfs (1849–1938), Ferdinand Hodler (1853–1918), Lovis Corinth (1858–1925), James Ensor (1860–1949), Alexej von Jawlenski (1864–1941), Wassily Kandinsky (1866–1944), Emil Nolde (1867–1956), Johann Thorn Prikker (1868–1932), Max Slevogt (1868–1932), Ernst Barlach (1870–1938), Piet Mondrian (1872–1944), Paula Modersohn-Becker (1876–1907), Paul Klee (1879–1940), Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Heinrich Nauen (1880–1940), Wilhelm Lehmbruck (1881–1919), Pablo Picasso (1881–1973), Erich Heckel (1883–1970), Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), Franz M. Jansen (1885–1958), Oskar Kokoschka (1886–1980), Willi Baumeister (1889–1955), Heinrich Campendonk (1889–1957), Gerhard Marcks (1889–1981), Carl Buchheister (1890–1964), Max Ernst (1891–1976), László Moholy-Nagy (1895–1946), Georg Muche (1895–1987), Friedrich Vordemberge-Gildewart (1899–1962), Lucio Fontana (1899–1968), Yves Klein (1928–1957), Antoni Tàpies (geb. 1923), Piero Manzoni (1933–1963).

Diese Parade der klassischen Moderne lässt auf den ersten Blick wenige Überraschungen erahnen, auch gehört kaum Mut dazu, eine solche Sammlung aufzubauen, bedenkt man, dass die ersten Ankäufe zum 20. Jahrhundert getätigt wurden,, wodurch das Krefelder Museum bereits etablierte Künstler ins Haus holen konnte. Gerade einmal drei der Protagonisten sind im 20. Jahrhundert geboren. Allerdings könnte der Eindruck auch täuschen, zumal immerhin mehr als die Hälfte der Künstler 1880 oder später geboren wurden: Die kühne »Eva« von Rodin wurde, wie es scheint, eben ausgeführt, um ein Jahr später, 1900, nach Krefeld geholt zu werden – die ganz und gar ungöttliche Frau, die schamvoll ihr Gesicht zu verbergen versucht, aber nicht ihre Scham bedeckt, wird so manchem damaligen Betrachter gegen den Strich gegangen sein. Das fulminante Opus »Das Parlament, Sonnenuntergang« von Claude Monet bereicherte das Museum auch schon früh, seit 1907. Aufhorchen wird man, wenn man im Kleingedruckten des Ausstellungskatalogs liest, dass Max Slevogts »Parkansicht« (1912) im Jahr 1937 erworben wurde, als nahezu zeitgleich Bilder von Jawlensky und Nolde beschlagnahmt wurden, um sie in der Ausstellung über die so genannte „Entartete Kunst“ in München zu zeigen. Insgesamt zeigten die Krefelder ein Händchen für werthaltige Kunst; die letzten Ankäufe oder Schenkungen betrafen Moholy-Nagy und Yves Klein, der mit einer seiner Arbeiten erst 1979 dazu kam. Die im Titel angesprochenen Eckmarken, Monet und Klein, sind also mit Bedacht gewählt und nicht (nur) Blickfänge – sie markieren etwa den Beginn und recht präzise das Ende der hier ausgewiesenen Sammlungstätigkeit. Wenn der Haupttitel auf ein konkretes Thema verweist, widerspricht das nicht dem historisch angelegten Konzept, denn das Museum war früh bemüht, die Farbe als Hauptträger der Malerei zu beleuchten. Ausstellungen im ersten Jahrhundertdrittel befassten sich mit einer »Farbenschau« (1902) oder schlicht mit »Farbe« (1928). Aus diesen späten 1920er Jahren stammt Jawlenskys »Symphonie Rot-Schwarz«, die Tradition der Farben-Apotheose reicht bis zum patentierten IKB (International Klein Blue), dem speziellen Blau bei Yves Klein.

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Neben den vielen  etablierten Stars sind es jedoch auch die weniger bekannten Namen, die Aufmerksamkeit verdienen: Thorn Prikker, in Fachkreisen weit höher gehandelt als im allgemeinen Bewusstsein verankert, trägt mit fast berauschenden Bildern zur bunten Schau bei, Nauen und Jansen bereichern sie um markante Porträts. Selbst Max Ernst bietet mit seiner »Marine verte« ein schönes, selten gezeigtes Werk, ganz zu schweigen von einer hinreißenden »Stille vor dem Sturm« von Hans Thoma, das viele bekanntere Arbeiten dieses Realisten in den Schatten stellt. Heinrich Campendonk, durchaus einer der Hauptmeister der Ausstellung, ist durch mehrere Arbeiten vertreten, die allein durch den »Pierrot mit Schlange« oder »Die Armen« schon Anlass sein sollten, den Bremer (und in Folge Erfurter, Würzburger u.a.) Farbwelten nachzureisen. Als gewitzten Schlusspunkt zeigen sie eine Watte-Arbeit des über 75jährigen Nesthäkchens Piero Manzoni, das den hier erstaunlichen Titel »Achrome«, d.h. ›unfarbig, farblos‹, trägt. Weiß kommen auch die Bildbeispiele von Tapies und Fontana daher. Ein diskreter Hinweis, dass »Farbwelten« nicht zwingend bunt sein müssen.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten in Paula Modersohn-Becker Museum:
Di. - So. 11 - 18 Uhr

Eintritt in Bremen:
Einzeltickets für Erwachsene: 5 €, ermäßigt 3 €
Kinder bis 7 Jahre: kostenlos
Familien (zwei Erwachsene mit bis zu vier Kindern): 12 €

Die genauen Termine der Ausstellung in den nachfolgenden Museen sind:

Kunsthalle Erfurt, 7.2.–2.5.2010
Museum im Kulturspeicher Würzburg 29.5.–1.8.2010
Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus 15.8–24.10.2010
Museum für Neue Kunst Freiburg 5.11.2010–30.1.2011
Chabot Museum Rotterdam März – Juni 2011

Katalog zur Ausstellung:
Rainer Stamm (Hrsg.): Farbwelten. Von Monet bis Yves Klein. Werke der klassischen Moderne aus den Kunstmuseen Krefeld. Bremen 2009. ISBN 978-3-9810296-4-2

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