Ausstellungsbesprechungen

Francis Alÿs – Fabiola, Schaulager / Haus zum Kirschgarten, Basel, bis 28. August 2011

Der belgische Künstler Francis Alÿs sammelt seit fast 20 Jahren Bildnisse der Heiligen Fabiola, die er stetig an speziellen Orten präsentiert. Listig nutzt er die Sammlung als trojanisches Pferd, dringt in immer neue Räumlichkeiten ein und besetzt diese. Seinen Bilderschwarm bettet er in die neue Umgebung ein und leuchtet so neue und einmalige Aspekte der Sammlung wie auch des Gastortes aus. Günter Baumann hat sich die Inbesitznahme in Basel angeschaut.

Um die hl. Fabiola, eine wenig bekannte Heilige des frühen Christentums, ausgerechnet im protestantischen Basel zeigen zu können, musste man zwar keine Berge versetzen, aber doch immerhin das renommierte Schaulager temporär in ein gut-, ja großbürgerliches Ambiente umquartieren. Der Aktionskünstler Francis Alÿs hielt es zunächst für unpassend, seine nostalgisch anmutende Heilige im nüchtern-modernen Rahmen zu präsentieren. Erst der anvisierte Wechsel des Schauplatzes ins so genannte Haus zum Kirschgarten weckte seine Neugierde. Dafür zog nun nicht nur das Bildnis der katholischen Heiligen in die Stadt, sondern gleich eine Heerschar davon: in einer faszinierenden Multiplizität hat sie das Haus in Besitz genommen, und zwar in einer Gleichmütigkeit, die ansatzweise durchaus etwas Gespenstisches hat. Soweit kommt es im Ganzen betrachtet nicht, fügen sich die Profilbildnisse doch im wohlgesetzten Ensemble mit ihresgleichen oder als Miniatur im Umfeld des biederen Interieurs bestens ein oder sogar unter.

Man muss sich das vorstellen: Die römische Adlige, die sich im Laufe der Jahrhunderte als Fürsprecherin der Geschiedenen und Verwitweten, der Betrogenen und Geschlagenen hervortat, geriet in Vergessenheit (ihre Bittsteller leider gab es weiterhin), bis der Elsässer Maler und Tizian-Verehrer Jean-Jacques Henner 1885 das zauberhafte Porträt »Fabiola« schuf. Leider ist nur eine Schwarzweiß-Fotografie davon erhalten, was Amateurkopisten und Profikünstler animierte, sie erneut zum bunten Leben zurückzuführen. Vergleiche zu Henners »Frau in Rot« (heute in St. Petersburg) und anderen Bildnissen sowie die Wertigkeit der Grauwerte legten nahe, dass auch Fabiola einen roten Umhang trug – interessanterweise käme auch Grün in Frage, was die farbigen »Ausrutscher« in der Basler Ausstellung erklärt. Soweit die Vorgeschichte.

Francis Alÿs nun suchte auf Floh- und Trödelmärkten nach handgemalten bzw. handgearbeiteten Repliken (inklusive Stickereien und Reliefs) und fand – man sehe und staune – hunderte von Exponaten: In nahezu wundersamer Vermehrung sammelte er das nach links gewandte Antlitz, vereinzelt schaut die Heilige auch mal nach rechts, was vermuten lässt, dass der Kopist eine grafische Reproduktion vor Augen hatte, und vereinzelt eben auch mit grünem Gewand. Die Qualität ist freilich höchst unterschiedlich, vergrößert aber den Reiz dieser hinreißenden Aktion, die von der meist anonymen und gelegentlich bezeichneten Präsenz und von der teils naiven, teils intensiven und teils monotonen Grazie lebt. Alÿs hat nirgends eingegriffen, außer natürlich bei der Platzierung im bürgerlichen Palais des Hauses zum Kirschgarten. 1994 zum ersten Mal ausgestellt, hat der Künstler mittlerweile 350 Exemplare zusammengebracht – so dürfte seine Fabiola-Sammlung heute wohl die größte Privatsammlung zu einer einzelnen Heiligen überhaupt sein, Fabiola wäre demnach rein statistisch eine Berühmtheit. Spaßhalber könnte man in den größten Museen der Welt die Marien zählen, um festzustellen, dass nur wenige Häuser da mithalten könnten.

Das Haus zum Kirschgarten ist übrigens mittlerweile ein Museum zur Wohnkultur, das authentische Eindrücke darüber vermittelt, wie die Menschen etwa im 19. Jahrhundert lebten. Die Heiligenverehrung hatte da wie selbstverständlich ihren Platz, woran die Schau in der Potenzierung nachdrücklich erinnert. Andererseits schaffen es seine eingeschleusten Fabiolas in ihrer inneren, stoisch-eindringlichen Ruhe, dass die »etwas verstaubten Räume« (so die Präsidentin der Laurenz-Stiftung Maja Oeri im Grußwort des Begleitheftes) regelrecht aufblühen.

Weitere Informationen

Ausstellungsort: Haus zum Kirschgarten, Elisabethenstr. 27, Basel

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