Ausstellungsbesprechungen

Fernando Botero

Dralle Formen kommen uns in den Sinn, wenn wir an den 1932 in Medellín (Kolumbien) geborenen Fernando Botero denken – den in seiner lateinamerikanischen Phantasie schwelgenden Erben des großen Peter Paul Rubens.

Doch während der barocke Ahnherr in vollem Ernst gleichsam den Kosmos in den Griff bekommen wollte, nahm Botero immer wieder die Kunstgeschichte selber aufs Korn, indem er sich gewichtige Werke wie die »Mona Lisa« oder die bekannte »Hochzeit der Arnolfini« in seiner unverwechselbaren, irrwitzig-komischen Gummipuppenästhetik anverwandelte und in sein Werk mit Figurengruppen, Stillleben und Tierdarstellungen integrierte, das selbst da noch zum Lachen einlud, wenn es die Herren Drogenhändler und Diktatoren hoch zu Ross darstellte. Nur eines sind seine Arbeiten nie gewesen, schlicht-naiv, wie mancher Betrachter gerne vermutet. Nein, eine Welt für sich, stimmig bis in die wurstdicken Fingerspitzen: Man würde mit denselben auf dargestellte Personen zeigen, die schlank daher kämen. (Einen dünnen Wurm kann man in dem opulenten Birnenstillleben von 1976 ausmachen, ausgerechnet.) Dick ist chick!, so könnte die Botschaft heißen, die vom XXL-Kosmos herüberschallt. Aber Botero, der sein fiktives Personal noch nicht einmal für vollschlank hält, geht freilich weiter, wenn er sagt: »Das Problem liegt darin zu bestimmen, woher der Genuss beim Betrachten eines Bildes kommt. Für mich kommt er aus der Verherrlichung des Lebens, die in der Sinnlichkeit der Formen liegt.« Einen größeren Kontrast wie den etwa zu den lang gestreckten Figuren El Grecos oder Giacomettis kann man sich kaum vorstellen – und die stehen eher für die durchgeistigte als die sinnliche Natur des Menschen.

 

So weit also zur Ästhetik Fernando Boteros. Doch 2005 war quasi aus mit lustig. Dem Meister der dicken schönen Welt war die Bild gewordene Körperfülle nicht mehr genug, als es um die Folter im berühmt-berüchtigten Gefängnis ›Abu Ghraib‹ ging. Für seinen politisch brisanten, 48teiligen Zyklus nahm er kein Blatt vor den Mund und brüskierte selbst eingefleischte Botero-Fans. Vorläufer gab es auch im Werk selbst: »Das Massaker der Unschuldigen« von 1967 oder – unmittelbarer – die Raubmordszenerie unter dem Titel »20.15 Uhr«. Doch diese starken Arbeiten am Rand des Œuvres verdeutlichten nur den Ernst, mit dem der Künstler generell ans Werk geht. Allerdings sind die Abu-Ghraib-Bilder eine Abkehr von allem Bisherigen, was Botero gemalt hat, allzu deutlich tauchen die Medienbilder aus dem Fernsehen in uns auf, die die Folterszenen so irritierend aus dem Fiktionsraum reißen. So wird die Präsentation bei Würth sicher keine einfache sein, aber sie ist wichtig.

 

Ursprünglich als Retrospektive von einigen zig Bildern gedacht, weitete sich das Ausstellungskonzept auf über 100 Gemälde und Zeichnungen aus. Und als die Abu-Ghraib-Serie bekannt wurde, die zuvor nur im römischen Palazzo Venezia gezeigt wurden, war es klar, dass das Museum Würth die sicher größte Botero-Ausstellung aller Zeiten in Deutschland inszenieren würde. Begleitet wird die Schau wieder von einem Katalog aus dem Hause Swiridoff, in dem der »ganze« Botero beleuchtet wird, unter anderem mit einem Essay des grandiosen Schriftstellers Mario Vargas Llosa.

 

 

Öffnungszeiten

Mo–So 10–18 Uhr

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